Firmenerben:Schnell noch Steuern sparen

Frühlingsmorgen in Berlin

Die Bundesregierung regelte aufgrund eines 2014 ergangenen Urteils des Bundesverfassungsgerichts die Firmenerbschaften neu.

(Foto: dpa)

In Deutschland sind teils für Milliarden Euro Firmen verschenkt worden - und der Staat hatte kaum etwas davon. Kritiker geißeln die Reform der Erbschaftsteuer als ein "Konjunkturprogramm für Steuerberater".

Von Alexander Hagelüken

Wer in Deutschland eine Firma erbt oder geschenkt bekommt, muss darauf oft kaum Steuern zahlen. Diese Privilegien sollen Jobs schützen. So erhielten in vergangenen Jahren auch 90 Kinder unter 14 steuerfrei Firmen im Wert von 30 Milliarden Euro. Vor einer Neuregelung der Erbschaftsteuer wurden besonders viele Firmen mit einem Wert von jeweils mehr als 26 Millionen Euro an die nächste Generation übertragen, wohl um wenig ans Finanzamt zu zahlen, zeigt eine neue Auswertung.

Die Bundesregierung regelte aufgrund eines 2014 ergangenen Urteils des Bundesverfassungsgerichts die Firmenerbschaften neu. Allein 2014 wurden größere Firmen in einem Gesamtvolumen von 33 Milliarden Euro verschenkt, das waren drei Mal so viel wie 2013. Die Werte blieben in den nächsten Jahren anhaltend hoch. 2018 galt in vielen Fällen schon das neue Gesetz - und es wurden nur 13 Milliarden Euro Firmenwert übertragen. Das geht aus der Antwort der Regierung auf eine Anfrage der Grünen hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. "Die Zahlen zeigen, dass die Reform der Erbschaftsteuer bisher vor allem ein Konjunkturprogramm für Steuerberater war", so die grüne Finanzpolitikerin Lisa Paus. "Über Schenkungen wurden große Betriebsvermögen vor der Reform übertragen. Die Erbschaftsteuer gleicht weiter einem Schweizer Käse, sie ist von Ausnahmen nur so durchlöchert."

Nach anderen Daten wurde 2014 insgesamt steuerfrei Firmenvermögen von 60 Milliarden Euro verschenkt, in den Jahren danach ähnlich viel. Frühere Auswertungen zeigen, dass zwei Drittel der Bundesbürger, denen 2018 jeweils mehr als 100 Millionen Euro in den Schoß fielen, darauf überhaupt keine Steuern zahlten - auf eine Gesamtsumme von 15 Milliarden Euro.

"Die komplizierten Verschonungsregeln bei der Erbschaftsteuer haben die Steuer nicht gerechter gemacht, im Gegenteil"

Vor der Gesetzesnovelle der Regierung 2016 kämpften die Wirtschaftsverbände dafür, Firmenerben weiter große Ausnahmen zu gewähren. Ihr Argument: Werden die Unternehmen belastet, kostet das häufig Arbeitsplätze. Nach Ansicht von Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) wurde das Gesetz zwar etwas verschärft, "dem Urteil des Verfassungsgerichts aber nicht ausreichend Rechnung getragen". "Die komplizierten Verschonungsregeln bei der Erbschaftsteuer haben die Steuer nicht gerechter gemacht, im Gegenteil", sagt der grüne Finanzexperte Stefan Schmidt. "Wir sollten sehr genau beobachten, wie sich der Trend weiterentwickelt."

DIW-Forscher Bach findet Ausnahmen für Firmen grundsätzlich richtig, um diese nicht zu stark belasten. Aber: "Zehn bis 15 Prozent Erbschaftsteuer könnten sie mit großzügigen Stundungsregeln schon bezahlen."

Dies würde die Einnahmen der Finanzämter von derzeit unter sieben Milliarden Euro im Jahr verdoppeln. Dann würden die Einnahmen in Deutschland prozentual das Niveau erreichen, das Belgien oder Frankreich schon heute erzielen. Die Bundesregierung macht keine Anstalten, höhere Erbschaftsteuern zu erzielen. 2016 kündigte sie an, etwa die Konzernbetrachtung bei Familienfirmen vertieft zu analysieren.

Weit ist sie damit nicht, wie sie auf Anfrage der Grünen mitteilt: "Die Prüfung ist noch nicht abgeschlossen" - fast vier Jahre später.

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