Energieversorgung:Atomlobby: Auf zum letzten Gefecht

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Das Gespenst der Öko-Diktatur: Vor der Regierungsentscheidung über den Atomausstieg kämpft die Energiebranche um ihr schmelzendes Kerngeschäft - mit markigen Worten. Es könnte ihr letztes Aufbäumen sein.

Markus Balser

Der Tag der Entscheidung rückt näher. Schon am Sonntag könnte im Kanzleramt das Ende der Atomkraft in Deutschland besiegelt werden. Atom-Manager bekommen das Ergebnis diesmal - anders als sonst - erst nach Beschluss zu sehen. "Das ist eine genuin politische Entscheidung", stellt Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) schon mal klar. Für die Atomkonzerne ein weiterer Affront. Sie erhöhen vor dem Wochenende noch einmal den Druck auf die Bundesregierung.

Ein Luftbild vom Kernkraftwerk Emsland (KKE). (Foto: dpa)

Mit einer Wutrede griff RWE-Chef Jürgen Großmann in Berlin die CDU und damit auch Kanzlerin und Parteichefin Angela Merkel frontal an. Die CDU gehe wirtschaftlich blauäugig an die Energiewende heran. Deutschland drohe eine "Öko-Diktatur". Großmann warnte die schwarz-gelbe Regierung bei einer großen Veranstaltung des CDU-Wirtschaftsrats vor einem festen Ausstiegsdatum.

Der Konzernchef, der mindestens bis 2025 Atomstrom haben will, polterte, die Energiewende müsse "wenigstens der Prüfung mittels der Grundrechenarten standhalten". Es sollte besser nichts schief gehen, warnte Großmann. Schon ein kurzer "Blackout", rechnete er vor, koste mindestens eine Milliarde Euro.

Manager aller vier Konzerne lassen bereits durchblicken, dass die Atomwende für die Regierung teuer werden könnte. Die Unternehmen prüfen, ob eine Abkehr von vereinbarten Restlaufzeiten in ihr Eigentum eingreift. Nimmt die Regierung die Laufzeitverlängerung zurück, heißt es bei den Betreibern Eon, RWE, EnBW und Vattenfall, müssten sie die Rechte der eigenen Aktionäre prüfen und geltend machen. Notfalls auch vor Gericht.

Es ist das vielleicht letzte Aufbäumen jener Lobby, die einst als mächtigste der Republik galt. Und noch einmal zeigt der Kampf Wirkung. Die Pläne der Bundesregierung sehen nach Gesprächen zwischen Politik und Wirtschaft hinter verschlossenen Türen bereits wieder Entgegenkommen vor. Teile der Koalition und Ministerien machen sich dafür stark, die Konzerne mit der Streichung der Brennelementesteuer zu besänftigen.

Es wäre eine Milliardenentlastung für die vier deutschen AKW-Betreiber Eon, RWE, EnBW und Vattenfall. Denn eigentlich müssen sie ab sofort 2,3 Milliarden Euro an Atomsteuer pro Jahr zahlen, unabhängig von der Restlaufzeit ihrer Kraftwerke. Das Aus der Sonderabgabe käme einer Finanzspritze gleich. Denn die jungen Meiler der vier Betreiber werden noch Jahre weiterlaufen und dabei hohe Gewinne abwerfen.

Werden Altmeiler wie geplant sofort dauerhaft stillgelegt, müssten sie zwar als Ersatz teureren Strom zukaufen. Die Gewinne der übrigen Kraftwerke fielen dagegen deutlich höher aus. Gleichzeitig wäre es ein herber Schlag für Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Auf fast 14 Milliarden Euro würde sich die Lücke im Bundeshaushalt bis 2016 summieren.

Damit wird der Atomausstieg zur Gratwanderung für Kanzlerin Merkel. Einerseits ist sie beim Ausbau erneuerbarer Energien auf Investitionen der Energiekonzerne angewiesen und darf die Konzerne nicht vollends vergraulen. Andererseits muss sie den Eindruck vermeiden, sich mit den Atombossen auf einen neuen Kuhhandel einzulassen. Vor allem ein Steuererlass könnte zum Bumerang werden.

Die Opposition witterte bereits eine neue Kungelei mit der Atomwirtschaft und betonte, nur mit einer Fortführung der milliardenschweren Steuer sei ein Konsens beim Atomausstieg machbar. Die Grünen stellten am Donnerstag weitere Bedingungen für einen Kompromiss: Es müsse ein festes Enddatum ohne Öffnungsklausel, einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien und eine Klärung der Atommüll-Endlagerung geben, sagte Fraktionschef Jürgen Trittin.

Ob der überparteiliche Atomkonsens überhaupt gelingt, daran mehren sich die Zweifel. Auch die Bundesregierung trifft Vorkehrungen für ein Scheitern. Am Donnerstag wurde bekannt, dass sie ihr Gesetzespaket zur Energiewende weitgehend ohne Vetorechte des Bundesrats durchsetzen will. Die meisten Gesetze und Eckpunkte-Regelungen würden von der Regierung voraussichtlich nicht zustimmungspflichtig formuliert, verlautete in Regierungskreisen. So könnte der Bundesrat, in dem die schwarz-gelbe Regierungskoalition keine Mehrheit hat, die Pläne am Ende nicht stoppen.

Allerdings droht damit auch neuer juristischer Ärger. Denn schon bei der Verlängerung der Atomlaufzeiten im vergangenen Herbst hatte die Regierung den Bundesrat umgangen. Deshalb sind beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Klagen der Opposition anhängig.

Ausgerechnet in der heißen Phase der Atomdebatte geht nun auch noch die Ökostrombranche auf Konfrontationskurs zur Bundesregierung. Sie lehnt eine Mitarbeit bei der Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) ab. Damit geht ein traditioneller Verbündeter von Umweltminister Röttgen auf Distanz. Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) verzichte darauf, dem Ministerium eine Stellungnahme zu dem zentralen Gesetz für die Branche zu übermitteln, schreibt der Verband in einem Brief an Röttgen, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Grund sei, dass das Ministerium seit Jahren wichtige Argumente zur Weiterentwicklung des EEG nicht aufgegriffen habe.

© SZ vom 27.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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