Enkeltricks:Mit künstlicher Intelligenz gegen Schockanrufer

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Mit Schockanrufen versuchen Betrüger, vor allem ältere Menschen um ihr Geld zu bringen. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa-tmn)

Ein Anruf, eine dramatische Geschichte, und dann kann viel Geld weg sein. Gegen diese raffinierte Betrugsmasche soll nun eine KI namens Daisy helfen.

Von Helmut Martin-Jung

Solche Anrufe will niemand bekommen. Die Enkelin in Schwierigkeiten, gerade erst den Führerschein gemacht und jetzt ein schwerer Unfall, das Kind braucht Geld, viel Geld. Das sagt die Anruferin recht überzeugend. Schwierigkeiten mit der Polizei, Krankenhauskosten. Klar, dass man da als Großeltern etwas hergibt vom Ersparten. Bis man merkt, dass alles nur ein Schwindel war, perfide geplant und raffiniert durchgezogen, ist es schon zu spät. Das Geld der gutgläubigen Großeltern ist weg, der Enkeltrick hat wieder einmal funktioniert.

Da wär’s doch gut gewesen, die Gauner wären bei Daisy gelandet. Daisy will alles ganz genau wissen, sie versteht auch nicht alles so ganz genau und fragt dann lieber noch einmal nach. Daisy klingt am Telefon wie eines der potenziellen Opfer der Enkelbetrüger. Wie eine ältere Dame, die man leicht um den Finger wickeln kann. Was die Betrüger allerdings nicht wissen: Daisy ist kein Mensch. Dahinter steckt eine künstliche Intelligenz, die nur eine Aufgabe hat: Die Betrüger in ewig lange Gespräche zu verwickeln, damit die in dieser Zeit keine echten Menschen um ihre Ersparnisse bringen können.

Entwickelt hat sie der britische Telekommunikationskonzern O₂. Damit die Betrüger bei Daisy landen, sollen Betroffene deren Nummern an O₂ melden. So sollen möglichst viele der Betrüger zu Daisy weitergeleitet werden und nicht bei älteren Menschen anrufen können, die im ersten Schock oft genug tun, was die Betrüger von ihnen wollen.

Verhindern kann KI die Anrufe nicht

Leider spricht Daisy derzeit allerdings nur Englisch, hierzulande wird das also eher wenig helfen. Und sie kann, wenn der umgedrehte Hinhalte-Enkeltrick wirklich funktionieren sollte, die Angriffe auch nicht verhindern, sondern allenfalls ihre Zahl verringern. Zudem werden die Betrüger wohl bald das Spiel durchschauen, etwa mit einigen gezielten Nachfragen.

Das sollten sich auch Betroffene zunutze machen. Auch wenn es im ersten Schock nicht einfach sein kann, lieber genau nachfragen und dabei – wichtig – keine persönlichen Daten oder Namen erwähnen. Das nutzen die Betrüger sofort aus, um ihren Betrugsversuch glaubhafter erscheinen zu lassen. Und natürlich auch keine Kontodaten oder Passwörter übers Telefon preisgeben.

Auch wenn die Daisy-KI von O₂ eher eine PR-Aktion sein mag, sie lenkt auf jeden Fall die Aufmerksamkeit auf eine Betrugsmasche, die mit Schock und Angstmache versucht, Menschen um ihr Geld zu bringen. Am besten hilft dabei ein gesundes Misstrauen, etwa bei unbekannten Anrufern oder solchen, die Bankdaten fordern oder Zugang zum Computer erhalten wollen. Das machen weder Banken noch Onlinehändler oder Behörden.

Auch wenn die Anrufer besonders drängeln, kann das ein Hinweis auf einen Betrugsversuch sein – je mehr Zeit die Opfer zum Nachdenken haben, umso eher kommen sie womöglich darauf, dass alles nur vorgetäuscht sein könnte. Überweisungen, die auf ausländische Konten oder in Kryptowährungen geleistet werden sollen, sind verdächtig. Wer Zweifel hat: warum nicht erst einmal bei der richtigen Polizei anrufen?

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