Die bayerische Landesregierung unter CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer verstrickt sich bei ihrer Energiepolitik in deutliche Widersprüche: Während sie heute die unpopulären Netzausbaupläne der Bundesregierung kritisiert, drang sie noch im Oktober auf einen viel stärkeren Ausbau der Stromtrassen. Das geht aus einer Stellungnahme des bayerischen Wirtschaftsministeriums zu den Ausbauplänen der Bundesnetzagentur hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt.
Demnach befürchtete das Ministerium noch im Oktober, die Pläne für den Netzausbau könnten eher noch zu zurückhaltend sein. "Die mit dem vorliegenden Entwurf erfolgende Unterdimensionierung" könne den Wirtschaftsstandort Deutschland gefährden, heißt es darin. "Insbesondere erwarten wir eine erhebliche Steigerung des Übertragungsbedarfs zwischen Mitteldeutschland und Bayern." Das Wirtschaftsministerium bestätigte die Existenz des Papiers. Die Meinung des Ressorts zum Netzausbau habe sich auch nicht geändert, "Verschiebungen beim Ausbaubedarf im Detail ergeben sich möglicherweise" durch die neuen Reformen der großen Koalition, sagte eine Sprecherin.
Die Stellungnahme steht damit in starkem Kontrast zu Seehofers Kritik am Netzausbau. Der CSU-Chef äußert seit Wochen massive Zweifel an den Plänen des Bundes. Diese müssten noch einmal überprüft werden, insbesondere mit Blick auf einen möglicherweise gedrosselten Ausbau der erneuerbaren Energien. Die neuen Leitungen sollen dafür sorgen, dass Bayern verlässlich weiter mit Strom versorgt werden kann, wenn bis 2022 die letzten Atomkraftwerke abgeschaltet werden. Vor allem Windstrom aus Norddeutschland soll dann Richtung Süden fließen, aber auch Braunkohlekraftwerke würden Strom einspeisen.
Auch unterirdische Kabel lehnt das Wirtschaftsministerium ab
Am Montag erneuerte Seehofer seine Kritik. Neue Trassen für Kohlestrom seien mit Bayern nicht zu machen. Seehofer: "Keine Kohle heißt keine Kohle." In vielen Gemeinden stoßen die neuen "Monstermasten" zunehmend auf Protest - was die Leitungen auch zum Thema für den Kommunalwahlkampf macht.
Doch während Seehofer mit dem möglicherweise langsameren Ausbautempo argumentiert, verweist sein Wirtschaftsministerium in der Stellungnahme zum jüngsten Netzentwicklungsplan auf den hohen Importbedarf Bayerns. Selbst wenn es gelänge, bis 2021 die Hälfte der Stromnachfrage aus "heimischen erneuerbaren Energiequellen" zu decken, müsse der Freistaat im Schnitt 30 Prozent seiner Elektrizität aus dem übrigen Bundesgebiet beziehen. Es sei fraglich, ob das von der Netzagentur bestätigte "Zielnetz" dafür ausreiche.
Auch unterirdischen Kabeln, wie sie zuletzt vermehrt in der CSU gefordert worden waren, steht das Wirtschaftsministerium skeptisch gegenüber. So habe eine Untersuchung anhand der "Suedlink"-Trasse von der Nordsee nach Unterfranken ergeben, dass die Umweltfolgen bei Erdkabeln größer seien als bei herkömmlichen Freileitungen. "Wir bitten die Bundesnetzagentur, diese Erkenntnis bei künftigen Festlegungen besonders zu berücksichtigen", heißt es.