Arzneimittel:Medikamente-Hersteller kritisieren Gesetz gegen Lieferengpässe

Arzneimittel: Ein Gesetzesentwurf sieht unter anderem vor, dass die Preisregeln für Kinderarzneimittel gelockert werden.

Ein Gesetzesentwurf sieht unter anderem vor, dass die Preisregeln für Kinderarzneimittel gelockert werden.

(Foto: Waltraud Grubitzsch/picture alliance/dpa/dpa-Zentral)

In dieser Woche debattiert der Bundestag über das Gesetz zur Beseitigung von Lieferengpässen. Die Hersteller von Generika haben wenig Hoffnung, dass sich die Lage bald entspannt.

Von Elisabeth Dostert

Das Gesetz zur Eindämmung der Lieferengpässe bei bestimmten generischen Arzneimitteln wird die Versorgung kurzfristig nicht entspannen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Verbandes Pro Generika. Er vertritt die Hersteller von Generika, sie ahmen Arzneimittel nach, deren Patente abgelaufen sind. In den vergangenen Monaten war es immer wieder zu Lieferengpässen gekommen, in manchen Fällen erklärte das Bundesgesundheitsministerium in Berlin sogar einen Versorgungsmangel, dieser erlaubt besondere Maßnahmen, um die Lage zu entschärfen. So dürfen die Behörden zum Beispiel den Import von Arzneimitteln gestatten, die in Deutschland nicht zugelassen sind.

An der absoluten Zahl der Wirkstoffe gemessen sind Versorgungsmängel sehr selten. Sie haben aber oft gravierende Folgen für Millionen von Patienten. Im Februar 2022 etwa vermeldete das Ministerium einen Versorgungsmangel bei Medikamenten mit dem Wirkstoff Tamoxifen, sie werden in der Therapie von Brustkrebs eingesetzt. Was alle, die einen kranken Säugling oder ein krankes Kind zu versorgen haben, schon seit Monaten spüren, mündete vor rund einem Monat in einer weiteren Bekanntmachung. Da hat das Ministerium einen Versorgungsmangel bei antibiotikahaltigen Säften für Kinder festgestellt. Schon seit Herbst 2022 waren beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (Bfarm) vermehrt Meldungen über Lieferengpässe eingegangen.

Den Grund für die schlechte Versorgung haben die Hersteller längst ausgemacht. Der Generikamarkt sei komplett staatlich reguliert, sagt Andreas Burkhardt, Vorstandsvorsitzender von Pro Generika und Deutschland-Chef des Generikaherstellers Teva in einem SZ-Interview. Es gebe Festbeträge, Rabattverträge, das Preismoratorium, die 4-G-Regel. "Es wurde alles getan, um die Preise zu senken", so der Manager. Dass etwas falsch gelaufen ist, weiß auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach: "Auch in der Arzneimittelversorgung haben wir es mit der Ökonomisierung übertrieben."

Eine stabilere Versorgung kostet Geld

Linderung soll das Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln, kurz ALBVVG, schaffen. Der Entwurf liegt seit April vor. An diesem Mittwoch soll darüber zum ersten Mal im Deutschen Bundestag debattiert werden. Der Entwurf sieht unter anderem vor, dass die Preisregeln für Kinderarzneimittel gelockert werden und die Krankenkassen bei der Ausschreibung von Verträgen Antibiotika mit einer Wirkstoffproduktion im Europäischen Wirtschaftsraum berücksichtigen müssen.

