Nachlass:Wenn die Schwiegereltern plötzlich miterben

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Wer sein Testament ohne Notar macht, muss es handschriftlich verfassen. Und ordentlich schreiben. Unleserliche Testamente sind ungültig. (Foto: Jens Büttner/dpa)

Ehepaare ohne Kinder sollten dringend ein Testament machen. Stirbt ein Partner, kann es sonst heikel werden - denn dann ist Teilen mit der Verwandtschaft angesagt.

Von Berrit Gräber

Verliebt, verlobt, verheiratet - und sofort ein gemeinsames Testament machen. So nüchtern diese Reihenfolge klingt, so wichtig kann sie für die Zukunft eines kinderlosen Paares sein. Denn: Gibt es keinen gemeinsamen Letzten Willen, erben die Schwiegereltern mit, sollte einer der Partner sterben. Oder es ist Teilen mit der übrigen Verwandtschaft angesagt. "Das können ganz hässliche Erbfälle werden", sagt Michael Henn, Vizepräsident der Deutschen Anwalts-, Notar- und Steuerberatervereinigung für Erb- und Familienrecht (DANSEF).

Doch nur selten haben frisch verheiratete Paare nach der Eheschließung schon das gemeinsame Testament auf der To-do-Liste. Die Partner gehen oft davon aus, dass der andere allein erbt, wenn einer von ihnen stirbt. Zumindest, solange kein Kind da ist. Ein fataler Irrglaube, der sich hartnäckig hält.

So hart ist die Realität: Gibt es kein Testament, in dem sich das Ehepaar oder die eingetragenen Lebenspartner gegenseitig zu Alleinerben einsetzen, greift die gesetzliche Erbfolge. Und die besagt: Ist das Paar im Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet oder verpartnert und hat es keinen Nachwuchs, dann erbt der länger Lebende nur zu drei Viertel. Je ein Achtel geht an die Eltern des Verstorbenen. "Schlagen sie dies nicht aktiv aus, indem sie innerhalb von sechs Wochen zum Notar gehen, sind sie automatisch Erben", betont Henn, Fachanwalt für Erbrecht in Stuttgart. Leben die Eltern nicht mehr, erben Geschwister, Halbgeschwister respektive die Großeltern.

So hässlich kann es werden: Ein junges Paar heiratet. Kurz darauf verunglückt der Ehemann tödlich. Die kinderlose Witwe hat plötzlich die Schwiegereltern als Miterben. Und weil diese auf ihr Erbteil pochen, muss sie die neu erworbene Wohnung, die Uhrensammlung und den Oldtimer des Verstorbenen verkaufen und sie ausbezahlen. Anderes Beispiel: Ein Ehepaar bleibt mehr als 30 Jahre lang kinderlos. Der Mann stirbt. Seine Eltern sind bereits tot. Aber er hat noch zwei Brüder. Sie werden zu Miterben und verlangen ihren Anteil. Die 60-jährige Witwe muss ihr Zuhause verkaufen, um sie auszubezahlen. Die naive Vorstellung, dass der Ehepartner automatisch alles erbt, sei eine "hartnäckige Mär", warnt Paul Grötsch, Fachanwalt für Erbrecht und Geschäftsführer des Deutschen Forums für Erbrecht in München.

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Das muss geteilt werden: "Kinderlose Ehepaare, ob jung oder alt, sollten dringend ein Testament machen, am besten schon gleich nach der Heirat", rät auch Jan Bittler, Erbrechtsanwalt und Geschäftsführer der Deutschen Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge (DVEV). Denn: So gut wie alles, was der Verstorbene hatte, muss anteilig aufgeteilt werden. Zwar bleiben wenigstens die zum ehelichen Hausstand gehörenden Sachen wie Mobiliar, Teppiche oder das Porzellan außen vor.

