Wenn ein Hausgerätehersteller wissen will, wie viel Strom sein Kühlschrank verbraucht, dann orientiert er sich am durchschnittlichen Junggesellen: Viel ist nicht drinnen, genaugenommen gar nichts. Im Testlabor wird dann gewartet, bis der leere Kühlschrank die vorgegebene Temperatur von fünf Grad Celsius erreicht hat. Erst dann beginnt die Verbrauchsmessung. Das Ergebnis: mustergültige Miniwerte. Dass die im Alltag illusorisch sind, wenn Essen gekühlt werden muss und die Türe immer wieder auf- und zugeht - geschenkt. Der Test folgt der Normvorgabe.
Die Labortests der Hersteller sind wichtig. Denn ohne Informationen zur Energieeffizienz, zu Leistung und Stromverbrauch, darf ein Elektrogerät nicht in Europa verkauft werden. Festgelegt ist das in verschiedenen EU-Richtlinien: Eine schreibt das sogenannte Energielabel vor, das die Effizienz je nach Produkt auf einer Buchstabenskala von "A+++" bis maximal G vermerkt. Eine andere gibt Regeln für das sogenannte Ökodesign vor, unter anderem, wie viel Strom ein Produkt verbrauchen darf und wie langlebig bestimmte Teile sein müssen.
Es geht den Herstellern nicht darum, den Verbraucher gut zu informieren
Ob all das dann daheim auch so stimmt, kann der Kunde im Laden nicht beurteilen. Die für die Kennzeichnung nötigen Daten werden von den Unternehmen selbst erhoben, auf Basis von Normen. Das Problem: "Beeinflusst werden die Testnormen maßgeblich von der Industrie", sagt Holger Brackemann, bei der Stiftung Warentest Chef der Produkttester. "Das Interesse ist hier aber eben nicht, den Verbraucher möglichst gut zu informieren, sondern möglichst gut auszusehen." Viele Testverfahren seien daher realitätsfern. "Fernseher verbrauchen dann im Alltag gern das Doppelte, Waschmaschinen manchmal sogar dreimal so viel Energie, wie auf dem Label steht."
Hinzu kommt, dass für die zugrunde liegende Messung der Werte hohe Fehlertoleranzen gelten, im Schnitt von bis zu zehn Prozent, wie der europäische Umweltschutz-Dachverband EEB beklagt. Diese könnten durch ein Schlupfloch in der EU-Regelung voll auf die Messwerte aufgeschlagen werden. Der Energieverbrauch könnte damit bei gleicher Leistung um bis zu ein Zehntel höher liegen, als auf der Packung angegeben. Das gilt für Lampen, wo diese Regelauslegung weit verbreitet ist, aber etwa auch für Waschmaschinen, Geschirrspüler oder Fernseher. Zwar gebe es bisher keine Beweise dafür, dass die Lücke auch hier ausgenutzt wird, gestehen die Umweltschützer ein, sie sei aber "eine Einladung".
Aus A+++ wird A: EU will Energielabel überarbeiten
Die Hausgerätebranche widerspricht solchen Verdächtigungen: Schon 2012 habe man sich gegen die Verwendung von Messfehlern bei der Deklaration positioniert, sagt Werner Scholz vom deutschen Branchenverband ZVEI. "Toleranzen werden nicht genutzt." Der Wettbewerb sei dadurch nicht schwieriger geworden, obwohl andere Firmen die Messfehler theoretisch zu ihren Gunsten nutzen könnten. Trotzdem habe sich der Verband dafür eingesetzt, rasch eine neue Richtlinie zu verabschieden, sagt Scholz. "Um einheitliche Spielregeln zu schaffen".
Die sollen nach Ankündigung der EU-Kommission auch kommen: 2016 zunächst für Lampen, außerdem solle bald ein großes Paket auch für andere Produktkategorien folgen. Und auch das Energielabel soll überarbeitet werden. Aus A wird dann D, aus "A+++" das neue A.
Die eigenen Testergebnisse seien oft besser als angegeben, sagen deutsche Hersteller
Ob die Regeln auch eingehalten werden, müssen die EU-Staaten überprüfen. Der Bundesregierung sind zwar bisher keine systematischen Verstöße gegen die Vorgaben bekannt, wie aus der Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Grünen hervorgeht. Trotzdem soll die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung von Januar an kontrollieren, ob die Hersteller unter einigermaßen realistischen und vor allem vergleichbaren Bedingungen testen. Bislang werden ihre Angaben nur stichprobenartig von den Marktüberwachungsbehörden der Bundesländer kontrolliert. Ob zudem auch Messtoleranzen künftig enger gefasst werden müssten, werde noch geprüft, sagt ein Ministeriumssprecher.
Hausgerätehersteller freuen sich über mehr Marktaufsicht. Die eigenen Testergebnisse seien oft besser als angegeben und zusätzlich durch unabhängige Untersuchungen untermauert, heißt es von Miele. Fertigungstoleranzen nutze man nicht. Eine Sprecherin von Europas Marktführer BSH verweist darauf, dass Prüftoleranzen nur für Messungen der Aufsicht gedacht seien: "Sie stellen keinen Deklarationsspielraum für den Hersteller dar."