Energiekonzern Gazprom:Der unheimliche Partner

Schon jetzt ist die Abhängigkeit Deutschlands beim Gas von Russland enorm - der beschlossene Atomausstieg wird sie noch vergrößern. Nun bekundet der Energiekonzern Gazprom Interesse an einer strategischen Beteiligung an Eon. Kritiker warnen, dass die Macht des russischen Unternehmens bedrohliche Dimensionen erreichen könnte.

Markus Balser

Alexej Miller spricht nicht gerne. Der stämmige Mann mit der leisen Stimme hebt in Interviews nur selten den Blick. Seine Worte aber setzt Russlands mächtigster Manager mit der Geradlinigkeit einer Pipeline: Miller, 49, holt erst einmal tief Luft, wenn er über die Klagen der Europäer über zu hohe Gaspreise reden soll. "Wenn in Europa die Preise nicht stimmen, liefern wir eben nach Asien", sagt Miller der Süddeutschen Zeitung. Ihn ärgert der Disput mit seinen wichtigen Kunden.

Energiekonzern Gazprom: "Wenn in Europa die Preise nicht stimmen, liefern wir eben nach Asien": Russlands mächtigster Manager Alexej Miller.

"Wenn in Europa die Preise nicht stimmen, liefern wir eben nach Asien": Russlands mächtigster Manager Alexej Miller.

(Foto: AP)

Mit dieser Drohung lässt der Konzern keinen Zweifel mehr zu: Er ist da angekommen, wo ihn der Kreml haben will - an den Reglern der Macht. Gazprom kontrolliert ein Sechstel der weltweiten Gasversorgung und kann binnen Minuten die Energiezufuhr nach Europa ausknipsen.

Schon jetzt hängt Deutschland beim Gas zu 40 Prozent am Tropf der Lieferungen aus Russland. Nach dem gerade beschlossenen Atomausstieg wird die Abhängigkeit sogar größer, da sind sich Experten einig. Denn Gaskraftwerke sollen die Energiewende forcieren und Kernkraftwerke ersetzen. Am Rande eines Wirtschaftsgipfels in Prag kündigt Miller an, dass die Expansion des größten russischen Unternehmens erst am Anfang sieht.

Der Konzern wolle seinen Einfluss in Deutschland ausdehnen und auch in anderen Weltregionen zum dominierenden Anbieter werden. Mit Interesse verfolge der Konzern, dass deutsche Energiekonzerne wie Eon Unternehmensteile im Milliardenwert verkaufen wollten.

Gazprom sei bereit, Angebote über eine strategische Beteiligung am größten deutschen Energieversorger oder dessen Gas-Tochter Ruhrgas zu prüfen, sagt Miller. "Wir werden Angebote prüfen, die über reine Finanzinvestitionen hinausgehen und dem Konzern Mitsprache einräumen." Bislang aber habe es keine entsprechende Offerte gegeben, ergänzt er.

Ob Gazprom eine Mehrheitsübernahme an der Eon-Tochter anstrebe, dem größten Gaslieferanten Westeuropas, lässt er offen. Ziel sei es, die Wertschöpfungskette von Anfang bis zum Ende auszufüllen, wie bei jedem großen Energiekonzern weltweit.

Dieses neue Interesse von Gazprom gilt als brisant. Mit einem Einstieg bekäme Gazprom Zugriff auf das strategisch wichtige Leitungssystem des deutschen Konzerns. In der Vergangenheit war der Versuch russischer Unternehmen, sich an deutschen oder europäischen Konzernen zu beteiligen, immer wieder auf politischen Widerstand gestoßen. So zuletzt im Fall des Autobauers Opel und des Chipherstellers Infineon.

Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin hat die Verschlossenheit Deutschlands daher häufig kritisiert. Vor allem auf dem Gasmarkt wären Investitionen für Gazprom lohnend. Denn der Konzern will sich künftig nicht mehr damit zufrieden geben, nur an der Quelle zu kassieren. Erklärtes Ziel ist es, ins lukrativere Endkundengeschäft einzusteigen.

