Energie - Potsdam:Woidke warnt vor vorgezogenem Kohleausstieg

Brandenburg
Dietmar Woidke (SPD), Ministerpräsident von Brandenburg, spricht. Foto: Soeren Stache/dpa-Zentralbild/dpa (Foto: dpa)

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Potsdam (dpa/bb) - Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hält die Forderung nach einem vorgezogenen Kohleausstieg für ein Risiko für die Energiesicherheit. "Einige versuchen, hier eine schnelle Ausstiegsstimmung zu erzeugen, verschweigen aber, dass wir noch weit davon entfernt sind, eine Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen für ganz Deutschland sicherstellen zu können", sagte Woidke der Deutschen Presse-Agentur in Potsdam. "Die Frage heißt nicht Kohleausstieg 2038 oder 2035, sondern muss heißen: Wie schnell können wir so viel Strom aus erneuerbaren Energien erzeugen, wie wir verbrauchen?"

Deutschland will bis spätestens im Jahr 2038 schrittweise aus der Kohle aussteigen, möglich ist es nach mehreren Prüfschritten schon 2035. Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock tritt für einen Kohleausstieg bereits bis 2030 ein, während SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz sich gegen ein Vorziehen auf 2030 ausspricht, aber Spielraum für ein Ende vor 2038 sieht. Der Druck steigt auf die Politik, auf den Klimawandel zu reagieren. Die Initiative Fridays for Future ruft für diesen Freitag zum Klimastreik auf. Die Lausitz in Brandenburg und Sachsen ist stark vom geplanten Ausstieg aus der Braunkohle betroffen.

Die Grünen in Brandenburg warfen der SPD "wohlklingende Versprechungen" beim Klimaschutz vor, denen keine konkreten Tagen folgten. "Das Erreichen der Klimaziele und ein später Kohleausstieg 2038 passen vorne und hinten nicht zusammen", sagte Landeschefin Julia Schmidt. Woidkes Bedenken zur Versorgungssicherheit nannte sie einen Versuch, die Debatte umzudeuten, "um vom Versagen der eigenen Partei abzulenken". "Erneuerbare Energien sichern bereits heute fast 50 Prozent unserer Stromversorgung und wir haben noch viel Potenzial nach oben", sagte Schmidt.

Der Regierungschef verwies auf den steigenden Bedarf von Öko-Energien in der Industrie und für die Elektromobilität. "Die Braunkohle ist deshalb zwangsläufig im deutschen Energiemix nach wie vor wichtig, jetzt und in den kommenden Jahren - auch weil andere Bundesländer längst nicht so weit sind beim Ausbau der erneuerbaren Energien", sagte Woidke. "Wir sind nach wie vor eines der wenigen Bundesländer, die sich theoretisch mit erneuerbaren Energien vollständig selbst versorgen könnten. Brandenburg ist hier Vorreiter." Er sieht die Öko-Energien als Anreiz für Investitionen und verweist unter anderem auf US-Elektroautobauer Tesla, der sich in Grünheide ansiedeln will.

Woidke forderte, das Erneuerbare-Energien-Gesetz abzuschaffen. Mit der EEG-Umlage wird der Ausbau der Öko-Energien finanziert. "Brandenburg bietet erneuerbare Energien für Unternehmen, die klimaneutral produzieren wollen. Das ist unsere Zukunft", sagte er. Damit das funktioniere, seien neue Stellschrauben notwendig: "Das EEG muss fallen und die direkte Nutzung von Wind- und Solarkraft für Unternehmen muss endlich möglich werden." Nötig sei eine lokale Erzeugung und lokale Nutzung. "Bisher können erneuerbare Energien nicht dezentral genutzt werden. Das halte ich für falsch."

Ein Vorziehen des Kohleausstiegs lehnt Woidke neben der Frage der Energiesicherheit auch aus einem anderen Grund ab: "Der Kohle-Kompromiss von 2019, den der Bund genauso unterschrieben hat wie die Bergarbeitergewerkschaft, ist ein sehr gutes Beispiel, wie große gesellschaftliche Konflikte gelöst werden können", sagte der SPD-Politiker. "Was mich ärgert, ist, dass ihn manche nach kurzer Zeit schon wieder infrage stellen. Das zerstört Vertrauen in die Politik." Nach dem Kompromiss einer Kommission von 2019 besiegelten Bundestag und Bundesrat den Ausstieg im vergangenen Jahr per Gesetz.

© dpa-infocom, dpa:210922-99-309289/3

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