Energiebranche:Krach unter der Kuppel

Zerstrittene Minister, eine gespaltene Koalition, die Länder sauer auf den Bund - alles wegen der Atomkraft. Und die Energieindustrie? Die spekuliert gewaltig.

Markus Balser

Politische Entscheidungen von nationaler Bedeutung - an der Ecke Mohren- und Mauerstraße in Berlin-Mitte sind sie eigentlich nicht zu Hause. Das Bundesland Thüringen lädt hier in seine Hauptstadtvertretung gerne zu Frühlingskonzerten ein. An diesem Donnerstag aber kommt große Politik zu Besuch.

Biblis A soll laenger am Netz bleiben

Das Atomkraftwerk im hessischen Biblis zählt zu jenen deutschen Meilern, die bald abgeschaltet werden sollen. Gleiches gilt auch für Neckarwestheim und Brunsbüttel. Diese älteren Kraftwerke sind in der Vergangenheit durch zahlreiche Zwischenfälle aufgefallen.

(Foto: ag.ddp)

Hinter der Fassade aus hellem Travertin will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach einem Abendessen mit Länderchefs eine der heikelsten innerparteilichen Streitsachen klären: Längere Laufzeiten für deutsche Atommeiler.

Vor der nächsten Bundesratssitzung am Freitag wird die Kanzlerin am Rande eines Ländertreffens jene fünf Ministerpräsidenten zur Seite nehmen, in deren Ländern Atomkraftwerke stehen. Einziges Thema: die Bedingungen einer Laufzeitverlängerung. Bereits in dieser Woche könne eine Entscheidung fallen, wie lange die Meiler weiterlaufen dürfen, heißt es aus der Energiebranche.

Energiekonzept muss warten

Die Pläne der Kanzlerin seien weit fortgeschritten. In Verhandlungskreisen kursieren Zahlen, auf die sich die Emissäre von Wirtschaft und Politik einigen könnten: Die deutsche Atomwirtschaft rechnet mit neun bis elf Jahren mehr. Merkel wolle den Länderchefs bereits an diesem Donnerstag einen entsprechenden Lösungsvorschlag präsentieren, heißt es.

Ein umfassendes Energiekonzept muss allerdings bis Herbst warten. Merkel will vorher versuchen, den gefährlichen Brandherd der Koalition zu löschen. Vordergründig geht es bei dem Treffen darum, ob die Länder längeren Laufzeiten zustimmen müssen. Doch die Streithähne treffen sich vor allem, um tiefe Risse in der Koalition zu kitten.

Zuerst empfahl Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus Parteifreund Norbert Röttgen "ein anderes Betätigungsfeld", weil der bei seinen Plänen für einen raschen Atomausstieg blieb. Der attackierte Umweltminister legte nach und forderte von Mappus, Konflikte mit Argumenten auszutragen.

Erleichterung in den Chefetagen

Selbst entnervte Manager klagen über die zerrüttete Politik am Verhandlungstisch. Das Verhältnis zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium sei wegen unterschiedlicher Vorstellungen über die Dauer der Laufzeitverlängerung nie so schlecht gewesen wie in der schwarz-gelben Koalition, heißt es weiter. Zerstrittene Minister, eine gespaltene Koalition, die Länder sauer auf den Bund.

Erleichtert reagieren die Manager der Energiekonzerne darauf, dass die Kanzlerin nun in der eigenen Partei Druck macht und die Streithähne versöhnen will. Schon Ende dieser Woche, heißt es, sollen grundsätzliche Fragen geklärt werden - vor allem jene Frist, die der deutschen Atombranche zum Abschalten ihrer Meiler bleibt. "Die Entscheidung steht unmittelbar bevor", verlautet aus Verhandlungskreisen. Mehr als elf Jahre seien allerdings kaum drin, ohne den Bundesrat um Zustimmung bitten zu müssen, schwant selbst Energiemanagern.

In den Chefetagen der Atomkonzerne herrscht Erleichterung, denn die Verhandlungsposition der Manager bessert sich mit jedem neuen Problem der Bundesregierung.

Vorschuss gewünscht

Beim größten deutschen Energiekonzern Eon hatten sich führende Köpfe zwar mindestens 13 Jahre mehr erhofft, doch immerhin dürften die Konzerne nun billiger wegkommen. Denn wenn die Laufzeiten erst mal feststehen, gibt die Politik ausgerechnet jenen Verhandlungsspielraum auf, mit dem sie die Zusatzgewinne der vier Betreiber Eon, RWE, Vattenfall und EnBW möglichst haushaltssanierend abschöpfen wollte, fürchten politische Verhandler in Berlin.

Eine Einigung in der Union bedeute noch lange keine mit der Energiebranche, heißt es in der Chefetage eines Atombetreibers. Die zentrale Frage sei noch offen, der Preis der längeren Laufzeiten nämlich. "Die Branche wäre bereit, einen guten Teil des geschaffenen Mehrwerts zu teilen", kündigt RWE-Chef Großmann an.

Angesichts der angespannten Haushaltslage hätte die Regierung die Milliarden der Energiebranche für die nächsten Jahre gerne als Vorschuss. Die Atomkonzerne würden demnach beispielsweise ihren für die Förderung grüner Technologien gedachten Gewinnanteil nicht selbst überweisen. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) könnte ihn als Darlehen an die Regierung vorstrecken, die Konzerne das Geld über die nächsten Jahre zurückzahlen.

Nur eines von mehreren Modellen, beschwichtigt die Atombranche. Doch sie kann dem Modell durchaus Positives abgewinnen: "Dann wäre die Verlängerung wohl unumkehrbar."

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