Süddeutsche Zeitung

Energiewirtschaft:Habeck prüft weitere Strom-Verstaatlichung

Der Bundeswirtschaftsminister will beim niederländischen Stromnetzbetreiber Tennet einsteigen. Die Gespräche laufen bereits, und es geht nicht nur um Geld.

Von Michael Bauchmüller und Caspar Busse

Deutschlands Stromnetz in öffentlicher Hand? Robert Habeck (Grüne) hätte nichts dagegen. Wo es natürliche Monopole gebe, weil es eben nur ein Stromnetz gibt und nicht mehrere, da sei die "öffentliche Hand in einer Verantwortungssituation", sagt der Wirtschaftsminister am Mittwoch. Und einen konkreten Fall gibt es auch: das Tennet-Netz in Deutschland. Der Bund, so berichtete als erstes Reuters, prüfe einen Mehrheitsanteil an dem einstigen Eon-Netz. Es gebe, so sagt Habeck, erste Gespräche. Kommentieren dürfe er die aber nicht, einstweilen gehe es darum, die Finanzsituation des Deutschland-Geschäfts zu analysieren. "Ich mache allerdings kein Hehl daraus", setzt der Minister etwas verschwurbelt nach, "dass wenn es die Möglichkeit gibt, dass die öffentliche Hand ihren Teil zur Entstehung einer öffentlichen Infrastruktur leisten kann, dass das politisch attraktiv ist, diesen Weg zu eruieren". Soll heißen: Er wäre dabei. Der Gesamtpreis wird auf fünf Milliarden Euro taxiert.

Das deutsche Netz von Tennet gehörte mal zum Eon-Konzern

Tennet ist einer von vier großen Übertragungsnetzbetreibern in Deutschland, die die sogenannten Stromautobahnen betreiben und bauen. Neben Tennet sind das 50 Hertz, Amprion und Transnet BW. Diese Unternehmen und sind letztlich auch diejenigen, die für die Stabilität des Netzes sorgen. Auch der Ausbau der Stromnetze von Nord nach Süd hängt an ihnen. Habeck verweist nun darauf, dass die staatliche KfW-Bank bereits Anteile am ostdeutschen Netzbetreiber 50 Hertz halte - 2018 wehrte der Bund so den Einstieg eines chinesischen Staatskonzerns ab - und dass in Südwestdeutschland Transnet BW Anteilseigner suche. Das Stromnetz von Tennet gehörte ursprünglich mal zum Eon-Konzern und wurde 2010 an die Niederländer verkauft.

Doch mit dem Netz kauften sie auch einen massiven Investitionsbedarf. Inzwischen müssen sie mehr in deutsche Stromleitungen stecken als in niederländische. Das rentiert sich zwar auf Dauer, lässt aber eine deutsche Staatsbeteiligung auch aus Sicht des Mutterkonzerns interessant erscheinen. Der Bund wiederum hat mittlerweile einige Übung in Staatseinstiegen. Sowohl Commerzbank als auch Lufthansa wurden so aus der Krise gerettet, und derzeit läuft die Verstaatlichung des Energiekonzerns Unipers, der nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs und dem Ausbleiben von Gaslieferungen aus Russland in existenzielle Probleme geraten war. Uniper musste zu deutlich höheren Preisen Gas einkaufen, um seine Lieferverpflichtungen vor allem an Stadtwerke und Unternehmen in Deutschland erfüllen zu können. Die Übernahme durch den Bund sollte verhindern, dass ein Kollaps zum Dominoeffekt für andere Teile der Wirtschaft wird. Am 19. Dezember sollen die Uniper-Aktionäre das auf einer außerordentlichen Hauptversammlung billigen.

Am Mittwoch kündigte Uniper-Chef Klaus-Dieter Maubach an, dass man sich nun einen Teil der Verluste von Gazprom zurückholen wolle. Uniper habe ein Schiedsgerichtsverfahren gegen Gazprom vor einem internationalen Schiedsgericht beantragt. Uniper werde die Erstattung des "erheblichen finanziellen Schadens einfordern", sagte Maubach. Die Erfolgsaussichten gelten aber als gering.

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