Energiewende:Europa braucht starke Hersteller

Energiewende: Windpark in der Ostsee vor der Küste Rügens: Das Geschäft hat Zukunft, aber wer wird daran verdienen?

Windpark in der Ostsee vor der Küste Rügens: Das Geschäft hat Zukunft, aber wer wird daran verdienen?

(Foto: Bernd Wüstneck/dpa)

Deutschland und Europa müssen ihre grünen Industrien dringend stärken, sonst drohen bei der Infrastruktur neue gefährliche Abhängigkeiten.

Kommentar von Caspar Busse

Jetzt soll also alles ganz schnell gehen. Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine und der daraus resultierenden schweren Energiekrise wollen und müssen Deutschland und viele andere Volkswirtschaften in Europa und in anderen Teilen der Welt möglichst schnell die Energiewende schaffen. Erneuerbare Energien werden ausgebaut, grüner Strom soll möglichst bald die Industrieländer am Laufen halten und die Abhängigkeit von Gas, Kohle und Öl spürbar und am Ende ganz reduzieren. Dazu müssen aber neue Windräder und Solaranlagen gebaut werden, es müssen Energietrassen erstellt, umweltfreundliche Heizungen installiert und es muss in intelligente Stromnetze investiert werden. Milliardensummen stehen dafür bereit. Über das Ob gibt es keine Diskussionen mehr, sondern nur noch über das Wie.

Goldene Zeiten für die Industrie also, weil sich diese vor Aufträgen kaum retten kann? Nicht unbedingt. Einige bekannte europäische Hersteller von Windkraftanlagen etwa haben momentan sehr zu kämpfen. Das ist durchaus besorgniserregend. Denn Deutschland und Europa können es sich nicht leisten, bei diesen Schlüsselindustrien und Schlüsseltechnologien abgehängt zu werden. Denn nichts wäre gefährlicher als neue Abhängigkeiten. Wenn die Energiewende in Europa zu einem schnellen Erfolg werden soll, braucht die EU Souveränität und muss ihre Industrie stärken.

Solarmodule kommen bereits überwiegend aus China

In einem anderen wichtigen Bereich etwa ist die Lage bereits prekär: Solarmodule kommen inzwischen bereits überwiegend aus China, die europäischen Hersteller, die viel Hoffnung in das Geschäft gesetzt hatten, sind fast ganz verschwunden. Auch Batterien für Elektrofahrzeuge werden größtenteils in Asien gefertigt, Europa versucht gerade mit viel Mühe dranzubleiben. Das gilt ebenfalls für Halbleiter. Lange Zeit wurde die Chipbranche in Europa vernachlässigt, die Produktion wanderte nach Asien und in die USA ab (auch die Hersteller für erneuerbare Energien brauchen Halbleiter). Der Weltmarktanteil europäischer Chip-Produktionen sank auf nur noch etwa zehn Prozent. Jetzt will die Europäische Union diesen wieder auf 20 Prozent verdoppeln, was allerdings enorme Anstrengungen kosten wird.

Jetzt könnte der Windkraftindustrie ein ähnliches Schicksal drohen. Der norddeutsche Herstellers Nordex, einer der wenigen verbliebenen hierzulande, hat gerade massive Probleme. Die Rotorblatt-Fertigung in Rostock mit rund 500 Beschäftigten muss geschlossen werden, für dieses Jahr gibt es voraussichtlich einen Verlust, die Aktie geht deutlich nach unten. Auch Siemens Energy, die inzwischen weitgehend unabhängige Energiesparte des Münchner Siemens-Konzerns, ist in Turbulenzen. Die spanische Tochter Gamesa fällt vor allem durch hohe Verluste auf, durch immer wieder verfehlte Prognosen und massive operative Probleme. Dabei sollte sie eigentlich einer der Hoffnungsträger für Siemens Energy sein.

Natürlich gibt es hier auch hausgemachte Probleme, viel zu lange ließen die Münchner Gamesa viel zu große Freiheiten, griffen bei Problemen nicht entschieden durch. Reputation und Aktie gingen gleichermaßen nach unten. Jetzt muss Siemens-Energy-Chef Christian Bruch rund vier Milliarden Euro aufwenden, um alle ausstehenden Anteile von Gamesa aufzukaufen, die Firma von der Börse zu nehmen und in den Konzern einzugliedern. Das kostet viel Geld und viel Zeit - beides hat Siemens Energy eigentlich nicht.

Aber der Konzern hat das Zeug, zu einem starken Spieler in der neuen Energiebranche zu werden - und solche brauchen Deutschland und Europa. Denn klar ist auch: Der Kostendruck in der Windkraftbranche ist groß, die weltweite Konkurrenz enorm. Alle wollen am großen Boom mitverdienen. Gerade für Europa ist es wichtig, bei erneuerbaren Energiequellen eine weltweit bedeutende Rolle zu spielen. Nichts weniger sollte das Ziel sein.

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