Erbschaft:Häuser zu verschenken

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Wer sein Haus vorzeitig an seine Erben übertragen will, sollte sich das gut überlegen. (Foto: picture alliance / dpa)
  • Wer noch bis Silvester eine Immobilie an seine Erben überträgt, kann viel Geld sparen. Danach könnten Erbschaft- und Schenkungsteuer stark steigen.
  • Doch Experten warnen davor, ein Haus oder eine Wohnung überstürzt zu verschenken.

Von Harald Freiberger, München

Kein Durchkommen unter dieser Nummer. "Das ist jetzt schlecht, der Herr Notar hat Stress, er ist laufend in Beurkundungen", sagt die Angestellte einer Münchner Kanzlei am Telefon. Erst für das neue Jahr könne man wieder einen Termin ausmachen. Das Phänomen, dass bei Notaren gegen Jahresende der Stress zunimmt, gibt es schon länger. In diesem Jahr aber ist es besonders krass. Die Angestellte eines anderen Münchner Notariats formuliert es so: "Normalerweise geht es im Dezember los, aber diesmal dachte man schon im November: Ja, ist denn schon Dezember?" Normalerweise beurkunden die zwei Notare in ihrer Kanzlei vielleicht fünf Immobilienverträge am Tag, derzeit sind es etwa doppelt so viele.

Die Jahresendrallye beim Notar hat finanzielle Gründe: Wer noch bis Silvester eine Immobilie an seine Erben überträgt, kann viel Geld sparen. Zum 1. Januar passen Städte und Kommunen in Deutschland die sogenannten Bodenrichtwerte an. Da der Immobilienboom seit Jahren anhält, werden die Werte deutlich steigen, besonders in Ballungsräumen wie München. Die Finanzämter orientieren sich an den Bodenrichtwerten, wenn sie die Erbschaft- und Schenkungsteuer berechnen. "Steuerberater schicken Leute, die schenkungsteuergefährdet sind, deshalb derzeit gern zu uns", heißt es bei einem Notar.

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Wer sein Haus zu Lebzeiten verschenkt, hat einen Freibetrag von 400 000 Euro pro Kind. Verstirbt er nicht binnen zehn Jahren, lässt sich der Freibetrag im Erbfall erneut nutzen. Ein Beispiel, gerechnet für ein Eigenheim in München, das nach dem letzten Bodenrichtwert von Ende 2016 eine Million Euro wert ist: Experten halten es für realistisch, dass der Wert seitdem um rund 30 Prozent gestiegen ist. Demnach legt das Finanzamt ab 1. Januar 2019 einen Wert von 1,3 Millionen Euro zugrunde. Vor dem Stichtag sind also abzüglich des Freibetrags 600 000 Euro zu versteuern, nachher 900 000 Euro. Das ergibt einmal eine Steuerlast von 90 000 Euro (Steuersatz: 15 Prozent), ein andermal von 171 000 Euro (Steuersatz: 19 Prozent). In dem Beispiel ließen sich also 81 000 Euro Steuern sparen.

Besonders stark fallen die Unterschiede in Bundesländern aus, die die Bodenrichtwerte nur alle zwei Jahre anpassen. Dazu zählen neben Bayern auch Hessen oder Sachsen. Das Bundesgesetz schreibt mindestens einen Zwei-Jahres-Rhythmus vor, die Länder können die Werte aber auch jedes Jahr berechnen. So machen es etwa Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen oder Rheinland-Pfalz. "Wenn man jetzt noch Werte von Ende 2016 mitnehmen kann, macht man das natürlich gern", drückt es die Amtsrätin eines Notars in München lakonisch aus.

In München gibt es mehr als 2200 verschiedene Richtwerte

Einer, der in diesen Tagen auch viel zu tun hat, ist der Rechtsanwalt Wolfram Theiss von der Münchner Kanzlei Noerr. Er ist auf Erbschaftsrecht spezialisiert und berät Mandanten, wie sie ihr Vermögen möglichst steuerschonend übertragen können. Manchmal geht es um sehr große Vermögen, manchmal nur um ein Eigenheim. Auch das zu übertragen, kann schon kritisch sein, wie das Beispiel zeigt: Nicht jedes Kind bringt eine sechsstellige Summe für die Schenkungsteuer auf. "Weil die Preise und damit die Steuer so dramatisch gestiegen sind, ist es viel schwieriger geworden, Immobilienvermögen in der Familie zu halten", sagt Anwalt Theiss, der sich zuletzt bei vier Notaren vergeblich um einen Termin vor Silvester bemühte. Im schlimmsten Fall müsse das Haus verkauft werden, um die Steuer zu zahlen.

