Energiewende:Es geht um viel

RWE Braunkohlekraftwerk Neurath

Rauch und Dampf steigen aus dem RWE-Braunkohlekraftwerk Neurath auf.

(Foto: Oliver Berg/dpa)

Die Stadtwerke kritisieren den Kohleausstieg: Kommunale Kraftwerke drohen Milliarden an Wert zu verlieren.

Von Michael Bauchmüller und Benedikt Müller, Berlin/Düsseldorf

Am Donnerstagnachmittag rollen sie im Wirtschaftsministerium ein, Chefinnen und Chefs der größten deutschen Stadtwerke, Kraftwerksleiter, Verbandsobere. Der Termin ist wichtig, denn es geht um viel Kohle. Genauer: um Steinkohle. Und aus Sicht der Stadtwerke geht es auch um hehre Fragen wie Vertrauensschutz, Verfassungsrecht, Versorgungssicherheit. Gegenüber der Braunkohle werde die Steinkohle schlicht benachteiligt, murren sie.

Stein des Anstoßes ist ein Gesetzentwurf, den das Kabinett gebilligt hat und der nun im Bundestag liegt. Eigentlich soll das Gesetz die Beschlüsse der Kohlekommission umsetzen, wonach alle hiesigen Kohlekraftwerke schrittweise bis spätestens 2038 vom Netz gehen sollen. Doch während der Bund für das Ende der Braunkohlemeiler und zugehörigen Tagebaue vertragliche Lösungen suchen will, soll die Stilllegung bei Steinkohlekraftwerken über Prämien laufen - und auch das nur für die ersten Jahre. Deren Betreiber können bei Ausschreibungen darauf bieten, für welche Entschädigung sie ihre Anlagen stilllegen würden. Die günstigsten Gebote gewinnen. Weil die Höchstpreise, die der Bund zu zahlen bereit ist, mit den Jahren sinken, herrscht ein gewisser Druck auf dem Kessel. Für Stilllegungen nach 2026 soll es keine Kompensation mehr geben.

Wie sehr das die Steinkohle-Betreiber umtreibt, hatten sie schon vor dem Treffen kundgetan, noch am Donnerstag richtete der Stromverband BDEW ein Schreiben an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), den Gastgeber vom Nachmittag. Der Kohleausstieg sei im Prinzip "realistisch und möglich", heißt es in dem Schreiben, das auch zwölf Stadtwerke-Vorstände unterschrieben haben. Aber der derzeitige Plan sei für die Betreiber mit erheblichen Risiken verbunden. "In den 2010er Jahren sind auf expliziten Wunsch der Politik hochmoderne Kraftwerke gebaut worden", schreibt der Stromverband. Rund 12 Milliarden Euro seien investiert worden, davon 1,4 Milliarden Euro in das Kohlekraftwerk Lünen, an dem 28 Stadtwerke beteiligt sind. "Allein diesen Stadtwerken droht durch den frühen Ausstieg eine Wertberichtigung von rund 800 Millionen Euro."

Bereits zuvor hatten mehrere nordrhein-westfälische Großstädte einen mahnenden Brief an die Fraktionschefs von Union und SPD im Bundestag geschickt. Mit den Plänen der Bundesregierung würden "Vermögenswerte im Umfang von über zehn Milliarden Euro vollständig entwertet", kritisieren die Unterzeichner, zu denen die Oberbürgermeister von Dortmund, Essen, Bochum und Aachen zählen. Diese Städte sind große Miteigentümer von Steinkohlefirmen wie Steag oder Trianel.

Kommunale Versorger hätten in Kraftwerke investiert, die flexibel Strom erzeugten und die Versorgung sicherten. "Das Vertrauen auf diese Rahmenbedingungen wird mit dem vorliegenden Gesetzentwurf politisch zunichtegemacht", schimpfen die Stadtoberen. Und da Stadtwerke "eine besondere Verantwortung für die kommunalen Haushalte" trügen, erschwere das geplante Ausstiegsgesetz Investitionen in die Energie- oder Verkehrswende vor Ort. Angesichts der drohenden Entwertung getätigter Investitionen "sehen wir den öffentlichen Auftrag der Daseinsvorsorge in Gefahr", heißt es in dem Schreiben.

Das Treffen bei Altmaier war für zwei Stunden angesetzt. Allerdings ist fraglich, ob der Minister für die Stadtwerke viel tun kann: Das letzte Wort hat schließlich nun der Bundestag. Die erste Debatte dazu steht kommende Woche Donnerstag an.

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