Erbschaftsteuer:Die Last mit der Erbschaftsteuer

Erbschaftsteuer: Nicht nur Preziosen, auch Betriebsvermögen werden vererbt. Vielen Familienunternehmern bereitet die Erbschaftsteuer große Sorgen. Der Politik fällt daher die Reform nicht leicht.

Nicht nur Preziosen, auch Betriebsvermögen werden vererbt. Vielen Familienunternehmern bereitet die Erbschaftsteuer große Sorgen. Der Politik fällt daher die Reform nicht leicht.

(Foto: imago stock&people)

Schafft die Koalition die Reform bis zu dem vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Stichtag nicht, gelten die bestehenden Regeln zunächst weiterhin.

Von Stefan Weber

Die Summe ist gewaltig: 200 bis 300 Milliarden Euro werden nach Schätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW) in jedem Jahr in Deutschland über Erbschaften oder Schenkungen an die nächste Generation weitergegeben. Die genaue Summe ist nicht bekannt, denn es gibt keine verlässlichen Statistiken. Ein Großteil des weitergereichten Vermögens, so rechnet Stefan Bach, Steuerexperte vom DIW vor, geht an eine vergleichsweise kleine Gruppe. Etwa 1,5 Prozent der Begünstigten erhalten Vermögen im Wert von mehr als 500 000 Euro. Ein Prozent der Erben und Beschenkten kommen gar in den Genuss eines Transfers von mehr als fünf Millionen Euro - damit konzentrieren sich bei ihnen 14 Prozent des gesamten übertragenen Vermögens.

Neben Immobilien, Wertpapieren, Kunstgegenständen und Bargeld werden auch Unternehmen an die nächste Generation vererbt und verschenkt. Das DIW beziffert das in jedem Jahr in Form von Unternehmensübertragungen weitergegebene Vermögen auf 30 bis 40 Milliarden Euro. Doch wie sind Erbschaften unter steuerlichen Gesichtspunkten zu behandeln? Über diese Frage wird seit Jahren landauf, landab erbittert gestritten. Die Positionen liegen vielfach weit auseinander. Die einen würden es am liebsten so machen wie Österreich oder Schweden und die Erbschaftsteuer komplett streichen. Oder zumindest großzügige Verschonungsregeln für Betriebsvermögen vorsehen. Die anderen plädieren im Gegenteil dafür, die Erbschaftsteuer so zu gestalten, dass sie vorhandene Vermögensungleichheiten zumindest ein Stück weit korrigiert. Aktuell spült die Erbschaftsteuer in jedem Jahr etwa fünf Milliarden Euro in die Kassen der Bundesländer - ihnen steht das Aufkommen aus dieser Steuer in vollem Umfang zu.

Klar ist nur eins: Die bestehende Regelung hat ausgedient. Es muss sich etwas ändern. Denn im Dezember 2014 hatte das Bundesverfassungsgericht das geltende Erbschaftsteuerrecht für verfassungswidrig erklärt. Die Vergünstigungen für Unternehmenserben seien zu großzügig und die Schlupflöcher zur Umgehung der Steuerpflicht zu weitmaschig. Ein Steuergesetz dürfe nicht so konstruiert sein, dass es eine Einladung zu seiner Umgehung darstelle. Die Karlsruher Richter räumten der Politik viel Zeit ein, eine Reform auf den Weg zu bringen: "Der Gesetzgeber ist verpflichtet, eine Neuregelung spätestens bis zum 30. Juni 2016 zu treffen."

Um diesen Zeitplan einzuhalten, müsste in den nächsten Wochen eine Menge passieren. Zunächst müssten sich die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD auf eine Linie verständigen. Dann würden eine Lesung im Finanzausschuss des Bundestages sowie eine erneute Lesung im gesamten Bundestag folgen, ehe der Bundesrat das Gesetz beschließen könnte. Letztmögliche Termine dafür vor der parlamentarischen Sommerpause wären der 17. Juni oder der 8. Juli. "Dabei ist zu beachten, dass die Große Koalition in der Länderkammer keine Mehrheit hat. Um die notwendige absolute Mehrheit von 35 Stimmen zu erreichen, muss die Große Koalition drei Länder auf ihre Seite holen", betont Stefan Heidbreder, Geschäftsführer der Stiftung Familienunternehmen.

Noch ist nicht einmal abzusehen, ob sich die Koalition auf eine Neuregelung der Erbschaftsteuer einigen kann. Zwar hatte es Mitte Februar zunächst so ausgesehen, als sei ein Kompromiss gefunden. Doch dann forderte CSU-Chef Horst Seehofer nach einem Treffen mit Wirtschaftsvertretern weitere Nachbesserungen. Verhandlungen darüber lehnt die SPD jedoch ab. Der Streit hat eine monatelange Vorgeschichte. Nach der Rüge des Bundesverfassungsgerichts hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zunächst einen "minimalinvasiven" Eingriff in den Gesetzestext angekündigt. Das beruhigte zunächst die vielen Familienunternehmer, die nach dem Spruch der Karlsruher Richter befürchtet hatten, künftig im Erbfall Teile ihres Betriebs verkaufen zu müssen, nur um den Fiskus bedienen zu können. Doch die Eckpunkte des Gesetzentwurfs, die der Finanzminister bald darauf vorlegte, sahen sogar zusätzliche Hürden für Firmenerben vor und gingen nach Meinung vieler Wirtschaftsverbände noch über die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hinaus.

