Süddeutsche Zeitung

Energiekonzept der Bundesregierung:Mehr Klimagesetze, bitte!

Das Energiekonzept der Regierung ist vor allem eins: hübsch zu lesen. Es mangelt an konkreten Maßnahmen. Bei der Gebäudesanierung ist die Regierung umgefallen wie ein morscher Baum im Sturm.

Michael Bauchmüller

Beim Klimaschutz gingen deutsche Regierungen mit großen Worten schon immer spendabel um. Bereits 1992 setzte Bundeskanzler Helmut Kohl beim Umweltgipfel in Rio de Janeiro Maßstäbe, als er den massiven Abbau klimaschädlicher Emissionen zusagte. Um bis zu 30 Prozent sollten sie bis 2005 zurückgehen.

Wieder daheim, ließ Kohl die Dinge laufen. Mit der Industrie verabredete er eine folgenlose Selbstverpflichtung. Das Jahr 2005 verstrich - das Kohl'sche Ziel blieb unerreicht. Verantwortlich zeichnete dafür keiner mehr, es war ja so lang her. Darin liegt er, der Reiz des fernen Ziels.

Nun wiederholt sich die Geschichte. Am Dienstag wird das Bundeskabinett ein Energiekonzept verabschieden, das Regierungsmitglieder bereits als "Revolution" (Kanzlerin Angela Merkel), als "epochal" (FDP-Chef Guido Westerwelle), als "anspruchsvollstes" seiner Art und "weltweit einmalig" (Umweltminister Norbert Röttgen) priesen. Wenn es bloß so wäre.

Sollen, müssten, könnten

Tatsächlich steht der Anspruch allein auf dem Papier. Ja, Deutschland soll bis 2050 bis zu 95 Prozent weniger Treibhausgase emittieren, und ja: Bis 2020 soll das Minus schon bei 40 Prozent liegen. Auch soll dafür die Windenergie kräftig ausgebaut werden, müssten Gebäude wesentlich weniger Wärme verbrauchen, könnten Autos künftig weniger Sprit für die gleiche Strecke benötigen. Sollen, müssten, könnten: Es ist eine Politik, die wünscht, ohne zu fordern. Die Ziele kennt, aber keine Landkarten.

Nirgends lässt sich das besser beobachten als im Gebäudebereich. Hier liegen die stillen Reserven der Energiepolitik, denn Deutschlands Fenster, Dächer und Keller sind mehrheitlich Zeugnisse der Verschwendung. Mit vergleichsweise moderaten Kosten lässt sich hier eine Menge erreichen, und tatsächlich fanden sich in ersten Entwürfen zum Energiekonzept einige gute Ideen dafür. Doch das konzertierte Lamento der Haus- und Grundbesitzer machte die Pläne zunichte. Die Koalition fiel um wie ein morscher Baum im Sturm. Die Ziele stehen zwar immer noch im Konzept, aber der Weg dorthin ist freiwillig. Wer sein Gebäude nicht saniert, verzichtet zwar auf Förderung. Sonst aber passiert nichts. So ähnlich war das auch in der Ära Kohl.

Nur lässt sich ohne Ordnungsrecht ein falscher Kurs nicht korrigieren. Die Europäer hätten nie freiwillig Glühbirnen gegen Energiesparlampen getauscht - hätte es nicht entsprechende Gesetze gegeben. Europas Autos verbrauchten immer noch viel zu viel Sprit - gäbe es dafür keine Vorgaben. Auch deutsche Gebäude werden ohne feste Vorgaben Energieverschwender bleiben, sehr zum Leidwesen ihrer Bewohner. Letztere werden nämlich absehbar mehr zu zahlen haben für Öl und Gas. Nur betrifft das vorwiegend die Interessen künftiger Generationen, und die haben im aktuellen politischen Geschäft keine Lobby. Die deutschen Klimaziele dürften mit diesen Plänen bleiben, was sie sind: hübsch zu lesen.

Es ist beschämend, dass diese Bundesregierung nicht mehr auf die Beine gestellt hat. An großen Worten hatte es in den vergangenen Monaten keinen Mangel. Das Energiekonzept sollte helfen, Deutschland zu modernisieren. Messbare Ergebnisse aber bleiben ein paar Millionen Fördermittel, die ohnehin vorgesehen waren, und längere Laufzeiten für Atomkraftwerke. Eine Revolution? Vielleicht ein andermal.

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SZ vom 28.09.2010/bbr/pak
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