Energieversorgung:Geopolitik trifft Atommüll

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Das Kernkraftwerk Brunsbüttel ist stillgelegt, verfügt aber über ein Zwischenlager für Castoren mit abgebrannten Brennstäben. (Foto: Carsten Rehder/dpa)

Damit Donald Trump Ruhe gibt, sollen auch in Deutschland Terminals für Flüssiggas entstehen. In Brunsbüttel allerdings in einem Risiko-Gebiet.

Von Michael Bauchmüller, Brunsbüttel

Nein, gegen Flüssiggas hat Martin Schmedtje nichts, ganz im Gegenteil. Am liebsten wäre ihm, Tanker führen mit Flüssiggas statt mit Öl. All die Tanker, die seine Gemeinde über den Nord-Ostsee-Kanal passieren. "Gegen das, was die in die Luft pusten, ist die A 7 ein dünner Strich", sagt Schmedtje. Und vielleicht kommt ja das Flüssiggas demnächst mit großen Tankschiffen direkt in seine Gemeinde. Schmedtje, 52, ist seit vorigem Jahr Bürgermeister von Brunsbüttel. Die Gemeinde bei Hamburg, sagt er, lebt "gut von und mit der Industrie". Für die 13 000 Einwohner gebe es überdurchschnittlich viele Industrie-Jobs. Womöglich kommen bald noch welche dazu. Aber nur: womöglich.

Denn Brunsbüttel soll Standort für ein Flüssiggas-Terminal werden. Mit dem Schiff soll das liquefied natural gas, kurz: LNG, hier anlanden, etwa aus den USA - als Alternative zum Pipelinegas aus Russland. Ein Konsortium dafür gibt es schon, es heißt "German LNG Terminal" und besteht aus der niederländischen Gasunie, der Hamburger Oiltanking und der Terminalfirma Vopak. Nach bisheriger Planung will German LNG noch diesen Monat den Genehmigungsantrag für das Terminal einreichen. Im Hintergrund sammelt das Konsortium schon Abnehmer für das Gas ein, das es in Brunsbüttel entladen will. Mindestens im Bundeswirtschaftsministerium wird das heiß erwartet. Minister Peter Altmaier (CDU) plant mit zwei deutschen LNG-Terminals, oder mehr.

Neben Brunsbüttel kämen auch Wilhelmshaven und Stade als Standorte in Frage, aber nirgends sind die Pläne soweit wie in Brunsbüttel. Erst kürzlich verabschiedete der Bund eine "Verordnung zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Aufbau der LNG-Infrastruktur".

Deutschland steht unter Druck, den Weg für Flüssiggas aus den USA frei zu machen - auch wegen der umstrittenen zweiten Ostsee-Röhre Nord Stream 2. Die wird aus Washington mit aller Macht bekämpft, namentlich vom amerikanischen Präsidenten. "Wir schützen Deutschland vor Russland", sagte Trump dieser Tage in Polen. "Und Russland bekommt Milliarden über Milliarden aus Deutschland." Diese Milliarden sollen lieber über Brunsbüttel fließen, und das für Fracking-Gas from U.S.A.

Obendrein steht das Flüssiggas im Zentrum des Deals zwischen Trump und der EU: Neben Soja-Importen sollten auch vermehrte LNG-Einfuhren helfen, amerikanische Autozölle abzuwenden. Das alles macht Brunsbüttel zu einem ganz großen Ding. Die Sache hat freilich einen Haken, und der liegt in Brunsbüttel selbst.

Denn die Anlage soll nicht irgendwo auf freiem Feld entstehen, sondern mitten im größten Industriegebiet Schleswig-Holsteins, dem 2000 Hektar großen " ChemCoast Park". Zu den Nachbarn zählen: ein abgeschaltetes Atomkraftwerk, ein Zwischenlager für Atommüll, ein Zwischenlager für nuklearen Bauschutt, eine Sondermüll-Verbrennungsanlage, eine Raffinerie, ein Werk des Chemiekonzerns Covestro. Auch eine der großen Stromautobahnen soll gleich in der Nähe losgehen, die Bauarbeiten laufen schon; und wenn das Terminal steht, braucht es natürlich auch noch eine n großen Gasanschluss. "Es ist herausfordernd, das hinzukriegen", sagt Bürgermeister Schmedtje. Vor allem die Abstände seien ein Problem.

