Energie-Projekt Desertec:Wissen für die Wüste

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Kommt der Strom bald aus der Wüste? Die Desertec-Initiative forciert ihr Projekt - und startet eine beispiellose Bildungsinitiative in Nordafrika. Doch es bleiben zwei bedeutende Hindernisse.

Markus Balser

Die Desertec-Initiative forciert die Realisierung des Wüstenstromprojekts mit einem breit angelegten Bildungspakt. Neben Konzernen und Regierungen will sie künftig auch Universitäten vor allem in Nordafrika und dem Nahen Osten in das Milliardenvorhaben einbinden. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung geht in dieser Woche ein internationales Desertec-Universitätsnetzwerk an den Start - ein Zusammenschluss von zunächst 18 führenden Universitäten und Forschungseinrichtungen in zehn Mittelmeer-Anrainerstaaten von Marokko bis Jordanien.

Das Desertec-Projekt kommt einen wichtigen Schritt voran. (Foto: AP)

Am Dienstag traf sich der höchste Führungskreis des Netzwerks zu seiner ersten zweitägigen Sitzung im libyschen Tripolis. Es soll der Startschuss werden für eine Bildungs- und Forschungskooperation im Mittelmeerraum, wie sie in der konfliktreichen Region ohne Beispiel ist. Zuvor verabschiedete die Generalversammlung in Tunesiens Hauptstadt Tunis eine weitreichende Vereinbarung.

Ziel sei es, qualifiziertes Personal für das Design, die Einführung, den Bau und den Betrieb sauberer Energiesysteme aufzubauen, sagt Max Schön, Aufsichtsratschef der Desertec-Stiftung und Präsident der deutschen Gesellschaft des Club of Rome, der Süddeutschen Zeitung. Die Desertec-Stiftung habe den Pakt zusammen mit Universitäten gegründet.

Das Netz gilt als wichtiges zweites Standbein der Desertec-Initiative. Im vergangenen Jahr schlossen sich zunächst europäische Großkonzerne zur Desertec-Planungsgesellschaft Dii zusammen. Nun folgt der Bildungssektor. Das Forschungsnetz könne die internationale Kooperation vorantreiben und den nötigen Technologietransfer durch universitäre Bildung sicherstellen, sagt Karen Smith Stegen, Dozentin an der Jacobs University Bremen und Forscherin am Bremer Energie-Institut. Das Projekt sei in der Lage, die lange vernachlässigte Zusammenarbeit zwischen Afrika, dem Nahen Osten und Europa insgesamt zu stärken, erläuterte Smith Stegen weiter.

Während die Dii-Gesellschaft derzeit mit Regierungen und Konzernen einen Plan entwickelt, wie aus dem mit geschätzten 400 Milliarden Euro teuersten Infrastrukturprojekt aller Zeiten, Realität werden kann, treibt die Desertec-Stiftung den Solarplan in der Zivilgesellschaft vor Ort voran. Zu den Gründungsmitgliedern des Universitätsnetzes zählen die Universitäten von Kairo in Ägypten, Amman in Jordanien, die Université des Sciences et de la Technologie d'Oran im Norden Algeriens, die Al-Fateh-Universität in Tripolis, Libyen, die Ecole Nationale d'Ingenieurs in Tunesiens Hauptstadt Tunis und mehrere Einrichtungen in Marokko, darunter die Ecole Nationale Supérieure d'Electricité in Casablanca. Für Deutschland nimmt die Bremer Jacobs University teil.

Die Pläne der Desertec-Initiative sind ehrgeizig. Sie will bis zum Jahr 2050 rund 15 Prozent des europäischen Stroms mit regenerativen Energien aus den Wüsten Nordafrikas decken. Schon in wenigen Jahren soll der Bau der ersten Kraftwerke beginnen. Bereits 2015 könnte der erste Strom fließen. Als wichtigstes Hindernis gilt neben der kostspieligen Finanzierung, dass in vielen Ländern Nordafrikas weder technologisches Know-how für den Aufbau moderner Stromnetze und Kraftwerke noch politische und juristische Rahmenbedingungen für die Integration erneuerbarer Energien existieren.

Das Interesse am Bildungsnetz sei groß, heißt es bei deutschen Mitgliedern der Desertec-Stiftung. Viele Regierungen in Nordafrika haben die Energieversorgung als Achillesferse des Wirtschaftswachstums erkannt. Hohes Wachstum wie in Marokko geht mit stark steigendem Energieverbrauch einher. Dem ist die Infrastruktur vieler Länder nicht gewachsen. Trotz rekordverdächtiger Sonnenstunden ist die Region Spätstarter bei der Nutzung von Solarenergie. Oft liegt der Anteil erneuerbarer Energien am Strommix bei unter einem Prozent.

Erster Standort: Marokko

Das sogenannte Desertec University Network (DUN) soll das ändern und in ersten Schritten Trainingsprogramme schaffen und den Austausch mit europäischen Experten und Studenten fördern, internationale Konferenzen und Seminare organisieren und lokale Regierungen sensibilisieren. Ziel sei es, den Aufbau von Unternehmen zu fördern, die den Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben könnten, so Gerhard Knies, Mitgründer der Stiftung. Auch der Aufbau gemeinsamer Forschungszentren sei möglich, heißt es weiter.

"Das Desertec University Network ist eine sehr wertvolle Initiative, weil es den Grundstein für eine Industriekultur im Bereich erneuerbare Energien legt", sagt Desertec-Chef Paul van Son der SZ. Es gehe bei Desertec schließlich nicht nur um Energieerzeugung und -verteilung, sondern auch um Wissenstransfer und den Aufbau von Industrien vor Ort. Die Initiative agiert zunächst unter dem Dach des tunesischen Bildungs- und Forschungsministeriums in Tunis. In den nächsten Monaten wollen die Gründungsmitglieder über den finalen Sitz entscheiden. Geleitet wird sie von Mouldi Miled, dem Chef des tunesischen Technologieunternehmens Ulysoft.

Der Wüstenstrominitiative kommt beim Umbau der internationalen Energiewirtschaft eine Schlüsselrolle zu. Wind und die direkte Umwandlung der Sonnenstrahlen in Strom (Photovoltaik) sollen zwar große Beiträge leisten. Sonnen- oder windschwache Phasen könnten Solarkraftwerke in Afrika ausgleichen. Die Desertec-Initiative konzentriert sich auf Wüsten, weil sich Solarkraftwerke nur in Regionen mit sehr starker Sonneneinstrahlung lohnen. Die Anlagen sollen vor allem in Nordafrika und der arabischen Halbinsel entstehen. Als Standort der ersten Projekte peilt die Initiative Marokko an.

© SZ vom 08.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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