Schon die Begrüßung des Spitzenredners war frostig. Die Politik sollte endlich beginnen, die Energiewende aktiv zu gestalten, wetterte Hildegard Müller, die Chefin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) vor 1000 Energiemanagern in einem Berliner Luxushotel. Es gebe einen Stau politischer Entscheidungen, kritisierte Müller zum Auftakt des Jahrestreffens ihres Lobbyverbands.
Die Antwort der Bundesregierung ließ nicht lange auf sich warten. Denn Spitzengast Sigmar Gabriel (SPD) sparte sich die sonst üblichen Höflichkeitsfloskeln zu Beginn seiner Rede - und ging ohne Umschweife auf die versammelte Energiewirtschaft los. Gabriel warf der Energiebranche vor, sich im vergangenen halben Jahr jedem Dialog zur Klimaabgabe für Kraftwerke verweigert zu haben. "Die Ansage Ihres Verbandes war, wir möchten mit Ihnen darüber nicht reden." Gabriel nannte das Verhalten des BDEW suboptimal und drohte: "Wir werden uns jetzt ein bisschen in die Wolle kriegen."
Gabriel dementiert Gerüchte um endgültiges Aus der Sonderabgabe
Die endgültige Entscheidung über die Einführung einer umstrittenen Sonderabgabe für Kohlekraftwerke kündigte der Minister für den 1. Juli an. Dann kommt nach den jetzigen Planungen der Koalitionsausschuss mit Kanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer zusammen. "Wir können jetzt eine Entscheidung treffen und ich bin mir sicher, dass wir das am 1. Juli tun werden", sagte Gabriel.
Berichte über ein endgültiges Aus für die Abgabe dementierte Gabriel. Er habe aber mit dem Vorsitzenden der Gewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, und dem nordrhein-westfälischen Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) jedoch auch einen Alternativvorschlag zum Erreichen des Klimaziels erarbeitet, räumte Gabriel ein.
Unternehmen, Beschäftigte, Betriebsräte und Gewerkschaften hätten "mit nachvollziehbaren Argumenten" darauf hingewiesen, dass es zu Arbeitsplatzverlusten und einem Strukturbruch in den Braunkohleregionen kommen könne. Die von Gabriel präsentierte Alternative beruht auf dem Vorschlag der IG BCE, lieber schrittweise einzelne Kraftwerke stillzulegen, als alle mit einer Klimaabgabe zu belasten. Die Entscheidung für eine der beiden Lösungen solle nun der Koalitionsausschuss treffen.
Warnung vorm Einknicken
Umweltpolitiker warnten die Bundesregierung am Mittwoch davor, vor der Kohlelobby einzuknicken. Das wäre der "klimapolitische Offenbarungseid dieser gGroßen Koalition", sagte Oliver Krischer, stellvertretender Fraktionschef der Grünen, und die klimapolitische Sprecherin der Partei, Annalena Baerbock. Damit seien das Klimaschutzaktionsprogramm und das deutsche Klimaziel für 2020 nur noch Makulatur.
Die Bundesregierung will bis zum Jahr 2020 zusätzlich 22 Millionen Tonnen CO₂ einsparen, um das selbstgesteckte Ziel einer Reduzierung um 40 Prozent einzuhalten. Gegen die dazu geplante Sonderabgabe, die ältere Kraftwerke unwirtschaftlich machen soll, hatte es heftigen Widerstand gegeben. Die Gewerkschaften aus den Kohleregionen wie dem Mitteldeutschen Revier und der Lausitz erklärten, Zehntausende Jobs seien dadurch gefährdet.
Erst mal in Fahrt, kam auch die Klimapolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel bei Gabriels Auftritt nicht gut weg. Gabriel machte klar, was er von den Gipfelbeschlüssen der G-7-Staaten in Elmau hält: "Ich wünsche mir auch mal, dass ich mich mit sechs Kumpels treffen kann und eine Zahl für das Jahr 2100 festlege und mich dann für diese Zahl abfeiern zu lassen ... vor allem wenn man das dreimal hintereinander macht und das jedes Mal als Erfolg gilt."
Im Streit um neue Stromtrassen durch Deutschland will Gabriel mit einem Kompromissvorschlag den Widerstand von Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) bei zwei wichtigen geplanten Stromautobahnen von Nord nach Süd brechen. Der Ost-Link soll auf einer bestehenden Trasse nach Bayern geführt werden, davon die letzten Kilometer als Erdverkabelung. Bei der Hauptschlagader der Energiewende, dem 800 Kilometer langen SuedLink, ist Gabriel ebenfalls zu Änderungen bereit. Das sei ein weitgehendes Angebot an die bayerische Staatsregierung, die damit den Widerstand der Bürger eliminieren könne.