Videospiel „Dorfromantik“:„Wir haben ein viel kleineres, simpleres Spiel gemacht“

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"Dorfromantik" gewann in mehreren Kategorien beim Deutschen Computerspielpreis 2021. (Foto: Toukana Interactive GmbH)

Mit „Dorfromantik“ ist einem kleinen Berliner Computerspiel-Studio ein Überraschungserfolg gelungen. Jetzt arbeiten die vier jungen Entwickler am Nachfolger.

Von Marie Gundlach

Der Tukan ist mit seinem großen, gebogenen Schnabel und bunten Gefieder eine lustige, wenn nicht sogar beeindruckende Erscheinung und entgegen geläufiger Annahmen kein Papageienvogel, sondern ein Specht. In der Regel sind Tukane in den Urwäldern Süd- und Mittelamerikas anzutreffen. Doch auch mitten in Berlin gibt es ein Exemplar – in einem Entwicklerstudio für Computerspiele.

„Wir wollten ein Maskottchen, das irgendwie süß und liebenswert ist, aber auch ein bisschen trottelig und farbenfroh“, sagt Zwi Zausch, einer der Gründer von Toukana Interactive. So heißt das Entwicklerstudio, das Zausch 2020 mit Luca Langenberg, Sandro Heuberger und Timo Falcke während seines Studiums an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin gegründet hat. Aus einem Uni-Büro heraus entwickelten sie ihr erstes Computerspiel „Dorfromantik“, ein Anlegespiel, das mit seinen sechseckigen Plättchen an den Spiele-Klassiker Carcassonne erinnert. Zug um Zug entsteht eine immer größere Spielwelt aus Dörfern, Wäldern, Feldern – solange, bis alle virtuellen Spielsteine aufgebraucht sind. Punkte gibt es dann für passende und zusammenhängende Flächen auf dem Spielplan. Mit seiner ruhigen Musik hat das Spiel fast einen meditativen Charakter, man spielt allein, der einzige Gegner ist der eigene Highscore, wenn man sich überhaupt messen möchte.

Das Spiel wurde 2021 zum Überraschungserfolg, schon am ersten Tag nach dem Release wurden zehntausende Kopien verkauft, inzwischen sind es über eine Million. Dorfromantik gewann in mehreren Kategorien beim Deutschen Computerspielpreis 2021 und wurde im gleichen Jahr beim Deutschen Entwicklerpreis als „Bestes Deutsches Spiel“ ausgezeichnet. Bekannte Streamerinnen und Streamer spielten das Anlegespiel in ihren Streams. „Ich bin gar nicht mehr von Twitch weggekommen“, erinnert sich Langenberg an die Tage nach dem Release. Als dann selbst bekannte Streamer wie Gronkh und Hänno das Spiel gespielt hätten, da wurde ihm bewusst: „Das wird was.“ Ein Jahr später erschien „Dorfromantik: Das Brettspiel“, das prompt zum „Spiel des Jahres 2023“ gekürt wird.

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Herauszustechen, das ist die Schwierigkeit

Dem Team ist klar, dieser plötzliche Erfolg ist eher die Ausnahme als die Regel. „Planen kann man damit nicht“, sagt Langenberg, denn der Spielemarkt ist gut gefüllt. Zwar sind Hard- und Software in den vergangenen Jahren zugänglicher als noch zu Beginn des Jahrtausends, doch dadurch werden auch insgesamt deutlich mehr Spiele produziert. Im Jahr 2023 sind allein auf der Plattform Steam über 14 000 neue Titel veröffentlicht worden. Da herauszustechen ist schwer. „Ich kenne viele Leute, die machen super Spiele, aber kommen da nicht raus“, sagt Zausch. Auch seine Kollegen Falcke und Heuberger waren bei einem früheren Projekt in dieser Masse untergegangen. Doch aus ihrem Misserfolg konnte das Team für Dorfromantik viel lernen. „Es ist nicht schlimm, wenn man auch mal auf die Fresse fliegt“, sagt Langenberg, „solange man daraus was lernt und es dann beim nächsten Mal anders macht.“

Was genau sie anders gemacht haben? „Wir haben ein viel kleineres, simpleres Spiel gemacht“, sagt Zausch. Sich nicht zu viel vornehmen, Perfektionismus wohl portionieren, früh Feedback von anderen Leuten holen, das sind Tipps, die Zausch angehenden Entwicklern mit auf den Weg gibt. Und: „Wenn es irgendwie geht, macht keine Nebenjobs. Konzentriert euch nur auf das Projekt.“

Ein Tipp, der selbstverständlich nur dann funktioniert, wenn die Finanzierung für ein Spiel geklärt ist, häufig ist das eine Mischung aus Eigenkapital und staatlicher Unterstützung. Es gibt Fördertöpfe in den Ländern und inzwischen auch vom Bund, doch das Budget wächst bei Weitem nicht so schnell wie die Menge an Anträgen. „Es ist ein großes Risiko, als Indie-Team solch ein Projekt zu beginnen“, gibt Zausch zu. „Die Branche ist hart umkämpft, und viele Teams hangeln sich von Förderung zu Förderung. Einfach ist es nicht.“

„Wir wollen etwas Neues machen“

Doch unterkriegen lässt sich das Team von den widrigen Bedingungen nicht. Das nächste Spiel ist bereits in der Mache, „Star Birds“, eine Kooperation mit dem millionenfach abonnierten Youtube-Kanal „kurzgesagt“, der für seine informativen Videoessays mit niedlichen Animationen bekannt ist. 2025 soll der Titel auf den Markt kommen. „Star Birds enthält Spurenelemente von Dorfromantik“, sagt Zausch. „Wenn man mehrere Jahre alle Ressourcen in das gleiche Projekt steckt, ist die Energie irgendwann aufgebraucht. Wir wollen etwas Neues machen.“ Das neue Spiel soll ein ganz anderes Genre bedienen, im Weltall kann man Asteroiden erkunden, Ressourcen sammeln und Abbaumechanismen dafür automatisieren.

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Die Entwicklung läuft durch die Kooperation anders ab, das Team ist größer geworden. Im Kern wolle man dem eigenen Look und der gemütlichen, einsteigerfreundlichen Atmosphäre aber treu bleiben. „Wir fühlen schon ein bisschen Druck, durch die große Community von kurzgesagt und auch durch den Erfolg von Dorfromantik“, gibt Zausch zu. Aber: „Es überwiegt die Freude.“

Das Team um die vier Gründer ist längst gewachsen, und zieht nun auch aus dem Uni-Büro aus, in dem alles begann. „Wir machen Platz für die nächsten Teams, die diesen Raum brauchen, so wie wir ihn gebraucht haben“, sagt Zausch. Das Maskottchen zieht natürlich mit um und ist eine Erinnerung an das Ziel: herausstechen – so wie der Tukan unter den Spechten.

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