Energiewende:Strompreise steigen um 30 Euro je Haushalt

Arbeiten an 110-KV-Freileitung

Der Ausbau der Stromautobahnen kommt nur langsam voran. Für die Netzbetreiber steigen die Kosten - und damit auch für die Kunden.

(Foto: dpa)
  • Die Netzentgelte sollen deutlich teurer werden. Der Übertragungsnetzbetreiber Tennet will sie um satte 80 Prozent erhöhen.
  • Dies bedeutet einen deutlichen Preisanstieg für die Kunden. Ein Drei-Personen-Haushalt muss sich auf Mehrkosten von etwa 30 Euro im Jahr einstellen.

Von Jan Schmidbauer

Der Übertragungsnetzbetreiber Tennet will seine Netzentgelte deutlich erhöhen - ein Schritt, der sich auch in der Stromrechnung vieler Verbraucher niederschlagen wird. "Unsere Netzentgelte werden zum Jahreswechsel um 80 Prozent steigen", sagte Tennet-Chef Urban Keussen dem Handelsblatt. Für einen Drei-Personen-Haushalt bedeute dies Mehrkosten von 30 Euro im Jahr. Tennet ist einer der vier sogenannten Übertragungsnetzbetreiber, die auch für den Betrieb der großen Stromtrassen zuständig sind. Millionen Kunden beziehen ihren Strom in diesem Netzgebiet.

Das Unternehmen begründet die drastische Preiserhöhung mit Problemen durch den nicht vorankommenden Netzausbau. Die Netze sollen eigentlich zügig ausgebaut werden, um die Energie aus Erneuerbaren beispielsweise schneller von Nord nach Süd zu bringen. Doch der Ausbau stockt. Neben dem politischen Streit um den Ausbau der Netze, sorgen auch langwierige Genehmigungsverfahren und Bürgerproteste für Verzögerungen beim Bau der neuen Leitungen.

Laut Tennet sorgt der unzureichende Ausbau der Netze für immense Kosten. 95 Prozent der Preiserhöhung lägen an "netzstabilisierenden Notmaßnahmen". Wenn bei Sonnenschein und starkem Wind Solarzellen und Windräder, aber auch herkömmliche Kraftwerke mit hoher Leistung laufen, muss der Netzbetreiber eingreifen.

Die erneuerbaren Energien, die in diesem Zeitraum die Netze an ihre Kapazitätsgrenze bringen, können dann zwar abgeschaltet werden. Die Betreiber erhalten aber dennoch eine garantierte Vergütung. Auch die Kraftwerksbetreiber müssen ihre Anlagen dadurch teils schnell hoch- und runterfahren. Das steigert die Kosten. Der Netzausbau sei dagegen nur für einen Bruchteil der Preiserhöhung verantwortlich, laut Tennet sind dies etwa fünf Prozent. Kurz gesagt: Die Verzögerungen beim Ausbau sind inzwischen teurer, als der Bau der Leitungen selbst.

"Wir sind extrem davon betroffen", sagt eine Tennet-Sprecherin der SZ. Der Grund: Das Netzgebiet von Tennet läuft von Nord nach Süd durch die gesamte Republik. In dem Gebiet stehen besonders viele Windräder, vor allem im Norden Deutschlands. Das Unternehmen muss diesen produzierten Strom aber auch weit in den Süden transportieren, wo es Engpässe gibt. Und weil der Ausbau des Netzes nicht mit dem Ausbau der Erneuerbaren Schritt hälten, muss das Unternehmen immer häufiger eingreifen. Im Jahr 2011 musste Tennet noch einmal am Tag korrigieren, sagte eine Sprecherin. "Heute greifen wir oft viermal am Tag ins Netz ein."

Das Wirtschaftsministerium hatte bereits vor einigen Monaten in einem internen Papier vor einem schnellen Anstieg der Netzkosten gewarnt. Die Kosten "betrugen im Jahr 2015 bereits rund 1,1 Milliarden Euro und könnten in den kommenden Jahren stark ansteigen", hieß es in dem Papier. Die Bundesnetzagentur warnt sogar davor, dass die Kosten auf vier Milliarden Euro pro Jahr ansteigen könnten.

Manche Passagen sollen erst im Jahr 2025 fertig werden

Auch in der Industrie dürfte die Ankündigung von Tennet nicht gerade auf Begeisterung stoßen. Denn viele energieintensive Unternehmen beteiligen sich ebenfalls mit großen Summen an den Netzentgelten. Damit dürfte sich auch der politische Druck erhöhen, beim Netzausbau zügiger voranzukommen und damit zu verhindern, dass die Übertragungsnetzbetreiber regelmäßig durch die sogenannten "Notmaßnahmen" einen Ausgleich zwischen Erneuerbaren und herkömmlichen Kraftwerken schaffen müssen.

Die Fertigstellung der geplanten neuen Trassen, die das Netz entlasten sollen, ist eigentlich für 2022 geplant. Dann werden auch die letzten Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet. Diese stehen vor allem im Süden. Die neuen Leitungen sollen dann Windenergie aus dem Norden nach Süddeutschland bringen und die fehlende Leistung ausgleichen. Doch bereits im Juni wurde bekannt, dass der anvisierte Zeitraum wohl nicht eingehalten werden könne. In einem Bericht der Bundesnetzagentur ist schon jetzt von deutlichen Verzögerungen die Rede. Manche Passagen der neuen Stromautobahnen würden erst im Jahr 2025 fertig.

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