Kirchlich Beschäftigten darf nicht generell das Streiken verboten werden. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt entschieden und damit den Gewerkschaften Verdi und Marburger Bund recht gegeben. Die bundesweit etwa 1,3 Millionen Beschäftigten in großen christlichen Kirchen sowie in Einrichtungen von Caritas und Diakonie dürfen künftig unter bestimmten Umständen für bessere Arbeitsbedingungen streiken. Die Kirchen dürfen aber auch den sogenannten Dritten Weg wählen und mit den Gewerkschaften verbindliche Verhandlungsergebnisse vereinbaren.
Dass es zu diesem Rechtsstreit kam, liegt an einem Passus, der noch aus der Weimarer Reichsverfassung stammt. Für Mitarbeiter von Kirchen und ihren Organisationen gilt der sogenannte Dritte Weg. Arbeitgeber und Arbeitnehmer handeln intern Tarife aus. Streiks sind nicht möglich, Gewerkschaften bleiben außen vor. Diese Hebel fehlen den Arbeitnehmern also, gleichzeitig setzen auch ihre kirchlichen Arbeitgeber auf Leiharbeit und Outsourcing.
Der Erste Weg ist jener, bei dem Arbeitnehmer gar nicht mitbestimmen können, der Zweite gilt in den meisten großen deutschen Unternehmen: Gewerkschaften und Arbeitnehmerverbände handeln Tarife aus. Vor Beginn der Verhandlung hatte der Präsident der Diakonie Deutschland, Johannes Stockmeier, als ein Vertreter der kirchlichen Arbeitgeber erneut betont, dass sich der Dritte Weg bewährt habe.
Hintergrund des aktuellen Rechtsstreits sind Warnstreiks, die Verdi und der Marburger Bund in den Jahren 2009 und 2010 in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Hamburg organisiert hatten. Vor dem Landesarbeitsgericht Hamm und dem Arbeitsgericht Hamburg wurde Anfang 2011 die Klagen der evangelischen Kirche abgewiesen. Trotz deren Selbstbestimmungsrecht könnten Streiks nicht grundsätzlich unmöglich sein.
Die Kirchen wollen nun womöglich vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ziehen. Die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichtes Ingrid Schmidt hatte schon zu Beginn der Verhandlung gesagt. "Möglicherweise endet die Wegstrecke nicht in Erfurt oder Karlsruhe, sondern in Straßburg" - dort hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte seinen Sitz.