Wohl wahr. Vor allem das Zwischenlager mit seinen 20 Castoren könnte zum ernsten Problem werden. Nicht weit entfernt würde künftig Erdgas aus dem verflüssigten in gasförmigen Zustand gebracht und dann ins Gasnetz eingespeist. Ginge etwas schief, könnte etwa eine Explosion auch das Zwischenlager in Mitleidenschaft ziehen. Experten kennen für diesen Störfall die Abkürzung EDW: "Explosionsdruckwellen". Die müssten ausgeschlossen sein.

Die Jamaika-Koalition in Kiel hat dennoch großes Interesse am Brunsbütteler Terminal, es steht sogar im Koalitionsvertrag. Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) ist großer Fan davon, auch vom grünen Umweltminister Jan Philipp Albrecht kommt kein Widerstand. Ob das Terminal genehmigt werden kann oder nicht, lasse sich erst "zum Abschluss des Verfahrens" beurteilen, sagt er. "Dies wird frühestens Anfang 2020 möglich sein."

Einzig die Grünen im Kreis sind gegen das Terminal, anders als die im Land

Doch Juristen sehen wenig Spielraum. Denn bei dem Terminal handelt es sich um einen so genannten Störfallbetrieb - die Betreiber müssen verschärfte Sicherheitsvorkehrungen einhalten. Das Störfallrecht aber erlaube nicht die Ansiedlung eines Terminals neben Zwischenlager und Sondermüll-Anlage, heißt es in einem Gutachten der Berliner Juristin Cornelia Ziehm für die Deutsche Umwelthilfe (DUH). "Schon aufgrund der atomaren Anlagen ist ein Störfallbetrieb ausgeschlossen", sagt sie. Das Projekt, das die Landesregierung so unbedingt will, das mithelfen soll, dass Trump endlich Ruhe gibt - es findet womöglich sein Ende im Umweltrecht.

Der Betreiber selbst dagegen baut auf Vorkehrungen. "Das Störfallrecht ist der rote Faden im Genehmigungsverfahren", heißt es bei German LNG. Die Anlage müsse eben so ausgelegt sein, "dass Störfälle verhindert und begrenzt und auch mögliche Auswirkungen begrenzt werden."

Das betrifft vor allem Auswirkungen auf das Zwischenlager. Damit kommt das Atomrecht ins Spiel und mithin ein anderes Ministerium: das Bundesumweltministerium, die oberste Atomaufsicht im Land. "Eingehend" müssten die zuständigen Landesbehörden prüfen, ob das Terminal den Bedingungen der Störfallverordnung entspreche, heißt es dort schon jetzt. "Wir erwarten, dass die Landesbehörden sich dabei auch intensiv mit dem Gutachten der DUH auseinandersetzen." Gelassenheit klingt anders.

Die Sache wäre kompliziert genug, hätten nicht Richter dem Atom-Zwischenlager 2013 die Genehmigung entzogen - der Terrorschutz sei nicht genug untersucht worden. Betreiber Vattenfall bemüht sich seither um eine neue Genehmigung. Die aber wird nicht leichter, wenn nebenan das Terminal entsteht. Den geopolitisch so aufgeladenen LNG-Import umrankt absehbar ein dichtes Genehmigungsgewirr.

In Brunsbüttel scheren die Probleme niemanden groß. Einzig die Grünen im Kreis sind gegen das Terminal, anders als die im Land. Zu Anhörungen seien nur 120 Leute gekommen, sagt Bürgermeister Schmedtje. "Sicher gibt es hier auch kritische Stimmen, aber die schweigende Masse stimmt dem Projekt zu." Er hofft sehr auf das Terminal: "Wenn es bei uns nicht realisiert wird, entsteht es woanders."

© SZ vom 15.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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