Wenn eine Regierung die Bürgerinnen und Bürger des Landes dazu bewegen will, ihr Verhalten grundlegend zu ändern, dann hat sie dazu zwei Möglichkeiten. Entweder sie sorgt mit kräftigen finanziellen Vergünstigungen dafür, dass die Menschen Appetit auf das gewünschte Produkt oder Verfahren bekommen, auf ein Elektroauto etwa. Oder aber sie verteuert die bisherigen, lieb gewonnenen Verhaltensweisen so lange, bis sich Wirtschaft und Verbraucher von ihnen abwenden.
Ökonomen raten meist zu letzterer Variante, denn sie ist für den öffentlichen Haushalt deutlich billiger und effizienter als ein groß angelegtes Subventionsprogramm. Politisch allerdings ist die Sache ausgesprochen heikel. Wer die Wählerinnen und Wähler zu sehr triezt, ohne das eigene Vorgehen vernünftig zu erklären, erzeugt nicht nur schlechte Stimmung, sondern kann dafür auch abgestraft werden und Populisten in die Hände spielen.
Dieser Gefahr sieht sich gerade die Bundesregierung ausgesetzt, wie eine Studie des Düsseldorfer Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) zeigt. Demnach spricht sich die Mehrheit der Deutschen gegen die geltende Abgabe auf den Ausstoß von Kohlendioxid aus – und damit gegen das zentrale Instrument, mit der viele Regierungen der Welt die Schadstoffemissionen in ihren Ländern senken und den Klimawandel in einigermaßen erträglichen Grenzen halten wollen. Die Abgabe, umgangssprachlich CO₂-Steuer genannt, macht Benzin, Diesel, Heizöl, Erdgas und Kohle sowie das Produzieren von Abfall immer teurer. Ziel ist es, dass die Bürger auf Alternativen umsteigen, selbst wenn diese Alternativen bis auf Weiteres nicht so billig sind, wie es die bisher gängigen Brennstoffe waren.
Nur sieben Prozent stimmen dem Konzept aus Überzeugung zu
Dem IMK zufolge halten 53 Prozent der Bundesbürger dieses Konzept für „sehr“ oder zumindest für „eher inakzeptabel“. Nur sieben Prozent stimmen dem Mechanismus vollen Herzens, weitere 19 Prozent zumindest aus Vernunftgründen zu. 21 Prozent der Befragten haben keine Meinung. Auffallend: Die Akzeptanz geht mit sinkendem Einkommen zurück. Wer finanzielle Sorgen hat, lehnt den CO₂-Preis also häufiger ab als Menschen ohne entsprechende Befürchtungen. Auch ist die Zustimmungsrate in Großstädten wie Hamburg und Berlin deutlich höher als in vielen Flächenländern, vor allem den ostdeutschen.
Weitgehend einig sind sich die Menschen hingegen, dass sie sich schlecht oder gar nicht über dieses Instrument informiert fühlen. Drei von vier Bürgern äußerten sich in der repräsentativen Umfrage entsprechend. Gestützt wird diese Aussage dadurch, dass viele Bürger ihre Belastung durch die CO₂-Steuer völlig falsch einschätzen: Die derzeitige Belastung wird erheblich über-, die absehbare Kostenentwicklung in den kommenden Jahren dramatisch unterschätzt.
Seit Jahresbeginn liegt der Preis für eine emittierte Tonne Kohlendioxid bei 45 Euro, zuvor waren es 30. Kommendes Jahr steigt er auf 55, im Jahr darauf auf 55 bis 65 Euro. Von 2027 an soll sich der Preis frei am Markt bilden: Wer etwa Strom, Industriegüter oder Dienstleistungen anbietet und dabei CO₂ ausstößt, muss dann im freien Handel sogenannte Emissionszertifikate kaufen. Experten schätzen, dass der Preis pro Tonne rasch auf 200 Euro und mehr in die Höhe schießen wird, also auf etwa das Fünffache des heutigen Werts.
Ob, wann und in welcher Höhe das Klimageld kommt, ist noch völlig offen
Der Umfrage zufolge schätzen die Bürger, dass ihnen durch den derzeitigen Preis von 45 Euro Kosten von 396 Euro im Jahr entstehen. Tatsächlich sind es nach Berechnungen der IMK-Experten für einen typischen Haushalt aber im Durchschnitt nur 192 Euro. Für die Jahre von 2027 an halten die Fachleute dagegen durchschnittliche jährliche Kosten von 853 Euro für realistisch. Die Menschen rechnen hingegen nur mit 564 Euro – auch das birgt also politischen Sprengstoff. Zwar will der Staat die Milliardeneinnahmen zum Großteil wieder an die Bürgerinnen und Bürger ausschütten, etwa über ein für alle Menschen einheitliches sogenanntes Klimageld. Bürger mit einem geringen CO₂-Fußabdruck würden damit unter dem Strich belohnt, andere – Vielflieger etwa – mehr belastet. Wann das Klimageld kommt, wie hoch es ausfallen wird und ob es tatsächlich alle sozialen Härten wird abfedern können, ist aber völlig offen.
„Die Umfrageergebnisse unterstreichen erneut, dass die Dekarbonisierung allein über eine CO₂-Bepreisung aus sozialen und politischen Gründen nicht erfolgreich sein kann“, sagt IMK-Chef Sebastian Dullien. „Auch ein Klimageld ist kein Allheilmittel.“ Notwendig sei vielmehr ein Instrumentenmix, der zusätzlich zum Klimageld etwa öffentliche Investitionen in den Personennah- und Fernverkehr sowie in Wärmenetze umfasse. Ziel müsse sein, die finanziellen Belastungen vor allem von Haushalten auf dem Land zu begrenzen.