Wer sein Haus oder seine Wohnung in der Nähe eines Flusses hat, sorgt sich zu Recht um die wachsende Hochwassergefahr. Jeder Hausbesitzer fürchtet die schweren Stürme, die mit zunehmender Häufigkeit und Heftigkeit auch Deutschland heimsuchen. Schneemassen können ein echtes Risiko darstellen. Ein anderes Risiko ist den wenigsten bewusst. Erdbeben sind in Deutschland zwar selten, können aber große Schäden anrichten. Versicherungen kommen nicht automatisch auf, wenn Haus, Hausrat oder Auto zerstört sind. Wer sich absichern will, braucht zusätzlichen Schutz. Gerade für Besitzer älterer Häuser kann das sinnvoll sein.
Das Erdbeben von Roermond ist mehr als 30 Jahre her. Aber die Kölnerin, Mitte vierzig, erinnert sich daran, als wäre es gestern gewesen. Sie war ein Teenager und lebte mit ihren Eltern und ihrer älteren Schwester in Heinsberg, nahe der Grenze zu den Niederlanden. Mitten in der Nacht wackelten die Wände des Hauses. Der Vater holte die verängstigten Kinder aus den Betten und zog sie in die Küche, wo die Familie unter dem schweren Küchentisch Schutz suchte. Dort harrten die vier die ganze Nacht aus.
Das Erdbeben vom 13. April 1992 war mit einer Magnitude von 5,5 bis 6 das stärkste in der Region seit fast 250 Jahren. Es gab Verletzte und erhebliche Sachschäden. Allein in Deutschland wurde der Schaden auf 150 Millionen DM (76,7 Millionen Euro) geschätzt, in den Niederlanden auf eine ähnliche Summe. Davon waren nach heutigen Preisen 50 Millionen US-Dollar (46 Millionen Euro) versichert, wie aus der zuverlässigen Statistik des Rückversicherers Swiss Re hervorgeht.
Im Vergleich zu anderen Naturkatastrophen ist diese Schadenssumme gering. Doch das Beben beschädigte allein in Heinsberg 150 Häuser, einige mussten abgerissen werden. Und: Das nächste Beben könnte deutlich schlimmere Folgen haben.
Schäden durch Naturkatastrophen deckt die Wohngebäudeversicherung in der Regel nicht ab
Vermutlich blieben 1992 viele Hausbesitzer auf den Reparaturkosten sitzen, denn Schäden durch bestimmte Naturkatastrophen deckt die Wohngebäudeversicherung in der Regel nicht ab. Sie zahlt bei Sturm, Hagel, Feuer und Schäden durch austretendes Leitungswasser, nicht aber bei Überschwemmung, Starkregen, Erdrutsch oder Erdbeben. Wer sich dagegen absichern will, braucht eine Elementarschadenversicherung.
Sie wird als Zusatzbaustein zur Wohngebäude- oder Hausratversicherung abgeschlossen. Viele Menschen verzichten jedoch auf diesen Zusatzschutz. In Deutschland ist derzeit nur knapp die Hälfte aller Privathäuser gegen Schäden durch Naturgefahren versichert. Das kann im Ernstfall teuer werden.
In der Autoversicherung ist der Schutz vor Naturgefahren anders geregelt. Die Teilkaskoversicherung bietet Autofahrern Schutz gegen Sturm, Hagel und Blitzschlag sowie gegen Überschwemmung. Wird das Fahrzeug beispielsweise von einer Überschwemmung mitgerissen und komplett zerstört, zahlt der Versicherer den Wiederbeschaffungswert, bei neueren Autos je nach Vertrag sogar den Neupreis. Bei einer Vollkaskoversicherung ist der Teilkaskoschutz inbegriffen.
Die Erdbebengefahr in Deutschland ist nicht zu vernachlässigen, sagen Experten
Ausnahmen sind Lawinen, Erdrutsche und Erdsenkungen: Wer sein Auto gegen diese eher seltenen Naturgefahren versichern will, braucht oft einen zusätzlichen Schutz. Einige Versicherer haben sie aber in ihre Tarife integriert. Bei der HUK-Coburg, dem größten Kfz-Versicherer hierzulande, sind Erdbebenschäden in der Teilkasko automatisch mitversichert.
Marco Pilz, Experte am Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ), warnt davor, die Erdbebengefahr zu unterschätzen: "Deutschland hat im weltweiten Vergleich eine geringe bis mittlere Erdbebengefährdung, aber sie ist nicht vernachlässigbar." Die Experten des Geoforschungszentrums erstellen Gefährdungskarten.
"Die am stärksten gefährdeten Gebiete liegen entlang des Rheins, vor allem am Oberrheingraben und der Niederrheinischen Bucht zwischen Köln und Aachen, auf der Schwäbischen Alb um Albstadt und dann noch südlich von Leipzig im Vogtland", sagt Pilz. Beben im Bereich der historisch größten Magnituden um 6,5 treten hier im Mittel alle tausend bis dreitausend Jahre auf. "Ungefähr alle hundert bis dreihundert Jahre gibt es ein mittelstarkes Beben der Magnitude 5,5 oder höher."
