Energiekonzern:Wie sich RWE neu erfinden will

RWE-Chef Peter Terium muss schaffen, was kaum zu schaffen ist: Investoren für Ökostrom gewinnen.

Von Varinia Bernau, Essen

Wer Investoren überzeugen will, braucht eine gute Story. Deshalb pickt Peter Terium, 52, nun aus der Bilanz die wenigen hoffnungsfrohen Dinge heraus. Von milliardenhohen Abschreibungen auf Kraftwerke, einem Verlust von 170 Millionen Euro und trüben Aussichten ist in dem 185 Seiten dicken Geschäftsbericht von RWE die Rede. Konzernchef Terium aber spricht davon, dass sich der Gewinn im Bereich der erneuerbaren Energien verdoppelt hat. Und davon, dass RWE in Europa zu den fünf größten Betreibern von Windkraftanlagen auf offener See gehört.

Bis Ende des Jahres will der Konzern das Geschäft mit der Ökoenergie abspalten und einen Anteil von zunächst zehn Prozent an die Börse bringen. "Die neue Gesellschaft startet nicht als Start-up", betont Terium. "Sie startet als Schwergewicht." Der Niederländer neigt nicht zu großen Gefühlen, er trägt all dies nüchtern vor. Wohlwollend betrachtet, wirkt er, als wenn er sich seiner Verantwortung bewusst ist. Wer weniger wohlwollend ist, könnte statt eines Managers fast eine auf Optimismus programmierte Maschine sehen.

Terium steht damit für das Dilemma der großen Energieversorger. Viel zu lange hat er Investitionen in erneuerbare Energien hinausgezögert. Nun leidet er nicht nur darunter, dass die vielen kleinen Ökostromerzeuger an die Strombörse drängen und den Preis drücken. Er leidet auch darunter, dass ihm Politiker die Unterstützung verweigern. Terium muss schaffen, was eigentlich kaum zu schaffen ist: eine so gute Story erzählen, dass Investoren, die derzeit einen großen Bogen um RWE machen, zugreifen werden, wenn Ende des Jahres die ersten Aktien der neuen RWE angeboten werden. Das würde auch der alten RWE, die als Muttergesellschaft Mehrheitseigner der neuen Gesellschaft bleiben soll, wieder Luft verschaffen.

RWE CEO Terium is seen on a monitor during annual financial results news conference in Essen

Auf einmal ganz bescheiden: RWE-Chef Peter Terium auf einem Monitor am Boden während der Bilanz-Pressekonferenz.

(Foto: Wolfgang Rattay/Reuters)

Viel steht auf dem Spiel: Vor allem im rheinischen Revier ist RWE ein wichtiger Arbeitgeber. Mehr als 130 Kommunen und Landkreise haben in ihren Haushalten zudem eine Dividendenzahlung eingeplant. Schließlich ist RWE der zweitwichtigste Energieversorger in der Republik. Der Nummer eins geht es nicht besser: Eon wird an diesem Mittwoch seine Bilanz vorlegen, Analysten rechnen mit einem Rekordverlust von 6,4 Milliarden Euro. Bei beiden sind die Aktien abgestürzt.

Eon hat bereits ein gutes Jahr vor RWE die Aufspaltung angekündigt: Konzernchef Johannes Teyssen gibt sich nach einer Diät nicht nur schlanker, sondern auch selbstkritischer. Während Eon sich unter dem alten Namen neu erfinden will, die Kohle- und Gaskraftwerke, die Wasserkraft sowie den Handel mit Erdgas und Gasspeicher unter dem Kunstnamen Uniper gebündelt hat, macht es Terium anders rum: Er überlässt die Altlasten RWE - und gibt dem neuen Geschäft einen neuen Namen. Nichts soll an Kohlekraftwerke erinnern, die nichts mehr abwerfen und schon gar nicht mehr zum gesellschaftlichen Bekenntnis zum Klimaschutz passen. Und doch startet Terium von einer noch schwächeren Position als Teyssen: Eon hat im vergangenen Jahr bereits etwas mehr als 13 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energien gewonnen, RWE hat nun erst die Zehnprozentmarkt erreicht. Ob sich dies steigern lässt, sagt Terium, hänge davon ab, wie der Börsengang verläuft - und wie viel Geld dann für neue Windkrafträder, aber auch für Solaranlagen in der Türkei, im Nahen Osten und Nordafrika drin ist.

Statt versorgen umsorgen: Das Unternehmen soll sich grundlegend wandeln

Langfristig will Terium RWE von einem "Versorger zu einem Umsorger" machen, wie er das nennt: Sie haben dazu Steuerungsboxen für Haushalte entwickelt, die selbst Strom erzeugen. Sie haben gemeinsam mit Aldi an 50 Filialen Schnellladesäulen aufgestellt, mit denen man das Elektroauto auftanken kann, während man den Einkauf erledigt. Einfach wird es auch in der neuen vernetzten Energiewelt nicht: Auch amerikanische Technologiekonzerne haben diese smarte Energiewelt für sich bereits entdeckt. Und die haben viel mehr Geld auf der hohen Kante als die 30 Millionen Euro, die RWE jährlich in solche innovativen Ansätze investiert. Terium gibt zu, dass diese Projekte noch zarte Pflänzchen sind. Und dass nicht jede gedeihen wird. Vor allem aber, das sagt er nicht, könnte ihm, bis diese Pflanzen Früchte tragen, längst das Geld ausgegangen sein.

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Denn die Gewinne aus den großen Kraftwerken schmelzen schneller dahin, als sich elektrische Zapfsäulen und vernetzte Häuser aufrüsten lassen. Dass die Verluste bei Eon und RWE nicht noch höher ausfallen, liegt vor allem daran, dass die Konzerne den Strom in den Vorjahren vorab zu höheren Preisen verkauft haben. So hat RWE für etwa 90 Prozent der diesjährigen Strommenge noch Durchschnittspreis von 35 Euro pro Megawattstunde bekommen. Schon das hat den Betriebsgewinn der konventionellen Stromerzeugung fast halbiert. Zum Jahreswechsel aber lag der Preis an der Strombörse nur noch bei 25 Euro, in den ersten Wochen dieses Jahres ist er um weitere fünf Euro gesunken. Für diesen Preis, betont Terium, lasse sich kein einziges Kraftwerk mehr betreiben. Rolf Martin Schmitz, der bislang im Vorstand fürs Tagesgeschäft zuständig ist und nach dem Börsengang der neuen Gesellschaft den Chefposten bei der alten RWE übernehmen soll, assistiert und droht seinerseits mit weiteren Kraftwerksschließungen: "Wir werden kein Kraftwerk am Netz halten, das Geld verbrennt."

Auch bei der Bundesregierung wollen die Energiemanager damit Gehör finden: Die, so betonen sie immer wieder, müsse den rechtlichen Rahmen dafür schaffen, dass nicht nur eingespeister Strom vergütet wird, sondern auch das Bereitstellen von Kraftwerken als Ergänzung für den schwankenden Ökostrom. Die Bundesregierung macht dazu keinerlei Anstalten. Da kann Terium nur hoffen, bei Investoren auf offenere Ohren zu stoßen.

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