Energiepolitik:Gutes Fracking, böses Fracking

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Die Deutschen lehnen das Fracking ab - dabei wird der Boden hierzulande schon seit Jahrzehnten gefrackt. Warum dieser energiepolitische Unsinn enden muss, zeigt ein Blick in die USA.

Ein Kommentar von Michael Bauchmüller

Wenn selbst die Bierbrauer aufbegehren, dann wird es ernst in diesem Land. Mit Händen und Füßen wehrt sich der Brauer-Bund seit geraumer Zeit gegen das sogenannte Fracking, die Förderung von Schiefergas mit Chemie und Druck. Die Wasserwerke schlagen ebenfalls Alarm, und wenn Wasser und Bier bedroht sind, versteht auch der Bürger keinen Spaß mehr: Fracking ist ungefähr so beliebt wie die Atomenergie, das transatlantische Handelsabkommen TTIP oder genmanipuliertes Gemüse.

Was aber kaum einer weiß: Hiesige Gesetze heißen das so gewonnene Gas nach wie vor willkommen. Denn maßgeblich für das Fracking ist bislang das Bergrecht, und das unterscheidet nicht danach, wie der Rohstoff gewonnen wird. Erdgas gilt hier als ein Schatz, ein "Bodenschatz"; und der geht im Bundesberggesetz über alles. Die Folge ist skurril: Zwar ist Fracking grundsätzlich erlaubt, aber die Behörden bearbeiten die Anträge einfach nicht mehr. Wie weit diese Strategie vor Gericht bestehen kann, das hat bisher zum Glück noch kein Unternehmen ausgetestet. Die Firmen halten still, sie ahnen: Mit Fracking ist hierzulande nichts zu gewinnen.

"Gefrackt" wird in Deutschland schon seit Jahrzehnten

Ein seltsames rechtliches Vakuum ist so entstanden, und offenbar macht sich die Bundesregierung nun endlich auf, es zu füllen. Allein darin liegt schon ein Wert, ebenso aber in dem Kompromiss, den die zuständigen Ministerien für Umwelt und Wirtschaft formulierten: Denn er unterscheidet zwischen dem riskanten und dem weniger riskanten Fracking.

Danach bliebe die Variante mit viel Chemie verboten, bis eine andere Regierung sie wieder erlaubt, das aber frühestens 2021. Kaum zu erwarten, dass Bierbrauer, Wasserwerker oder Bürger die Dinge bis dahin anders sehen. Diese Art Fracking ist erst mal passé.

Nicht aber die andere, konventionelle. Denn "gefrackt" wird in diesem Land schon seit Jahrzehnten, mit viel weniger Chemie zwar, aber ebenfalls mit hydraulischem Druck. Und das nicht mal nur auf der Suche nach Erdgas, sondern auch zur Gewinnung von Trinkwasser oder grüner Erdwärme. Lange störte das keinen, dann aber geriet das konventionelle Fracking in den Strudel des unkonventionellen. Weswegen hierzulande mittlerweile selbst dort kein Fracking mehr genehmigt wird, wo es eigentlich weit weniger bedenklich wäre.

Fracking suggeriert einen Überfluss an Energie - den gibt es nicht

Hier sauber zu unterscheiden - also das unkonventionelle, riskante Fracking zu verbieten, das konventionelle aber künftig strengeren Auflagen zu unterwerfen, ist deshalb nur folgerichtig. Zum Beispiel einer Umweltverträglichkeitsprüfung - der Begriff war lange ein Fremdwort im deutschen Bergrecht. Insofern hat der Vorschlag der Minister Gabriel und Hendricks beste Chancen, die deutsche Fracking-Debatte zu versachlichen. Zeit dafür wäre es.

Die Frage nach Sinn und Zweck des Frackings freilich ist damit noch nicht geklärt, sie stellt sich auch längst nicht nur in Deutschland. Denn energiewirtschaftlich führt die Ausbeutung immer neuer Gasvorkommen, ob konventionell oder unkonventionell, völlig in die Irre; sie suggeriert einen Überfluss an Energie, den es in Wahrheit nicht gibt.

Nirgends lassen sich die Folgen eines solchen gefühlten Überflusses besser studieren als in den USA. Seit dort mit unkonventionellen Methoden Schiefergas gefördert wird, gehen die Energiepreise in den Keller. So lässt sich ein verschwenderischer way of life preiswert fortsetzen. Wenn die klimaschädlichen Emissionen in den USA trotzdem sinken, dann nur, weil Gas etwas sauberer ist als Kohle oder Öl.

In die Zukunft weist Fracking ganz sicher nicht, ob mit viel Chemie oder wenig. In die Zukunft würden Strategien weisen, die Wohlstand dauerhaft mit weniger Energie sichern, also auch mit weniger Gas. Dazu allerdings ist auch aus dieser Bundesregierung bisher nicht allzu viel zu hören.

© SZ vom 05.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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