Entschädigung bei verspäteten Flügen:Einmal zahlen reicht

Flugzeug am Himmel

Ein Flugzeug im Landeanflug auf Frankfurt. Ist die Ankunft verspätet, haben Reisende in der EU Anspruch auf finanziellen Ausgleich.

(Foto: Silas Stein/dpa)
  • Bei verspäteten oder annullierten Flügen können Passagiere neben einer pauschalen Ausgleichszahlung nicht auch noch Schadensersatz für tatsächlich entstandene Kosten fordern, entschied der Bundesgerichtshof.
  • Ein Anspruch auf doppelte Entschädigung bestehe nicht, urteilten die Richter. Die Leistungen müssten miteinander verrechnet werden.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Wer glaubte, nach den zahllosen Urteilen sowohl des Bundesgerichtshofs (BGH) als auch des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu den Entschädigungszahlungen bei verspäteten Flügen könne nun wirklich keine Frage mehr offen sein, der hat sich vertan. An diesem Dienstag hat der BGH über eine solche juristische Lücke verhandelt, die sogar eine finanziell ziemlich relevante Angelegenheit betrifft. Dürfen die pauschalen Ausgleichszahlungen von - je nach Entfernung - 250 bis 600 Euro für eine mehr als dreistündige Flugverspätung mit weiteren Schadensersatzansprüchen des verspäteten Passagiers verrechnet werden? Beispielsweise mit den Kosten, die ihm entstanden sind, weil er übernachten musste? Oder ist der Ausgleich die Kompensation für das bloße Ungemach - und der echte Schadensersatz kommt oben drauf? Nun hat der BGH die Sache geklärt: Die Airlines müssen nur einmal zahlen - entweder den pauschalen Ausgleich oder, wenn die Kosten höher sind, den Schaden, der dem Kunden durch die Verspätung entstanden ist (AZ: X ZR 128/18, X ZR 165/18).

Im ersten der beiden Fälle ging es um einen Flug von Frankfurt nach Las Vegas inklusive mehrerer Übernachtungen. Der Flug war wohl überbucht, die Urlauber kamen 30 Stunden später nach einem Umweg über Vancouver ans Ziel. Zusätzlich zu den 600 Euro forderten sie Erstattung für den Mietwagen und das gebuchte Hotel, von denen sie an den ersten beiden Tagen nichts hatten, sowie einer zusätzlichen Übernachtung. Ähnlich im zweiten Fall: Der Flug ging von Frankfurt nach Windhoek mit anschließender Rundreise durch Namibia; wegen der Verspätung musste der Kläger zunächst in Windhoek übernachten statt in der gebuchten Safari Lodge.

Die EU-Fluggastrechte-Verordnung ist hier nicht ganz eindeutig. Danach steht der Ausgleich den Passagieren "unbeschadet eines weiter gehenden Schadensersatzanspruchs" zu. Rechtsanwalt Michael Schultz, der einen der Kläger vertrat, wollte dies als "immaterielle" Entschädigung verstanden wissen, also als Ausgleich für Ärger und vertane Zeit; der eigentliche Schaden müsse dazu addiert werden. Hans-Eike Keller, Anwalt der Fluglinie, hielt dem entgegen, damit würden die Betroffenen doppelt entschädigt: "Der Schaden soll ersetzt werden - aber nur einmal."

Der BGH hatte 2013 einen Anlauf unternommen, um die Sache vom EuGH klären zu lassen, aber der Prozess gelangte nicht ans Ende, vermutlich, weil die Fluglinie einlenkte. Inzwischen hält der BGH das EU-Recht für hinreichend klar, so dass es keiner weiteren Vorlage an den EuGH bedürfe. Denn 2015 hatte die EU eine Pauschalreiserichtlinie erlassen, in der geregelt ist, dass solche Ansprüche gegeneinander aufgerechnet werden.

Direkt ist die Richtlinie zwar nicht auf die BGH-Fälle anwendbar. Aber die Karlsruher Richter interpretieren die Fluggastrechte nun in ebendiesem Sinne. Nach den Worten des Senatsvorsitzenden Peter Meier-Beck entspricht dies dem Sinn und Zweck der Ausgleichszahlungen, die den Kunden einen einfachen Weg zum Ausgleich ihres Schadens bieten sollen. Dass diese Lösung für den einen günstiger sei als für den anderen - dies liege eben in der Natur solcher Pauschalierungen.

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