Energiekonzerne:Vom Wandel der Zeit überrollt

Die Energiekonzerne sind in der Krise: Bürger und Politik wenden sich enttäuscht von ihnen ab und auch die Börse fällt ein verheerendes Urteil. Warum die Unternehmen ziellos vom Wandel überrollt werden.

Markus Balser

Eon-Chef Johannes Teyssen brach an diesem Freitag dorthin auf, wo er seinen Konzern immer sehen wollte: In die Weltliga. Er fliegt in die USA und stellt in New York vor den größten Fonds der Welt, den größten Banken und ihren mächtigen Analysten den Umbau seines Konzerns vor. Er will sie von der Wandlungsfähigkeit der Eon AG und der ganzen deutschen Energiebranche überzeugen.

Eon Hannover

Nicht nur über Eon ziehen dunkle Wolken auf: Deutschlands Energiekonzerne stehen vor schweren Zeiten.

(Foto: dpa)

Sein Problem: Kaum noch jemand traut Eon die Wende zu. Bürger und Politik wenden sich enttäuscht ab und auch die Börse fällt ein verheerendes Urteil: Als Teyssen in dieser Woche die härtesten Einschnitte in der Konzerngeschichte ankündigte, stürzte der Aktienkurs um zehn Prozent ab. Es war die Abrechnung von Investoren mit einer verfehlten Konzernstrategie.

Dabei hatte alles so hoffnungsvoll begonnen. Als der Konzern im Jahr 2000 nach einer Großfusion auf dem deutschen Energiemarkt loslegte, gaben die Gründerväter ihm den Namen Eon. Die Anlehnung an Aeon - griechisch für Unendlichkeit - schien gerade passend. Schließlich sollte ein internationaler Champion entstehen, der die Weltspitze erobern kann.

Es war die Zeit, in der die deutsche Energiepolitik ein Pakt mächtiger Männer war und die Energiewirtschaft so dynamisch wie ein Stromzähler: Große Kraftwerke warfen große Gewinne ab, Konkurrenz musste das Quartett Eon, RWE, EnBW und Vattenfall, die den Markt unter sich aufteilten, nicht fürchten. Und wenn sich die Rahmenbedingungen zu verschlechtern drohten, genügte eine Protestnote im Berliner Kanzleramt. Wandel war in den Chefetagen deutscher Energiekonzerne so beliebt wie ein Stromausfall, erneuerbare Energien galten als Nische für schräge Vögel.

Eine ganze Dekade ging das gut. Mit aller Energie und viel Erfolg stemmte sich die Branche gegen den Umbau. Selbst den schon fest geplanten Atomausstieg setzte die großen Vier mit mächtigem Druck auf die Politik außer Kraft. Am 28. Oktober 2010 beschloss der Bundestag, die Laufzeiten für die 17 deutschen Kernkraftwerke um durchschnittlich zwölf Jahre zu verlängern, der letzte Meiler sollte nun erst im Jahr 2040 vom Netz gehen.

Eon-Chef Teyssen und sein RWE-Kollege Jürgen Großmann wirkten wie die Sieger. Der Stillstand auf dem deutschen Markt hatte eine Laufzeitverlängerung bekommen. Die Erneuerbaren-Energien-Sparten konnten in Deutschlands Konzernzentralen weiter ein Schattendasein fristen.

Bis zum März, als die ersten Fernsehbilder von qualmenden Reaktoren in Fukushima eintrafen - und der Kampf gegen die Wende endgültig gelaufen war. Das Geschäftsmodell einer ganzen Branche fuhr plötzlich herunter, wie ein Atomreaktor bei der Notabschaltung. Einen Plan B haben die Konzerne nie entwickelt, obwohl sie seit langem wussten, dass der Atomausstieg kommt.

Die Folgen von Fukushima

Die Folgen sind dramatisch: Bis 2022 entgehen ihnen dadurch Gewinne in Höhe von 22 Milliarden Euro, schätzen Analysten. Schon jetzt brechen die Einnahmen ein. Bei Eon um minus 70 Prozent im ersten Halbjahr - der erste Quartalsverlust in der Geschichte. Bei RWE: minus 40 Prozent. Der Aktienkurs von RWE hat sich in den vergangenen sechs Monaten fast halbiert, die Papiere von Eon sind seit Jahresbeginn um 37 Prozent abgestürzt. Die Industrie steht vor einem Scherbenhaufen.

Nie zuvor in der deutschen Wirtschaftsgeschichte mussten sich einst einflussreiche Konzerne einem so raschen und radikalen Umbau unterziehen, um ihre Krise zu meistern. Verzweifelt fahnden die Chefetagen von Eon, RWE, Vattenfall und EnBW nach einem neuen Geschäftsmodell. Selten erlebte man Manager so ratlos, wie führende Köpfe der Energiebranche in diesen Wochen.

Für ihre Misere aber dürfen Teyssen und seine Managerfreunde nicht allein die Energiewende verantwortlich machen. Zu einem Neuanfang gehört es, die eigenen Fehler zu benennen. Viel zu lange haben die Konzerne die neue Energiewelt verkannt. Zu spät haben sie neue Geschäftsfelder entwickelt, zu lange an überkommenen Gewissheiten wie der Ölpreisbindung beim Gas festgehalten. Und zu viel Lehrgeld haben sie für ihre Ausflüge ins internationale Business gezahlt. Die Finanzprobleme wären kleiner, hätte sich das Management von RWE oder Eon nicht mit Übernahmen in den USA oder Südeuropa verhoben.

Nun nutzen die Konzerne die Folgen der Atomwende dazu, jene harten Einschnitte zu rechtfertigen, die sie aus vielen Gründen für nötig halten. Ihr öffentliches Bild wird damit nur noch schlechter. Das Management versteckt sich vor der eigenen Verantwortung. Zu Recht empfinden das viele Mitarbeiter angesichts existenzieller Sorgen als beschämend. Und aus gutem Grund fordern sie von ihren hochbezahlten Vorgesetzten endlich Ziele für den Aufbruch in die neue Energiewelt. Ein radikaler Sparkurs allein, verbunden mit dem Abbau vieler Tausend Stellen, bietet den Konzernen noch lange keine Perspektive.

Es muss ein neues Geschäftsmodell her. Eines, das sich an einem radikalen Schwenk auf den Ausbau der erneuerbaren Energien orientiert, an einer dezentraleren Versorgung mit kleineren und flexibleren Kraftwerken. Eines, das die Kosten des Klimawandels berücksichtigt und mit mehr Wettbewerb und niedrigeren Margen rechnet. Und es braucht ein Management, das die Energiewende nicht verschleppt, sondern vorantreibt.

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