Zugleich treibt das Unternehmen seine globale Expansion voran und will immer größere Teile seiner kostbaren Reserven nach Asien lenken. Gazprom stehe kurz vor der Einigung mit China über einen Pipelinebau, sagt Miller. Auch nach Indien werde der Konzern seine Lieferungen ausbauen. China und Indien verbrauchen inzwischen das Gros der weltweiten Rohstoffproduktion.

Miller heizt die globale Konkurrenz um Rohstoffe an: "Asien wird für uns immer interessanter. Da geht es um ganz andere Summen als in Europa." Seit fast genau zehn Jahren leitet Miller Gazprom. Gerade hat der Aufsichtsrat seine Amtszeit um weitere fünf verlängert. Als er im Mai 2001 antrat, wussten selbst Fachleute wenig über den Mann aus St. Petersburg. Bis heute existiert nur ein veröffentlichtes Privatfoto des schweigsamen Managers: der Gazprom-Chef mit seinem Labrador.

Strategisches Ziel: Weltmacht

Putin kennt den promovierten Ökonomen seit 1991. Damals arbeiteten beide in der Petersburger Stadtverwaltung. Miller war Abteilungsleiter im Komitee für Außenwirtschaftsbeziehungen, Putin sein Vorgesetzter. Heute gilt Miller als rechte Hand des Kreml, wenn es darum geht, den Großmachtanspruch Russlands zu verteidigen.

Denn die blaue Flamme von Gazprom heizt nicht nur das kalte Land und erzeugt die Hälfte des russischen Stroms. Miller lenkt in Moskau ein weit verzweigtes Reich aus 400.000 Angestellten, 160.000 Pipeline-Kilometern und geschätzten tausend Tochterfirmen. Mit der Wirtschaftskrise hatte zwar auch Gazprom viel von seiner Macht eingebüßt. Weil vor allem Industriekunden - gerade in Deutschland - weniger Gas brauchten, sanken die Einnahmen von Gazprom drastisch.

Doch die Krise ist vorbei und die Unruhen im arabischen Raum sowie die Atomkatastrophe von Fukushima bedeuteten eine Zeitenwende für die Energiebranche, sagt Miller. "Wir erleben tektonische Verschiebungen. Eine große Chance für Gazprom." So stellt der Konzern immer neue Rekorde auf.

Der Gewinn stieg schon im vergangenen Jahr um fast ein Viertel auf 1000 Milliarden Rubel oder 24,5 Milliarden Euro. Der Umsatz kletterte im Bilanzjahr 2010 von 73 auf mehr als 88 Milliarden Euro - das beste Ergebnis aller Zeiten. Dieses Jahr dürfte es noch mehr werden. Denn die Gasnachfrage wächst seit einigen Wochen rapide. Um 30 Prozent hätten die Gasexporte im Jahresvergleich zugenommen, berichtet der Manager.

Europa verlange so viel Gas wie im Winter. Und das bei steigenden Preisen. "Bis Dezember wird der Gaspreis, den wir bei unseren langfristigen Verträgen berechnen, bei rund 500 Dollar liegen", sagt Miller - 100 Dollar höher als bislang erwartet. Damit dürften auch die Endkundenpreise für Verbraucher in Deutschland erneut in die Höhe schießen. Kritiker warnen bereits davor, dass die Macht von Gazprom auch mit dem Bau neuer Pipelines in Richtung Europa in bedrohliche Dimensionen wachsen könnte. Im Norden baut der Moskauer Multi bereits die Ostseepipeline Nord Stream. Sollte er sich auch beim Zugang zu Gas aus Zentralasien mit seinem Projekt South Stream im Süden gegen die Konkurrenz-Pipeline der EU, Nabucco, durchsetzen, könnten aus Partnern Abhängige werden und Gazprom könnte einen ganzen Kontinent in die Zange nehmen, heißt es in der Branche.

Doch Miller erwartet, dass die Europäer im Pipeline-Wettstreit noch weiter ins Hintertreffen geraten als ohnehin schon. Gerade musste das Nabucco-Konsortium den deutschen Energieversorger RWE eine Verspätung um zwei Jahre einräumen. "Das ist noch sehr positiv geschätzt", ätzt Miller. "Die Europäer werden noch sehen, was Gazprom für sie tun kann."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: