Energie und Klimaschutz:Kohle gegen Kohle

Braunkohlekraftwerk Jänschwalde

Blick auf den Braunkohletagebau im brandenburgischen Jänschwalde: Die deutschen Energieerzeuger betreiben einige der schmutzigsten Kraftwerke Europas.

(Foto: Patrick Pleul/dpa)
  • Die hiesigen Energieerzeuger schalten nach und nach etwa 13 Prozent der als unökologisch geltenden Braunkohlemeiler ab.
  • Dafür werden sie mehr als sieben Jahre lang mit 230 Millionen Euro jährlich an Steuergeldern entschädigt.
  • Deutschland spart dadurch jedes Jahr zwischen elf und 12,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid ein.
  • Um die nationalen Klimaschutzziele zu erreichen reicht das jedoch möglicherweise nicht.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Rein zeitlich betrachtet war es eine Punktlandung. Am Samstag, als die Vorverhandlungen für den Weltklimagipfel, der Ende November in Paris beginnt, gerade beendet worden waren, verkündeten deutsche Energiewirtschaft und Bundesfinanzministerium ihren Beitrag zum Klimaschutz. Die hiesigen Energieerzeuger, die europaweit einige der ältesten und schmutzigsten Braunkohlekraftwerke betreiben, erklärten sich bereit, von nächstem Jahr an schrittweise etwa 13 Prozent der als unökologisch geltenden Braunkohlemeiler vom Netz zu nehmen. Damit sie das tun, werden sie mehr als sieben Jahre lang mit 230 Millionen Euro jährlich an Steuergeldern entschädigt.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sprach von einem guten Kompromiss. Das Tauschgeschäft sei wichtig, "um unsere Klimaziele zu erreichen und zugleich sicherzustellen, dass es in den betroffenen Regionen nicht zu Strukturbrüchen kommt". Oppositionsparteien und Naturschützer sahen die Angelegenheit naturgemäß anders und kritisierten die zugesagte Entschädigung als Abschaltprämie und versteckte Subvention für die Kraftwerksbetreiber.

Die Einigung des Bundeswirtschaftsministeriums mit den Energiekonzernen RWE, Vattenfall und Mibrag sieht vor, dass die Firmen von 2016 bis 2019 mehrere Kraftwerksblöcke im rheinischen Braunkohlerevier und in der Lausitz vom Netz nehmen. Allerdings heißt das noch nicht, dass sie für immer abgeschaltet sind. Der Vereinbarung zufolge sollen die Blöcke als letzte Absicherung zur Stromversorgung vorgehalten werden - und zwar jeweils vier Jahre lang.

Nationale Klimaschutzziele drohen zu scheitern

Für die Steuerzahler wird der Deal teuer. Nicht nur, dass die Konzerne fast über einen doppelt so langen Zeitraum, in dem sie die Blöcke vorhalten, staatlich entschädigt werden. Der Verbraucher zahlt zudem noch über steigende Netzentgelte drauf: Das Entgelt zur Netznutzung wird 0,05 Cent pro Kilowattstunde teurer, was die Strompreise leicht steigen lassen dürfte.

Immerhin, die Bilanz für das Klima fällt positiv aus: Die stillzulegenden Blöcke haben insgesamt eine Kapazität von 2,7 Gigawatt. Werden sie abgeschaltet, ergibt sich rein rechnerisch eine Reduzierung der klimaschädlichen Emissionen von Kohlendioxid (CO₂) zwischen elf und 12,5 Millionen Tonnen jährlich.

Eine Minderung, die nötig sei, "um unsere nationalen Klimaziele zu erreichen", wie Gabriels Wirtschaftsministerium in einer Erklärung mitteilen lässt. Deutschland hat sich verpflichtet, seine Emissionen an CO₂ bis 2020 um 40 Prozent zu reduzieren, verglichen mit den Emissionen von 1990. Im Mai war eine Studie des Bundesverbandes Erneuerbare Energien bekannt geworden, wonach die Verfehlung des Klimaziels drohte. Demnach war Ende vergangenen Jahres erst eine Reduktion des Ausstoßes von CO₂ um 27 Prozent erreicht. Ohne zusätzliche Aktionen, so warnten die Autoren der Studie, werde das 40-Prozent-Ziel für 2020 deutlich verfehlt - und zwar um sieben Prozentpunkte.

Auch mit der Abschaltung sind die Ziele nicht unbedingt erreicht

Im Sommer schnürte die Koalition in Berlin deshalb eilig ein Paket, um weitere 22 Millionen Tonnen CO₂ einzusparen. Am 1. Juli 2015 vereinbarte sie ein "energiepolitisches Eckpunktepapier". Darin wird die Abschaltung der Braunkohlemeiler vereinbart. Weitere Minderungsbeiträge sollen über den Ausbau der energieeffizienten Kraft-Wärme-Kopplung (vier Millionen Tonnen CO₂) sowie Maßnahmen im Bereich der Energieeffizienz (5,5 Millionen Tonnen CO₂) geleistet werden. Im Jahr 2018 will die Bundesregierung überprüfen, ob die Maßnahmen ausreichen, das Klimaziel zu erfüllen. Sollte sich abzeichnen, dass die angestrebte Minderung nicht erreicht wird, haben sich die Energieversorger verpflichtet, geeignete Maßnahmen vorzuschlagen.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kritisierte die Einigung zwischen Bundesregierung und Energiewirtschaft als "Mogelpackung" zulasten der Stromkunden. "Besonders skandalös" sei, dass die Regierung auch für Kraftwerke zahle, die ohnehin vom Netz gegangen wären, sagte BUND-Energieexpertin Tina Löffelsend.

Hoffnungsschimmer in Bonn

Noch nicht einigungsfähig. Noch sehr viel Arbeit nötig. Kurz und klar fasste Bundesumweltministerin Barbara Hendricks am Wochenende das Ergebnis der Klimaverhandlungen zusammen, die bis Freitagnacht in Bonn stattgefunden hatten. Es war das letzte offizielle Treffen der Unterhändler, um die am 30. November in Paris beginnende Weltklimakonferenz vorzubereiten.

Dann unternehmen die Staaten dieser Erde erneut den Versuch, sich darauf zu einigen, die globale Erderwärmung auf zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. "Die zentrale Messlatte für Paris ist, dass das Abkommen die Tür aufstößt, um den die Menschheit bedrohenden Klimawandel noch zu verhindern", sagt Christoph Bals, der als politischer Direktor der Nichtregierungsorganisation Germanwatch in Bonn dabei war.

Umweltpolitiker wie Umweltschützer werten das Ergebnis von Bonn als Hoffnungsschimmer, dass das Treffen in Paris - anders als das Vorgängertreffen in Kopenhagen - ein klimafreundliches Ergebnis bringen kann. In Bonn haben sie sich immerhin erstmals auf einen konkreten Vertragstext geeinigt, der rechtsverbindlich abgefasst ist und von allen Teilnehmern mitgetragen wird. Festgehalten sind verschiedene Optionen, um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen. Die Choreografie des Gipfels sieht vor, dass sich die Staats- und Regierungschefs am ersten Tag treffen und entscheiden, welche Optionen sie bevorzugen. Danach sollen die Unterhändler in akribischer Kleinarbeit die etwa 1400 Klammern wegverhandeln, die noch im Text sind. Der Vertrag wird nur dann ein Erfolg, wenn er den Investoren weltweit signalisiert, dass der mittelfristige Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas unumkehrbar - und der Einstieg ins carbonfreie Zeitalter eingeleitet ist. Cerstin Gammelin

Der RWE-Konzern wird Braunkohlenblöcke mit einer Kapazität von 1,5 Gigawatt abschalten, er leistet damit den größten Teil. Fünf Blöcke in Frimmersdorf, Niederaußem und Neurath sollen von 2017 an in eine sogenannte Sicherheitsbereitschaft überführt werden. Der schwedische Versorger Vattenfall, der sein ostdeutsches Braunkohlegeschäft gerade verkauft, wird ein Gigawatt abschalten, die Mibrag etwa 200 Megawatt.

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