Schon nach wenigen Sekunden dämpfte Apple-Chef Tim Cook die Erwartungen: "Heute geht es völlig um Software", erklärte er zum Auftakt der jährlichen Entwicklerkonferenz WWDC (Worldwide Developer Conference) in San Jose. Im vergangenen Jahr hatte der Konzern neue Varianten von Macbook und iPad präsentiert.
Keine neuen Geräte also, stattdessen wie immer eine Vorschau auf die nächsten Versionen der hauseigenen Betriebssysteme. Diese sollen dieses Mal dem kritischen Zeitgeist Rechnung tragen.
Konkret geht es dabei um die kontroversen Debatten, die gerade rund um die Technologie-Branche toben. Einerseits profitiert Apple davon und versucht sich, als Gegenpol zu Facebook und Google zu präsentieren - der Konzern aus Cupertino betont, sein Geld mit Hardware statt mit Informationen über Nutzervorlieben zu verdienen.
Zugleich kann sich die Firma nicht der Diskussion über die exzessive Smartphone-Nutzung entziehen, die viele Kritiker als Suchtverhalten bezeichnen. Die Investoren Jana Partners LLC und der Pensionsfonds kalifornischer Lehrer kritisierten Apple explizit dafür.
Apple:Apple-Großaktionäre sorgen sich um iPhone-süchtige Kinder
Das Unternehmen solle gegen die wachsende Smartphone-Sucht bei jungen Nutzern vorgehen, fordern zwei Anteilseigner in einem offenen Brief. Doch dabei denken sie nicht nur an deren Gesundheit.
Wie bereits Google bei seinem vor wenigen Wochen vorgestellten Android-Update, präsentiert nun deshalb auch Tim Cooks Firma eine Idee von "digitaler Wellness". Viele Apps "betteln uns an, das Telefon zu benutzen, wenn wir eigentlich etwas anderes tun sollten", erklärte Software-Chef Craig Federighi. Apple stellte folgende Funktionen vor, die für die Konzentration aufs Wesentliche sorgen sollen:
Mehr "Nicht Stören": iOS-Nutzer können nun genauer steuern, wann Apps sie benachrichtigen sollen. Der Ruhemodus lässt sich nun für bestimmte Aufenthaltsorte oder Termine im Kalender aktivieren. Zugleich versucht Apple, in den Mitteilungen mit dem als überlegen geltenden Android gleichzuziehen: Schickt ein Absender mehrere Mitteilungen - zum Beispiel Push-Meldungen von SZ.de - ordnet das System diese nun zusammen an, der Nutzer muss nicht mehr einzelne Nachrichten durchgehen.
Details zur Smartphone-Nutzung: In einer eigenen App können die Handy-Besitzer nun einsehen, wie oft sie ihr Telefon entsperren, wie oft und wie lange sie bestimmte Apps nutzen oder welches Programm die meisten Mitteilungen schickt. Zudem können sie sich Zeitlimits für bestimmte Programme oder Kategorien setzen und werden dann zum Beispiel daran erinnert, wenn nur noch fünf Minuten ihres Instagram-Zeitbudgets übrig sind. Ähnliches hatte vor kurzem Google für Android vorgestellt.
Mehr Kind-Kontrolle: Wie von vielen Seiten gefordert, baut Apple den Familienmodus aus. Eltern können Kindern nun ein Zeitbudget für die Nutzung einzelner Apps geben oder zu einer bestimmten Uhrzeit den Zugriff vollständig blockieren.
Blockade von Like-Buttons und Identifizierung: Apples Webbrowser Safari blockt künftig automatisch Like-Buttons auf Webseiten, um deren Tracking zu unterbinden. Möchte ein Nutzer zum Beispiel dennoch mit seiner Facebook-Identität einen Kommentar hinterlassen, wird er erst gefragt. Zudem kündigte der Konzern an, das "Fingerprinting" künftig zu erschweren, bei dem Werbenetzwerke anhand von Informationen wie Browser-Konfiguration und Plugins Nutzer auf verschiedenen Webseiten eindeutig identifizieren können.
Jenseits von Selbstkontroll- und Privatsphären-Funktionen kündigte Apple folgende Neuerungen für seine Betriebssysteme an:
Befehle für Siri: Nutzer können in der App "Shortcuts" nun selber Befehle für den Apple-Assistenten Siri entwickeln - zum Beispiel das Öffnen einer Playlist bei den Worten "entspanne mich". Siri, das immer noch funktional hinter dem Konkurrenten von Google zurück bleibt, wird stärker in Drittanbieter-Apps integriert und lernt mehr über Kontext wie Aufenthaltsort oder Terminkalender.
Augmented Reality für Gruppen: Die Augmented-Reality-Funktionen für iOS werden ausgebaut. Künftig können mehrere Nutzer von ihren Geräten gleichzeitig gemeinsam in die Realität eingeblendete Objekte sehen, was zum Beispiel die Entwicklung von Spielen vorantreiben soll.
Kopierte Emoji-Funktionen: Nutzer können animierte Emojis (Animojis) personalisieren und sich so selbst einen virtuellen Doppelgänger basteln. Apple nennt die Funktion "Memoji", zuvor boten allerdings bereits die App Bitmoji oder Samsungs ARmoji ähnliche Funktionen an, auch Snapchat hatte damit Erfolg.
Facetime mit Gruppenchat: Bis zu 32 Nutzer sollen künftig an Videokonferenzen via Facetime teilnehmen und damit Apps wie Skype oder WhatsApp überflüssig machen.
iPhone als Meterstab: Künftig können iOS-Geräte durch Augmented Reality Objekte im Raum ausmessen und auf einen Blick die Dimensionen von Rechtecken erkennen. Damit wandert eine Funktion in das Betriebssystem, die bislang Apps wie AirMeasure und Ruler anboten.
MacOS Mojave: Apples Mac-Betriebssystem erhält eine neue Version mit dem Namen Mojave, einer bekannten Wüste im Landstrich Death Valley. Zu den Funktionen gehören ein Nachtmodus, ein neu entworfener App Store mit bislang fehlenden Programmen wie Microsofts Office 365, Sortierfunktionen für unaufgeräumte Desktops und Bildschirmvideos in der Screenshot-Funktion. Das Update erhalten nur Mac-Geräte, die seit Mitte 2012 eingeführt worden, sowie bestimmte Pro-Modelle seit 2010 mit entsprechender Grafikkarte.
Apple Watch als WalkieTalkie: Apples Armbanduhr erhält die Funktion, sich über das Internet kurze Audionachrichten zu schicken.
Viele Apple-Fans bewerteten die Präsentation später als bestenfalls durchschnittlich und ohne große Aha-Momente. Wie bereits seit längerem integriert der Konzern in sein iPhone-Betriebssystem die Funktionen von erfolgreichen Apps.
Die Software-Updates werden wie immer im kommenden Herbst nach der Vorstellung des nächsten iPhones herunterladbar sein.
Interessanter könnte es im kommenden Jahr werden: Apple arbeitet gerade daran, dass Entwickler für ihre Programme keine unterschiedlichen Versionen für Mac und iPhone mehr schreiben müssen, es sich also bei geräteübergreifenden Apps wirklich um ein- und dieselbe Software handelt.
Dies könnte Apple für Entwickler wieder attraktiver machen. Viele Programmierer hatten zuletzt geklagt, mit Apps nicht mehr genügend Geld zu verdienen. Eine Gruppe hat sich sogar zu einer Gewerkschaft zusammengeschlossen, um Apple dazu zu bringen, weniger als die in der Regel veranschlagten 30 Prozent des Verkaufspreises für sich zu behalten.