Geht es um persönlichen Besitz wie ein Auto, die Hi-Fi-Anlage, Musikinstrumente, Erinnerungsfotos, Armbanduhren oder Schmuck, gilt dagegen: Die Schwiegereltern haben zusammen Anspruch auf ein Viertel. Kann die junge Frau nicht beweisen, dass die teure Kette von Cartier ein Geschenk war, muss sie teilen, wie Henn betont. "Manchmal wird selbst um persönliche Dinge wie das Rasierset des verstorbenen Sohnes erbittert gestritten", sagt Erbrechtsspezialist Bittler.

Auch um das wird gestritten: Gibt es Vermögen auf Konten oder Depots, muss die Witwe das teilen. War der Verstorbene der Hauptverdiener, ist Streit meist unausweichlich. "Kam das Vermögen vor allem von Seiten ihres Kindes, haben manche Eltern das Bedürfnis, möglichst viel zurückzuholen", so Henn. Ebenfalls problematisch: Bewohnte das Paar eine gemeinsam erworbene Immobilie, können die Schwiegereltern, der Schwager oder die Schwägerin Miete von der Witwe verlangen. Oder sie wollen ausbezahlt werden. Dann muss die Witwe verkaufen, wenn sie das Geld nicht hat.

Kann sich die Erbengemeinschaft nicht einigen, kommt es zur Zwangsversteigerung. "Je weniger eng die Bindung zwischen den Erben, desto schwieriger wird es", betont Grötsch. Lediglich die Hochzeitsgeschenke darf die Witwe oder der Witwer für sich behalten. Aber auch das ist schwer nachzuweisen. War das Paar in Gütertrennung verheiratet, sieht es für den verwitweten Partner noch schlechter aus. Er erbt dann sogar nur die Hälfte. Der Rest geht an die Verwandtschaft.

Das ist zu tun: Gemeinsam ein Testament aufsetzen, in dem sich kinderlose Eheleute gegenseitig als Alleinerben einsetzen. Die gesetzliche Erbfolge ist damit weitgehend ausgehebelt. Eine diffizile Erbengemeinschaft kann nicht entstehen. In jungen Jahren, wenn ein Paar noch nicht viel auf der hohen Kante hat, reichen in der Regel ein paar handgeschriebene Zeilen, dass der länger Lebende alles erbt, wie Henn betont. Je mehr Vermögen da ist, desto ratsamer ist es, einen Fachanwalt zurate zu ziehen. Wichtig: Vorsorglich im Testament verfügen, dass die noch ungeborenen gemeinsamen Kinder die Schlusserben werden. Bringt der Partner Stiefkinder mit in die Ehe, ist Vorsorge ebenfalls ratsam. Sollen die "angeheirateten" Kinder erben, muss das im Testament explizit festgeschrieben sein.

An den Pflichtteil denken: Obwohl ein kinderloses Paar mit seinem Testament die Eltern de facto enterbt, steht diesen im Todesfall nach wie vor ein Pflichtteil zu. Er beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Wer das umgehen möchte, kann Vater, Mutter oder Geschwistern testamentarisch Gegenstände vermachen. Zum Beispiel den Jugendstilsekretär oder Schmuck. "Damit sind viele zufriedengestellt", weiß Erbrechtsspezialist Grötsch. Häufig verzichten Eltern auch von sich aus. Werden sie innerhalb von drei Jahren nicht aktiv, geht ihr Pflichtteil verloren.

Vorsicht, Auslandsaufenthalt: Ein Muss ist das gemeinsame Testament für kinderlose Eheleute, die im Ausland leben. Stirbt ein Partner außerhalb Deutschlands, ist seit 2015 für den Nachlass in den meisten Ländern der EU die Rechtsordnung vor Ort zuständig - also das Erbrecht des Landes, in dem sich der Verstorbene zum Zeitpunkt seines Todes ständig aufhielt. "Wer beruflich für zwei Jahre nach Singapur geht, nach Österreich zieht oder auf Mallorca überwintert, sollte auch ans dortige Erbrecht denken", erläutert Grötsch. Es kann für den Witwer oder die Witwe noch ungünstiger ausfallen als in Deutschland. Wer Nachteile vermeiden will, muss im Testament ausdrücklich festschreiben, dass das deutsche Erbrecht gelten soll.

© SZ vom 21.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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