Eon:Projekt Phoenix

Kraftwerk Staudinger

Ein Kohlekraftwerk des Eon-Konzerns bei Hainburg, Hessen.

(Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Wie der Stromkonzern Eon trotz knapper Kassen seinen Weg in der neuen Energie-Industrie finden will.

Von Varinia Bernau, Düsseldorf

Michael Sen, 47, wacht im Vorstand des Energiekonzerns Eon über die Zahlen. Doch wenn er über die Bilanz spricht, geht es nur vordergründig über eine Gewinn- und Verlustrechnung. Es geht vor allem darum, Zuversicht zu signalisieren. Gerade in diesen Zeiten: Am Mittwochmorgen vermeldete Eon für die ersten neun Monate dieses Jahres einen Verlust von 9,3 Milliarden Euro. "Die Vergangenheit hinterlässt tiefe Spuren in unserer Bilanz", sagte Finanzchef Sen und gab sich dennoch optimistisch: Nun sei der Weg für eine Neuausrichtung frei.

Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Es stimmt, der Verlust ist vor allem auf Abschreibungen auf Uniper zurückzuführen. Also auf jenes Unternehmen, in dem Eon sein Geschäft mit den Kohle-, Gas-, Wasserkraftwerken gebündelt hat. Im September ist Uniper an die Börse gegangen, Eon hält noch knapp 47 Prozent an dem Unternehmen. Weil das Geschäft mit den konventionellen Kraftwerken immer weniger abwirft, musste Eon den Wert in seinen Büchern mehrfach senken. Nun also hat der Konzern den Wert seiner verbliebenen Beteiligung um weitere 6,1 Milliarden Euro nach unten korrigiert.

Und es stimmt auch, dass es in den Geschäften, die nach der Abspaltung von Uniper bei Eon verblieben sind, ganz gut lief. In den Bereichen Ökostrom, Netze und Vertrieb steigerte Eon den operativen Gewinn in den ersten neun Monaten um etwa 13 Prozent auf knapp 1,9 Milliarden Euro. Allerdings fehlten nach dem Verkauf von Randgeschäften auch Einnahmen, so dass der Gewinn vor Zinsen und Steuern für den gesamten Konzern dennoch um vier Prozent zurückgingen.

Nicht alle Probleme aber ist Eon mit der Abspaltung von Kohle- und Gaskraftwerken los geworden. Die atomaren Altlasten erschweren den Aufbruch. Eine Regierungskommission hatte im April vorgeschlagen, dass die vier Stromkonzerne Eon, RWE, Vattenfall und ENBW bis 2022 Geld in einen staatlichen Fonds überweisen, der die Zwischen- und Endlagerung von Atommüll managen soll. Im Gegenzug sind sie damit raus aus der Haftung. Zehn Milliarden Euro wird das Eon kosten, zwei Milliarden mehr als er bislang dafür zurückgestellt hat. Hinzu kommen Pensionsverpflichtungen, für die Eon in Zeiten niedriger Zinsen die Reserven anzapfen muss. Das Eigenkapital, über das Eon noch verfügt, liege derzeit bei 433 Millionen Euro, sagte Sen - und ergänzte, dass es im Laufe des Jahres ganz aufgezehrt sein könnte. An einer Dividende, so signalisierte Sen den Aktionären, werde man aber wohl festhalten.

Ausgerechnet mit solch knapper Kasse muss Eon nun seinen Platz in der neuen Energiewelt suchen. Dabei geht es nicht nur um Investitionen in Windparks. Mit all den Solaranlagen auf deutschen Dächern hat sich auch das Verhältnis zwischen Stromverbrauchern und Stromversorgern grundlegend geändert. Die großen Versorger müssen auf einmal ihren Kunden zuhören. Das erfordert mehr Empathie, als die Callcenter von Eon bisher aufbringen. Denn über Jahrzehnte hinweg mussten sich die Energieanbieter mangels Konkurrenz nicht um ihre Kundschaft bemühen. Eon hat sich deshalb ein Programm aufgelegt, das bis Ende des kommenden Jahres umgesetzt werden soll. Es trägt den symbolischen Titel "Phoenix" und soll, so erläutert Sen, sicherstellen, dass Entscheidungen seltener in der Konzernzentrale in Essen getroffen werden, sondern so lokal wie möglich - und damit nah am Kunden.

Zu dem Programm gehört aber auch das Ziel, Kosten von etwa 400 Millionen Euro einzusparen. Eine klare Antwort auf die Frage, was das für die derzeit etwa 40 000 Arbeitsplätze bei Eon heißt, gab Sen nicht. Man rede derzeit vor allem darüber, wie sich Prozesse und Strukturen ändern, noch nicht über einen möglichen Stellenabbau. Allerdings hat Eon bereits einen Einstellungstopp verhängt und überprüft geplante Investitionen. "Weniger auszugeben, ist die beste Möglichkeit, Schulden abzubauen", sagte Sen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: