Energiemarkt:Gas wird schon wieder teurer

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Zum Jahreswechsel steigen die Gaspreise abermals an — teilweise um mehr als zehn Prozent. Warum so eine deutliche Erhöhung? Dafür interessieren sich nicht nur die verärgerten Kunden, sondern auch das Bundeskartellamt.

Von Hans-Willy Bein und Wieland Kramer

Die jüngste Erhöhung der Gaspreise liegt gerade zwei Monate zurück, da läuten die Versorger schon wieder eine Runde ein.

Gas wird teurer. (Foto: Foto: ddp)

Neben anderen Gaslieferanten hat Marktführer Ruhrgas zum 1. Januar eine Erhöhung der Lieferpreise an Stadtwerke und Großkunden um "mindestens zwölf Prozent" angekündigt.

Offen ist, wie und in welchem Umfang Stadtwerke und regionale Versorger die Verteuerung an die Haushaltskunden weiter geben.

Die Preispolitik der Versorger wird vom Bundeskartellamt aufmerksam verfolgt. Die Wettbewerbshüter haben bereits nach der Preiserhöhung vom Herbst Vorprüfungen gegen "einzelne" Versorger eingeleitet.

Das erste förmliche Verfahren könnte den norddeutschen Regionalversorger Eon Hanse treffen, ließ Kartellamtschef Ulf Böge erkennen. Bis zu 16.000 Kunden des in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern tätigen Unternehmens sollen sich bereits weigern, die Preisanhebung um rund zehn Prozent zu akzeptieren.

"Zahlungen kürzen"

Eon-Hanse-Sprecherin Esther Seemann wehrt sich und erklärt, dass die Gaspreise des Unternehmens knapp unter dem Bundesdurchschnitt liegen.

Boykottaufrufe gegen höhere Gaspreise werden auch aus anderen Regionen gemeldet. Verbraucherorganisationen und örtliche Initiativen in Bremen, Ostwestfalen und Niedersachsen rufen die Verbraucher auf, die Abschlagszahlungen für den Gasbezug zu kürzen.

Über großen Zulauf berichten besonders die Verbraucherzentrale in Bremen und die Initiative "Gaspreise runter" in Paderborn. In Bremen seien in kurzer Zeit über 35000 Musterbriefe für eine Boykott-Aktion angefordert worden, sagte Irmgard Czarnecki, die Geschäftsführerin der Verbraucherzentrale des Stadtstaates.

Boykott "Unverantworlich"

Nach Angaben der Stadtwerke Bremen haben etwa 5000 Bürger schriftlich Widerspruch gegen die neuen Preise eingelegt. Der Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW) in Berlin weist die Aktionen als "unverantwortlich" zurück.

Wenn Kunden dazu aufgerufen würden, ihre Gasrechnung nicht zu bezahlen, "ist dies eine Aufforderung zum Vertragsbruch", sagte Hauptgeschäftsführer Wolf Pluge. Die Ölpreisbindung sei international üblich und gewährleiste, dass das Gas bei fallendem Ölpreis billiger werde.

Preisunterschiede von annähernd 30 Prozent hatte der Bundesverband der Energieabnehmer in Hannover (VEA) bei einem Vergleich zwischen einzelnen Versorgern in etwa 40 Regionen festgestellt. Der Verband wertet dies als Indiz für fehlenden Wettbewerb. Während Kunden in Bielefeld am besten wegkamen, verlangen die Stadtwerke München und ESB München nach der Untersuchung "Spitzenpreise".

Gegen die Preisunterschiede kämpfen die Kartellbehörden seit Jahren. Die Gaspreise der etwa 700 Versorger unterliegen keiner Genehmigung, sondern nur einer nachträglichen Missbrauchskontrolle.

Bei der Prüfung der Preiserhöhungen tun sich die Wettbewerbshüter schwer. Die Gasbranche ist in Sachen Preistransparenz sehr zurückhaltend und verweist pauschal auf die Ölpreisbindung. In der Regel folgen die Gaspreise den Ölpreisen mit einer sechsmonatigen Verzögerung.

Die Notierungen für Heizöl erreichten im Oktober mit 52 Cent je Liter einen Höchststand. Dieser Zeitpunkt wird von der zeitverzögert wirkenden Gaspreisanpassung aber noch nicht erfasst.

Auch die internationalen Erdgasexporteure in Russland, Norwegen und den Niederlanden richten ihre Verkaufspreise an den Ölnotierungen aus. Die Erdgasimportrechnung lag nach Berechnungen des Bundesamtes für Wirtschaft in Eschborn Ende September mit etwa 730 Millionen Euro jedoch knapp zehn Prozent unter dem Wert des Vorjahres.

Allein im September sank der Grenzübergangspreis um fast sechs Prozent. Das deutet darauf hin, dass die internationalen Gasproduzenten erst vor einer Preisrunde stehen, während die Versorger im Inland bereits zur Kasse bitten.

Diese vorgezogenen Preisanpassungen sind nach Informationen der Süddeutschen Zeitung bereits früher praktiziert und auch von den Kartellbehörden geduldet worden. Voraussetzung ist, dass eine deutliche Anhebung der Importpreise absehbar ist. Bleibt es bei dieser Praxis, dürften dem Bundeskartellamt bei den meisten der angekündigten Verfahren die Hände gebunden sein.

© SZ vom 7.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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