Energiewende:Chemieverbandschef verrechnet sich

Energiewende: Markus Steilemann, Chef des Chemieverbandes VCI

Markus Steilemann, Chef des Chemieverbandes VCI

(Foto: Rainer Unkel/imago images/Collage: SZ)

Fünf Eiffeltürme täglich, acht Jahre lang? Markus Steilemann, der neue Chef des Chemieverbands VCI macht eine Rechnung zum Ausbau der Windkraft auf. Dummerweise ist die falsch.

Von Michael Bauchmüller

Den großen Auftritt hat Markus Steilemann gehabt, immerhin das. Ganz frisch war Steilemann, Chef des Leverkusener Kunststoffspezialisten Covestro, vorige Woche zum neuen Präsidenten des Branchenverbands VCI gewählt, da schaltete er auf Angriff. Bei der Mitgliederversammlung des Verbands beschwor er die Herausforderungen der Energiewende, die Bild-Zeitung machte daraus am Mittwoch eine Abrechnung mit der deutschen Energiepolitik. Sechs Spalten auf der zweiten Seite, nebst Foto des Chemikers Steilemann. Schon einen Tag später wird er wünschen, seine Berechnungen hätte niemand weiter mitbekommen.

Denn auf dem Podium hatte Steilemann zum Dreisatz gegen die Windkraft gegriffen. Jeden Tag brauche es in den kommenden acht Jahren zehn neue Windräder, jedes davon brauche 4000 Tonnen Stahl. "Das ist ein halber Eiffelturm", rechnete er vor. Das Ergebnis der Berechnung landete prompt in der Überschrift: "Wir bräuchten fünf Eiffeltürme jeden Tag", titelte Bild. "Das möchte ich mal sehen, wie wir das auf den Weg kriegen", sagte Steilmann noch, Deutschland drohe der Absturz zum "Industriemuseum". Fünf Eiffeltürme täglich, das wäre ja auch wirklich ein ziemlicher Brocken.

Der Eiffelturm wiege auch nicht 8000 Tonnen

Wenn es denn stimmte. Tags drauf meldet sich die deutsche Windindustrie bei Twitter zu Wort, sie hat Korrekturen. Nicht 4000 Tonnen Stahl brauche ein großes Windrad, sondern rund 550. Nicht zehn Windräder müssten täglich errichtet werden, sondern nach Zahlen der Deutschen Energie-Agentur nur sechs. Der Eiffelturm wiege auch nicht 8000 Tonnen, sondern mehr als 10 000, von denen 7300 Tonnen Stahl seien. An der Berechnung, so attestiert der eine Verband dem anderen, stimme "schlichtweg nichts". Nicht fünf, sondern weniger als ein halber Eiffelturm müssten täglich errichtet werden. Und Stahl dafür gebe es genug im Land.

Steilemann, 52, war erst vorige Woche zum Präsidenten des VCI gewählt worden, bisher war er nicht als Gegner der Energiewende aufgefallen. "Der Ausbau erneuerbarer Energien ist ein Ausweg", sagte er erst kürzlich bei einem Klimakongress des Industrieverbands BDI. Auch dort präsentierte er seine Eiffelturm-Berechnungen, sogar im Beisein des Bundeswirtschaftsministers. Doch damals rechnete niemand nach.

Noch am Mittwoch versuchte der Covestro-Chef via Twitter, "aufmerksame Fakten-Fans" zu beruhigen. Die hätten natürlich gemerkt, dass 4000 Tonnen "für mehr als eine Windkraftanlage reichen". Was aber ja nichts an den enormen Anstrengungen ändere, die in der Energiewende steckten.

Oder doch? Am Donnerstag legt Steilemann noch einmal nach, diesmal mit einer Entschuldigung. Die 4000 Tonnen seien falsch gewesen, schreibt er nun. "Diesen Fehler bedauere ich sehr, weil ich damit meinen eigenen Anspruch an die Faktentreue nicht erfüllt habe." Womit die Sache dann auch erledigt wäre.

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