Im Juni 2015 veröffentlichte das Bundesfinanzministerium dann einen Referentenentwurf zur Erbschaftsteuer-Reform, der sich in weiten Teilen an den vorgelegten Eckwerten orientierte. Bereits ab einem vererbten Firmenvermögen von 20 Millionen Euro solle eine Bedürfnisprüfung ergeben, ob der Erbe die Steuern aus seinem Privatvermögen bezahlen kann. Wenn das nicht möglich sei, solle das Unternehmen verschont werden, um seinen Bestand nicht zu riskieren.

Im Juli 2015 verabschiedete das Bundeskabinett dann einen Gesetzentwurf und leitete ihn an Bundestag und Bundesrat weiter. Darin betrug die Freigrenze für die sogenannte "Verschonungsbedarfsprüfung" nicht mehr 20 Millionen sondern 26 Millionen Euro. Seitdem wird in der Politik heftig darüber gestritten, wie viele Unternehmen infolge der Erhöhung der Freigrenze überhaupt betroffen sind. Nach Zahlen der Stiftung Familienunternehmen sind es potenziell etwa 10 000. Doch dieser relativ kleine Teil von Unternehmen hat große volkswirtschaftliche Bedeutung: Er beschäftigt ein Fünftel der Arbeitnehmer in Deutschland und erwirtschaftet jeden vierten Euro in der deutschen Wirtschaft. Das hat das Institut der deutschen Wirtschaft errechnet.

Wie die Erbschaftsteuer die Investitionstätigkeit und die Beschäftigtenzahlen beeinflussen kann, hatte das Ifo-Institut bereits 2014 im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen erfragt. Dabei gaben zwei von drei Betrieben an, ihre Investitionen senken zu müssen, sollte die Begünstigung von Betriebsvermögen im Erbfall wegfallen. Und 52 Prozent schätzten, dass sie unter diesen Bedingungen ihre Beschäftigtenzahlen senken müssten. Von den Familienunternehmen, die bereits einen Erb- oder Schenkungsfall hatten und dabei einen Verschonungsabschlag in Anspruch genommen hatten, gaben 39 Prozent an, dieser Abschlag habe sie zu zusätzlichen Investitionen ermuntert. Jeder dritte Befragte betonte, aufgrund der Begünstigung habe er zusätzliche Mitarbeiter eingestellt. Und 43 Prozent behaupteten, sie hätten das Unternehmen oder Teile davon verkaufen müssen, wenn es den Verschonungsabschlag nicht gegeben hätte.

Wie könnte nun eine Lösung aussehen? Nach Ansicht von Stefan Bach vom DIW versucht sich die Große Koalition an der Quadratur des Kreises: "Zum einen müssen die bisher weitgehend steuerfreien Übertragungen für große Unternehmen eingeschränkt werden, zumindest muss eine Bedürfnisprüfung stattfinden. Andererseits wehren sich Wirtschaftsverbände und Familienunternehmer, dass sie deutlich mehr Steuern zahlen." Als möglichen Ausweg sieht er eine Art Flat Tax: Steuervergünstigungen werden radikal abgebaut, mit der Folge, dass sich die Anzahl der betroffenen Personen deutlich erhöht. Zugleich wird der Steuersatz auf maximal 15 Prozent gesenkt.

Mit einer solchen Reform, so meint Bach, sei sogar ein Mehr an Erbschaftsteuer zu erzielen. Stefan Heidbreder von der Stiftung Familienunternehmen hält wenig von einem solchen Modell: "Speziell Familienunternehmen, deren Vermögen in der Regel in Fabrikgebäuden, Maschinen und sozialgebundenen Arbeitsplätzen investiert ist, laufen Gefahr, dass die Liquidität nicht ausreicht, um die Erbschaftsteuer - selbst bei abgespeckten Tarifen - zahlen zu können", meint er. Die betroffenen Firmen würden an Wettbewerbsfähigkeit einbüßen, Arbeitsplätze gerieten in Gefahr.

Viele Familienunternehmer warten nicht ab, wie sich die Politik am Ende entscheidet. Weil sie einen Abbau von Vergünstigungen fürchten, nutzen sie noch bestehende Vergünstigungen und übertragen vorab Vermögenswerte. Auf diese Weise sind nach Schätzung des DIW in den vergangenen Jahren bereits etwa 170 Milliarden Euro steuerfrei an die nächste Generation weitergegeben worden. Gut möglich, dass das Zeitfenster für solche Transaktionen noch eine Weile offen bleibt. Denn wenn sich die Beteiligten bis zu dem vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Stichtag 30. Juni 2016 nicht auf eine Lösung verständigen, gelten die bestehenden Vorschriften weiter. "Das ergibt sich aus dem entsprechenden Urteil des Gerichts", sagt Heidbreder.

Für die betroffenen Familienunternehmer sei es von entscheidender Bedeutung, dass das Gesetz in der gebotenen Sorgfalt formuliert und verabschiedet werde. "Hier gilt Gründlichkeit vor Schnelligkeit", betont der Geschäftsführer der Stiftung Familienunternehmen.

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