Thomas Weigold, er sitzt im Vorstand von Pro Generika und ist Geschäftsführer von Sandoz Deutschland, sieht im ALBVVG durchaus gute Ansätze. Der Entwurf geht ihm aber nicht weit genug, weil er nur wenige Wirkstoffe erfasse. "Es kann keine schnelle und große Wirkung entwickeln", sagte Weigold am Dienstag in einer virtuellen Pressekonferenz. Ein Wirkstoff wie Tamoxifen zum Beispiel und andere Krebsmittel würden nicht erfasst. Und selbst wenn Festbeträge wegfallen, seien Preiserhöhung oft infolge bestehender Rabattverträge mit den Krankenkassen nicht möglich. Das ALBVVG verhindere vielleicht, dass bestehende Produktion von im Gesetz erfassten Wirkstoffen abwandere, es bewege "mit Sicherheit" aber keinen Hersteller dazu, die Produktion aus China oder Indien zurückzuholen. Aktuelle Probleme, wie etwa die stark gestiegenen Herstellungskosten, würden gar nicht adressiert.

Die Beratungsfirma Mundicare hat im Auftrag von Pro Generika berechnet, was es kosten würde, die Versorgung resilienter zu machen. Das Ergebnis der Studie, die am Dienstag vorgestellt wurde, lässt sich in etwa so zusammenfassen: Eine stabilere Versorgung kostet Geld. Die Firmen müssten investieren - mal mehr, mal weniger.

Die Berater haben Alternativen berechnet. Die Kosten etwa für die Aufnahme weiterer Zulieferer, zum Beispiel für Wirkstoffe, werden in der Studie auf 150 000 bis 200 000 Euro veranschlagt. Die Herstellungskosten würden dadurch um 13 bis 19 Prozent steigen, sagt Andreas Meiser, Partner von Mundicare. Am teuersten - zwischen 150 und 250 Millionen Euro - käme der Aufbau oder Kauf einer eigenen Produktion für Wirkstoffe in Europa. Die Herstellungskosten würden um elf bis 15 Prozent steigen. So eine Maßnahme sei eher langfristig umsetzbar, binnen drei bis fünf Jahren.

Penicillin-Anbieter klagt über steigende Kosten und sinkende Preise

Schon vor Monaten hat der deutsche Hersteller Infectopharm seinen Ärger in einem offenen Brief geäußert. Adressiert ist die E-Mail vom 29. November 2022 an Karl Lauterbach und einige andere Akteure des Gesundheitswesen. Das Familienunternehmen aus Heppenheim ist auf Arzneimittel für Kinder spezialisiert. Es bietet auch Antibiotikasäfte mit verschiedenen Wirkstoffen an, darunter Amoxicillin und Penicillin. In den vergangenen Wochen hat es dem Bfarm mehrfach Lieferengpässe gemeldet.

Seit Mitte der 90er-Jahre seien immer mehr seiner Antibiotika-Säfte "festbetragsgeregelt", kritisiert Infectopham in der E-Mail. Während es mit den eigenen Verkaufspreisen "nur abwärts" ging, seien die Kosten gestiegen. Seinen Amoxicillin-Saft Infectomox 250 in der Flasche für 100 Milliliter verkaufe Infectopharm seit 2010 unverändert zum Nettopreis von 1,65 Euro. "Dieser Preis lässt sich wirtschaftlich nicht mehr darstellen." In der E-Mail kündigt die Firma auch Preiserhöhungen über den Festbetrag hinaus an.

Auf seiner Internetseite schildert Infectopharm seine Sicht der Dinge. Im Winter 2022/23 sei der Bedarf etwa an Penicillin-Säften deutlich gestiegen wegen der "außergewöhnlich hohen Zahl an Infektionen mit Atemwegsproblemen". Von Oktober 2022 bis März 2023 habe Infectopharm 750 000 Packungen Penicillin-Säfte ausgeliefert, "weit mehr als sonst in einem ganzen Jahr". Immer mehr Anbieter von Antibiotika hätten sich aus dem Markt zurückgezogen. "Im Jahr 2003 gab es noch elf Anbieter für Penicillin-Säfte, inzwischen nur noch zwei", heißt es auf der Internetseite. Einer davon sei man selbst. Um die Situation langfristig zu entspannen und den Markt für andere Pharmaunternehmen attraktiv zu machen, brauche es im ALBVVG "mehr als nur kosmetische Eingriffe". Wichtig ist die "beherzte Therapie eines komplett kranken Systems".

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