Auf den Tag genau fünf Jahre ist es her, da besiegelten Bund und Länder das Ende der ältesten deutschen Atomkraftwerke. Im Kanzleramt waren Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Atomkraft-Länder zusammengetroffen. Am Ende des Treffens stand die Abschaltung von acht der 17 deutschen AKWs. Was damit begann, wird von diesem Dienstag an in Karlsruhe verhandelt. War die überstürzte Fukushima-Wende womöglich verfassungswidrig? Muss der Bund die Konzerne entschädigen?
Unterlagen aus den beteiligten Ministerien belegen, wie heikel Regierungsbeamte die Operation damals fanden. Das Finanzministerium etwa forderte, "dass die vorgesehene Änderung des Atomgesetzes keine Entschädigungsansprüche begründet". Derweil schob das Umweltministerium in seitenlangen Tabellen "Reststrommengen" hin und her. "Die gewählten Fristen", so hieß es dort, "müssen den Betreibern für alle Anlagen eine Amortisation ihrer Investitionen sowie das Erzielen eines angemessenen Gewinns ermöglichen."
Den Unternehmen seien Umsätze in Höhe von 120 Milliarden Euro entgangen
Das Kalkül war klar: Zwar sollten möglichst rasch möglichst viele Reaktoren vom Netz gehen. Doch die Betreiber sollten das Gesetz nicht anfechten können. Ob das gelungen ist, könnte sich dieser Tage zeigen - das Bundesverfassungsgericht verhandelt über die Beschwerden der Betreiber.
Das Gericht wird dafür weit zurückgreifen müssen, bis ins Jahr 2002. Damals vereinbarte die rot-grüne Bundesregierung mit den Energiekonzernen Eon, RWE, Vattenfall und EnBW einen "Atomkonsens". Nach rechnerisch 32 Jahren sollten die AKWs vom Netz gehen. Dafür sicherte das Gesetz ihnen "Reststrommengen" zu, die noch erzeugt werden durften.
Wenige Monate vor Fukushima, im Oktober 2010, hatte die schwarz-gelbe Bundesregierung die Laufzeiten verlängert, im Schnitt um acht Jahre. Doch als sie im Frühjahr 2011 hektisch ausstieg, orientierte sie sich dennoch an den rot-grünen Reststrommengen für 32 Jahre. In der kurzen Zeit hätten die Unternehmen kaum investieren können, argumentiert die Bundesregierung - ein schützenswertes Vertrauen sei nicht entstanden. Entsprechend gering sei der Eingriff in das Eigentum.