Das sind die großen Beben. Kleinere Beben sind viel häufiger: Etwa zwei bis drei Beben mit einer Stärke von 4 registrieren die Messstationen pro Jahr, berichtet der Seismologe. Sie richten aber in der Regel keine Schäden an.
Deutschland ist also "nicht unbedingt ein Hochrisikogebiet", was Erdbebengefahren angeht, wie Martin Käser sagt. Er ist Geophysiker beim Münchner Rückversicherer Munich Re und simuliert Erdbeben am Computer, um das Ausmaß möglicher Schäden vorherzusagen.
Sein Spezialgebiet ist die Modellierung von Naturkatastrophen. Auch wenn in Deutschland wetterbedingte Gefahren eine viel größere Rolle spielen, sollten Erdbeben auch seiner Meinung nach nicht vernachlässigt werden. "Selbst wenn ein Beben relativ selten auftritt, ist das Schadengebiet meist relativ groß", erklärt der Geophysiker.
Wie groß die Schäden sein könnten, haben Experten des Geoforschungszentrums 2019 im Auftrag der Bundesregierung berechnet. Sie haben eine Risikoanalyse vorgenommen und simuliert, was passiert, wenn sich in der Nähe von Köln ein Beben der Magnitude 6,5 ereignet. Das ist kein unrealistisches Szenario: Mitte des 18. Jahrhunderts gab es in der Nähe von Düren ein ähnlich starkes Beben.
Eine Simulation für Köln vermittelt einen Eindruck vom Ausmaß der Schäden
Das Ergebnis: Von den rund 170 000 Wohngebäuden in Köln dürften etwa 10 000 mittlere bis schwere Gebäudeschäden erleiden, sagt GFZ-Experte Marco Pilz. Bei diesen Häusern wäre dann die Bausubstanz so stark in Mitleidenschaft gezogen, dass eine Inspektion notwendig wäre und ein größerer Sanierungsbedarf bestünde.
Bei vielen anderen Häusern sind kleinere Schäden zu erwarten, etwa herausgefallene Fenster oder Schäden am Dach. "Je älter die Gebäude sind, desto größer sind wohl die Schäden", sagt Pilz. Das liege daran, dass es erst seit 2006 Pflicht ist, in gefährdeten Gebieten erdbebensicher zu bauen, vorher gab es nur Empfehlungen. "Das bedeutet, dass nur ein kleiner Teil des Gebäudebestands wirklich erdbebensicher gebaut wurde", sagt der Wissenschaftler. "Häuser, die in den vergangenen 20 Jahren gebaut wurden, dürften einem solchen Erdbeben besser standhalten."
Vor allem für Besitzer älterer Häuser könnte es sich also lohnen, über einen Schutz nachzudenken. Wer mit dem Gedanken spielt, eine Elementarschadenversicherung abzuschließen, sollte genau ins Kleingedruckte schauen, welcher Schutz im Falle eines Erdbebens besteht, rät Verbraucherschützer Philipp Opfermann. "Je nach Versicherer sind die Bedingungen unterschiedlich." Die Selbstbeteiligungen sind unterschiedlich hoch. "Man sollte sich fragen: Wie hoch ist meine Selbstbeteiligung und kann ich damit leben?"
Die Kosten für eine Elementarschadenversicherung sind sehr unterschiedlich. Sie hängen auch davon ab, ob das Gebäude in einem Risikogebiet für Erdbeben oder Hochwasser steht und wie alt es ist. Jörg Friederich von der SV Sparkassen-Versicherung, einem der größten Gebäudeversicherer Deutschlands, beziffert die Summe, die für den zusätzlichen Schutz fällig wird, auf 15 bis 20 Prozent des gesamten Prämienvolumens einer Gebäudeversicherung. Das Erdbebenrisiko hat daran übrigens nur einen vergleichsweise geringen Anteil. "Preistreiber sind vor allem die Gefahren Starkregen und Überschwemmung, weil sie sehr viel häufiger vorkommen", sagt Friederich. Es gibt aber auch Gebiete, etwa direkt an Flussufern, in denen das Elementarrisiko ein Vielfaches der üblichen Feuerdeckung kostet.
Munich-Re-Experte Martin Käser beklagt ein mangelndes Bewusstsein für Erdbeben in Deutschland. Er rät Menschen, deren Haus in der Erdbebenzone 3 und damit in der höchsten Risikozone liegt, Angebote verschiedener Versicherer zu prüfen und eventuell eine Gebäudeinspektion vornehmen zu lassen, um mögliche Schwachstellen aufzudecken. Sind diese identifiziert, kann man sich beraten lassen, was es kosten würde, sie zu beseitigen. "Mit einer solchen Einmalzahlung fühlt man sich vielleicht schon sicher genug und will keinen zusätzlichen Versicherungsschutz", meint er.