Entlassungswelle bei Investmentbankern:Regenmacher, die im Regen stehen

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Ihre Spekulationen waren mitverantwortlich für die Finanzkrise - nun sind sie selbst die Leidtragenden. Die Investmentbanken entlassen massenhaft gutbezahlte Mitarbeiter. Die Gekündigten haben kaum eine Chancen auf Rückkehr: Die Banken fahren das Spekulationsgeschäft zurück.

Harald Freiberger und Andrea Rexer, Frankfurt

Das jüngste Gerücht kommt aus New York. Die Investmentbank Morgan Stanley müsse noch mehr sparen als bisher schon geplant, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch. Diesmal soll es die Vermögensverwaltung für private Kunden treffen, in den USA könnten bis zu 100 Filialen geschlossen werden. Wieder werden viele Banker ihren Job verlieren. Dabei kündigte das Institut erst im Juli an, dass weltweit jede siebte von knapp 60.000 Stellen wegfallen soll.

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Morgan Stanley ist nur ein Beispiel von vielen. "Durch alle global tätigen Investmentbanken rollt in diesen Tagen eine neue Entlassungswelle, egal, ob offiziell angekündigt oder nicht", sagt Andreas Halin von der Frankfurter Personalberatung Globalmind.

Der Grund dafür sei, dass nun die Zahlen für das zweite Quartal bekannt sind, die durchweg schlecht ausfielen. Vor allem die europäische Schuldenkrise führte dazu, dass die Gewinne stark zurückgingen. Die Aussichten für das zweite Halbjahr sind nicht viel besser.

Fatale Situation für Investmentbanker

Die Deutsche Bank kündigte vergangene Woche an, dass noch in diesem Jahr 1900 Stellen wegfallen sollen, davon allein 1500 im Investmentbanking. Die Bank of America strich allein in den vergangenen zwölf Monaten schon gut 33.000 Arbeitsplätze. Doch das reicht immer noch nicht. Im Juli teilte die Bank mit, dass die Kosten bis 2015 um weitere drei Milliarden Dollar gesenkt werden sollen.

Das Fatale für die Investmentbanker ist, dass es sich diesmal um keine normale konjunkturelle Delle handelt wie nach dem Platzen der Internet-Blase 2001 oder der Lehman-Pleite 2008. Danach wurden gekappte Jobs schnell wieder aufgebaut.

"Diesmal handelt es sich um einen strukturellen Abbau, die Stellen, die jetzt wegfallen, kommen nicht wieder", sagt Personalberater Halin. Die aufgeblähten Bilanzen der Banken würden zurückgefahren, die Unternehmen senkten ihre Verschuldung auf das Niveau von vor zehn Jahren. Mit der europäischen Schuldenkrise ist eine ganze Anlageklasse zusammengebrochen: die Staatsanleihen. All das belastet die Renditen der Banken. Künftig wird es einfachere Bankstrukturen geben, deutlich weniger Eigenhandel.

Halin berichtet von "einer großen Reservebank von Investmentbankern", die er gerade betreue. Sie unterzubringen, sei schwierig, weil auch bei Finanzinvestoren und Hedge Fonds die Geschäfte nicht gut liefen.

Die Krise trifft auch den Finanzplatz Frankfurt hart. Die Deutsche Bank betont zwar, dass sich der Stellenabbau im Investmentbanking "im Wesentlichen" auf New York und London konzentriere, trotzdem ist an der Großen Gallusstraße die Unsicherheit groß. Näheres will die Firmenspitze erst am 12. September bekannt geben.

Die Zeiten der großen Handelssäle in Frankfurt sind schon länger passé. Die meisten ausländischen Investmentbanken haben bereits vor zehn Jahren ihr Handelsgeschäft in New York oder London gebündelt. Den einzigen großen Handelssaal in Frankfurt hat noch die Commerzbank - und auch hier wurde seit 2009 kräftig gekürzt. Nach der Zusammenlegung mit der Dresdner Bank hatte das Institut ein Heer von 3200 Investmentbankern - aktuell sind es nur mehr 1800. Eine Zahl, die man stabil halten wolle, heißt es aus der Bank.

Einige Institute haben die Teams in Frankfurt schon dezimiert, andere haben zumindest Pläne. "Wir beobachten, wie die Wettbewerber auch, die Marktentwicklung und denken über entsprechenden Handlungsbedarf nach", sagt eine Sprecherin der amerikanischen Citigroup. Sie hat in Deutschland 460 Mitarbeiter.

Die Royal Bank of Scotland verabschiedet sich vom Beratungsgeschäft mit Börsengängen, Fusionen und Übernahmen. In Frankfurt, wo sie 400 Mitarbeiter hat, bewege sich der Personalabbau "im niedrigen zweistelligen Bereich", heißt es. Die Schweizer UBS, bei der am Main 80 Investmentbanker arbeiten, spricht von einem Abbau im einstelligen Bereich. Die Credit Suisse will konzernweit sieben Prozent ihrer Stellen streichen - und damit auch in Deutschland.

Große Versuchung, riskante Geschäfte abzuwickeln

Die Gerüchteküche, dass eine neue Kündigungswelle bei Frankfurts Investmentbanken bevorsteht, läuft heiß. So heißt es in Finanzkreisen, dass einige Auslandstöchter ihre Händlerteams nach London abziehen wollen. "Der Investmentbanken-Standort Frankfurt wird immer weiter geschwächt", sagt ein Brancheninsider. Wenn die letzten Händler forttransferiert werden, sind auch Arbeitsplätze in der Abwicklung in Gefahr, die daran hängen.

Ist das Investmentbanking schon allein dadurch sicherer, dass es kleiner wird? Dagegen spricht, dass niedrigere Gewinne die Versuchung größer werden lassen, über besonders riskante Geschäfte einen Ausgleich zu erwirtschaften. Skandale wie bei JP Morgan oder der UBS sind dafür Beispiele.

"Man muss genau unterscheiden, welche Arbeitsplätze wegfallen", sagt Dirk Schiereck, Bankenprofessor an der TU Darmstadt. Das Beratungsgeschäft hat auf das Gesamtrisiko der Bank wenig Einfluss. Fallen hier Jobs weg, trägt es nicht dazu bei, dass das Investmentbanking insgesamt sicherer wird. "Werden hingegen Händler abgebaut, so kann das ein Zeichen sein, dass das Handelsvolumen der Bank gesunken ist - und damit steht vermutlich auch weniger Risiko in den Büchern", sagt Schiereck. Das ist für ihn auch der ausschlaggebende Punkt: "Das Investmentbanking ist heute sicherer als noch vor ein paar Jahren, weil weltweit viel weniger Eigenhandel betrieben wird."

© SZ vom 09.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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