Der Mann, der in München für die Bodenrichtwerte verantwortlich ist, heißt Albert Fittkau. Er ist Vorsitzender des Gutachterausschusses, der demnächst alle bis Silvester beurkundeten Immobilienverträge auswertet und daraus in etwa zehn Sitzungen bis Mai die neuen Bodenrichtwerte errechnet. Es ist eine ziemliche Fieselarbeit, schließlich gibt es in München mehr als 2200 verschiedene Richtwerte. Manchmal umfasst eine Zone fast ein ganzes Stadtviertel, manchmal aber auch nur wenige Häuser. Der Richtwert gibt Nutzungsart und Wert des Grundstücks je Quadratmeter an, dazu die Dichte, mit der es bebaut werden kann. Aus diesen und weiteren Angaben lässt sich der Preis einer Immobilie einschätzen. Die Einsicht kostet in München 30 Euro Gebühr.

Die Richtwerte reichen in der Stadt von 75 Euro pro Quadratmeter für Freizeitflächen in Allach über 2500 fürs Wohnen in Harlaching bis hin zu 125 000 Euro an der Kaufinger Straße, dem teuersten Pflaster der Republik. "Seit 2008 sind die Werte jedes Jahr je nach Zone um fünf bis 15 Prozent gestiegen", sagt Fittkau. Aus aktuellen Auswertungen weiß er, dass diese Entwicklung auch in den vergangenen zwei Jahren angehalten hat. Entsprechend dürften die neuen Werte zwischen fünf und 30 Prozent höher sein.

In Frankfurt haben die Preise für ein Einfamilienhaus, egal ob alt oder neu, zuletzt um zehn Prozent im Jahr angezogen. "Natürlich schaut man zuerst auf den Bodenrichtwert, wenn es um Kauf, Verkauf oder Übertragung einer Immobilie geht", sagt Mark Gellert vom Planungsdezernat der Stadt, in der die Erhebung ebenfalls alle zwei Jahre stattfindet. Vier bis sechs Wochen vor Silvester registriert auch er stets erhöhten Parteienverkehr in den Notariaten. "Das sind zum großen Teil Leute, die denken, wenn ich vorher kaufe oder schenke, komme ich billiger weg", sagt Gellert.

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Experten warnen jedoch davor, eine solche Entscheidung zu überstürzen. "Wenn ich etwas übergebe, muss es zivilrechtlich Sinn machen, denn mögliche negative Effekte kann man nicht mit Steuervorteilen kompensieren", sagt der Münchner Notar Bernhard Schaub. Wer sein Haus verschenke, müsse sich darüber bewusst sein, dass der Schritt endgültig ist. Es kommt immer wieder vor, dass Schenker es hinterher bereuen, hat Anwalt Theiss beobachtet: "Etwa dann, wenn das Kind aus der Bahn läuft und das Haus verprassen will - oder wenn es zur Scheidung kommt und die Schwiegertochter das Haus versteigern möchte."

Das Thema spielt bei Erbschaften eine immer größere Rolle. Eine Umfrage der Deutschen Bank ergab, dass Erblasser in der Vergangenheit in einem Drittel der Fälle eine selbst genutzte Immobilie weitergegeben haben, bei künftigen Erblassern wird es schon mehr als die Hälfte sein.

Es gibt einige juristische Vorkehrungen, mit denen sich der Schenker auch nach Übergabe des Hauses vor Unbill schützen kann. Dazu zählen etwa Rückforderungsklauseln für den Fall, dass das beschenkte Kind stirbt oder sich scheiden lässt. Will der Schenker selbst im Haus wohnen bleiben oder die Miete einnehmen, kann er ein lebenslanges Nießbrauchsrecht sicherstellen. "Vor allem wenn man selbst drin lebt und vielleicht sein Leben lang dafür gespart hat, muss man es sich sehr gut überlegen", sagt Anwalt Theiss. Es könnte ja sein, merkt Notar Schaub an, dass man das Haus später verkaufen möchte, etwa weil man aus gesundheitlichen Gründen im Süden leben will: "Was einem nicht mehr gehört, kann man nicht mehr versilbern."

© SZ vom 06.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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