Süddeutsche Zeitung

Energiepolitik:Eine Steuer für 24 Stunden

Die Stromkonzerne sollten eine zusätzliche Abgabe zahlen. Als sie rebellierten, intervenierte offenbar die Kanzlerin aus dem fernen Südtirol. Und schon ist die Steuer wieder weg.

Michael Bauchmüller

Wenn es um Energiepreise geht, versteht die deutsche Industrie keinen Spaß. Wegen keines anderen Vorhabens musste die Koalition in den vergangenen Wochen so viel Prügel von Unternehmen und Verbänden beziehen wie bei den Plänen zur Ökosteuer. Insgesamt 2,5 Milliarden Euro wollte der Bund in den kommenden zwei Jahren sparen, indem er Vergünstigungen für energieintensive Unternehmen streicht. Doch der Protest zeigte Wirkung: Denn über eine neue Kraftwerkssteuer sollten die Kürzungen geringer ausfallen - auf Kosten allerdings der Stromkonzerne.

Jedenfalls war das rund 24 Stunden so. Schon am Dienstag hatte eine Runde der beteiligten Ressorts, unter anderem die Ministerien für Wirtschaft, Finanzen und Umwelt, die Steuer ausgeheckt. Sie sollte eine Ausnahme schließen, von der bislang Gas- und Kohlekraftwerke profitieren. Denn auf den Rohstoff für diese Anlagen, den sogenannten Input, fallen keine Steuern an, wenn er in Kraftwerken verbrannt wird. Nun solle eine "geringfügige Steuer" darauf erhoben werden, um die Belastungen für die energieintensive Industrie in Grenzen zu halten, hieß es noch am Mittwochnachmittag in Regierungskreisen. Zwar gebe es noch keine Einigung in Detailfragen, grundsätzlich seien sich die Ressorts aber einig. Einen entsprechenden Gesetzentwurf werde es nun rasch geben.

Es sollte anders kommen. Schon am Mittwochabend ruderte das Bundesfinanzministerium zurück. "Nach dem aktuellen Diskussionsstand zum Entwurf des Gesetzes zur Reduzierung von Subventionen aus der ökologischen Steuerreform ist eine Besteuerung von Kohle, die für die Stromerzeugung verwendet wird, nicht vorgesehen", schrieb das Ministerium in einer Erklärung. Da war die Steuer auch schon wieder weg. Das Regierungsgeschehen ist eben recht kurzatmig in diesen Tagen.

Zuvor hatten die Stromkonzerne rebelliert. Der Plan zeige, "wie dringend ein geschlossenes Energiekonzept fehlt", hieß es bei RWE. Angesichts seiner vielen Kohlekraftwerke wäre der Essener Konzern von solchen Plänen besonders betroffen gewesen. "Wenn die Steuer käme, wäre das ein Zeichen, dass Energiepolitik zunehmend rein fiskalisch getrieben ist", hieß es in Essen.

Tatsächlich hätte die Steuer auch nur ein Loch gestopft, das dem Fiskus an anderer Stelle entstanden ist. Denn durch die Wirtschaftskrise verkaufen sich Kohlendioxid-Emissionsrechte derzeit schlecht. Das sind jene Rechte, die alle Kraftwerke vorhalten müssen. Wollen sie mehr Strom erzeugen, brauchen sie mehr dieser Zertifikate. Weil die Kraftwerke aber zuletzt weniger Strom produzierten, sind auch die Klimaschutz-Zertifikate weniger knapp, ihr Preis liegt derzeit bei rund 14 Euro. Dem Bund entgehen folglich Einnahmen aus der Auktion, denn einen Teil dieser Zertifikate versteigert er.

Wie aber genau die Wende kam, blieb am Mittwoch offen. In Regierungskreisen hieß es, womöglich habe die Kanzlerin selbst die Notbremse gezogen, aus dem fernen Südtirol. Einen überarbeiteten Gesetzentwurf wird es nun zwar geben, allerdings ohne die neue Steuer - und mithin samt den neuen Belastungen für energieintensive Betriebe. Denn die Kraftwerkssteuer hätte bis zu 1,5 Milliarden Euro bringen können. Vor allem Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) hatte dafür gekämpft, die Steuervorteile der energieverbrauchenden Industrie weniger stark zu beschneiden.

Der Kampf um die Energiebesteuerung ist damit freilich noch lange nicht ausgefochten. Nach den Stromkonzernen müssen nun aber eben wieder die anderen kämpfen.

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SZ vom 12.08.2010/segi
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