Süddeutsche Zeitung

Energiekonzern Eon plant Umbau:Ruhrgas-Netz könnte an Allianz-Konzern gehen

Eon steht vor einem Radikal-Umbau. Ein massiver Stellenabbau, teure Übernahmepläne. Um dafür das nötige Geld aufzutreiben, will der Energiekonzern offenbar Teile abspalten: Ein Geheimplan sieht nach SZ-Informationen vor, das Gas-Netz der Tochter Ruhrgas an den Allianz-Konzern zu verkaufen. Ein politisch riskanter Schritt.

Markus Balser

Die Treffen kurz vor Weihnachten haben Tradition. In Düsseldorf kommen schon seit Jahren vor dem Fest die Aufsichtsräte von Deutschlands größtem Energiekonzern zusammen, um sich vom Vorstand die erwarteten Bilanzen und Pläne für die kommenden Jahre präsentieren zu lassen. Bei Eon hat das längst Routine. "Jahrelang wurde nur gefragt, wie stark Gewinn und Umsatz steigen", sagt ein Aufsichtsrat. "Stellenabbau" war ein Fremdwort in dieser auf Konsens bedachten Welt. Doch nun gärt es. Für Stunden verschanzten sich die Kontrolleure zu Wochenbeginn in der Eon-Zentrale. Es ging um viel: die Zukunft des gesamten Konzerns.

Nur langsam sickerte durch, dass drinnen die brisantesten Zahlen und Vorhaben seit Jahren auf dem Tisch lagen. Denn erstmals legte das Eon-Management dem Aufsichtsrat die erwarteten Geschäftszahlen für das kommende Jahr sowie das Programm "Eon 2.0" vor - die Blaupause für den Umbau des internationalen Konzerns mit 80 000 Beschäftigten und mehr als 90 Milliarden Euro Umsatz.

Eon-Chef Johannes Teyssen machte nach Angaben aus Konzernkreisen klar: Neben dem Abbau von 11.000 der weltweit 80.000 Jobs - 6000 davon allein in Deutschland - wolle er dem Konzern mit Verkäufen und Übernahmen im Milliardenwert ein neues Gesicht geben. In Deutschland steht der Konzern damit vor weit größeren Einschnitten als bislang bekannt. Ein vertraulicher Plan zeigt, wie weit Teyssen gehen will. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung plant Eon die Zerschlagung der Tochter Ruhrgas. Angaben aus Konzernkreisen zufolge will der Münchner Versicherungskonzern Allianz das 12.000 Kilometer lange Gasnetz des Traditionskonzerns kaufen. Die Gespräche seien weit fortgeschritten. Das Ruhrgas-Netz wird betrieben von der Tochter Open Grid Europe und ist das größte deutsche Gasnetz. Durch die Pipelines fließt mehr als die Hälfte des in Deutschland verbrauchten Erdgases.

Eon und die Allianz sowie die Tochter Allianz Capital Partners wollten die Angaben am Montag nicht kommentieren. Doch die Verbindungen zwischen der Allianz und Ruhrgas sind eng: Ende 2010 hatte der Versicherer den ehemaligen Ruhrgas-Vorstand Jochen Weise als Berater engagiert. Die Allianz sehe in den nächsten Jahren im Bereich der Energieinfrastruktur "attraktive Investitionsmöglichkeiten für langfristig orientierte und kapitalkräftige Finanzinvestoren", hatte der Konzern kürzlich mitgeteilt.

Für beide Seiten wäre das Geschäft allerdings ein riskanter Schachzug. Denn Eon hatte die Übernahme von Ruhrgas 2003 gegen den Willen des Bundeskartellamts mit einer Ministererlaubnis durchgesetzt. Die 2003 rechtskräftig gewordene Genehmigung enthält eine Klausel, nach der die Bundesregierung ein Jahrzehnt Einspruch gegen jeden Verkauf wichtiger Ruhrgas-Teile einlegen kann. Aus Konzernkreisen verlautete am Montag, man habe aus dem Berliner Wirtschaftsministerium bereits positive Signale für eine Übernahme erhalten.

Damit könnte Eon dem Beispiel anderer Versorger folgen. In der Energiebranche gilt der Betrieb von Strom- und Gasnetzen als kaum noch lukrativ, seit sie von der Politik in Berlin und Brüssel immer stärker reguliert werden. Für Versicherer ist das Geschäft dennoch wegen seiner stabilen Renditen interessant. So haben Finanzinvestoren vor wenigen Monaten erst die Gasnetz-Tochter Thyssengas des Eon-Rivalen RWE gekauft. Auch der französische Konzern GDF Suez verkaufte sein 15 000 Kilometer langes Gasnetz zuletzt für fast 800 Millionen Euro an eine Gruppe um den Versicherer Axa.

Hinter dem geplanten Verkauf steht das Ziel von Konzernchef Teyssen, die internationale Expansion von Eon voranzutreiben. Die Strategie Teyssens führe in Zukunft immer stärker raus aus Deutschland, heißt es im Aufsichtsrat. Dafür brauche der Konzern nun das Kapital aus Verkäufen.

Ganz oben auf Teyssens Wunschliste: Der Einstieg beim portugiesischen Versorger EDP. Gut zwei Milliarden Euro soll eine 21-prozentige Beteiligung am Staatskonzern kosten. Mit dem Unternehmen, das über große Kapazitäten bei Wind- und Wasserkraft verfügt, würde Eon nach Einschätzung von Experten mit einem Schlag zu einem der Weltmarktführer bei Erneuerbaren Energien. Doch ob der Start für den Neuanfang gelingt, ist völlig offen. Im Bieterprozess habe Eon das geringste Gebot eingereicht - berichtet die Zeitung Jornal de Negocios. Die höchste Offerte, so die Zeitung, habe ein ernstzunehmender Konkurrent vorgelegt: Three Gorges aus China.

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SZ vom 13.12.2011/bürk/jab
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