Energie - Laatzen:VCI: Nord-Häfen sollen Zentren für Wasserstoff-Import werden

Deutschland
Großer Wasserstoffspeicher auf dem Gelände eines Hybridkraftwerks. Foto: Monika Skolimowska/zb/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Laatzen (dpa) - Die norddeutsche Chemieindustrie dringt auf einen schnellen Ausbau der Hafeninfrastruktur zur Einfuhr von Wasserstoff. "Aufgrund der riesengroßen Bedarfe an grünem Wasserstoff brauchen wir neben der forcierten Weiterentwicklung unseres Heimatmarktes dringend deutsche Importterminals", sagte der Landesvorsitzende des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), Detlev Wösten, am Montag in Laatzen bei Hannover. Die norddeutschen Häfen seien dafür wegen ihrer Erfahrung bei der Entladung von Gasen und vorhandener Pipelines ideale Standorte. Sowohl im niederländischen Rotterdam als auch im belgischen Antwerpen seien entsprechende Projekte schon angeschoben worden, der Handlungsdruck sei daher enorm, sagte Wösten.

Die Bundesregierung hatte sich vor knapp drei Wochen auf eine nationale Wasserstoffstrategie verständigt. Diese sieht zusätzlich zu laufenden Förderprogrammen sieben Milliarden Euro dafür vor, dass sich die Technologie am Markt durchsetzt, und weitere zwei Milliarden Euro für internationale Partnerschaften. Bis 2030 sollen Anlagen zur Produktion von bis zu 14 Terawattstunden grünen Wasserstoffs aus erneuerbaren Energien in Deutschland entstehen. Der nationale Bedarf wird allerdings auf 90 bis 110 Terawattstunden geschätzt.

Das bedeutet: Stellt die Industrie auf Wasserstoff um, um klimafreundlicher zu produzieren als bisher, wird sie einen großen Teil aus dem Ausland importieren müssen - selbst wenn der Ausbau etwa der Windkraft hierzulande wieder an Fahrt gewinnen sollte. Stahlwerke und Raffinerien auch in Norddeutschland bräuchten Wasserstoff "in Riesenmengen, nicht in Apothekenmengen", betonte der Geschäftsführer des VCI Nord, Jochen Wilkens. "Wasserstoff ist das neue Erdgas und Erdöl der Zukunft." Es brauche daher ein europäisches Verbundnetz.

"Norddeutschland ist in der Pole Position. Wir haben eine super Ausgangsposition. Aber wir müssen auf unsere Wettbewerber gucken, das sind Rotterdam und Antwerpen", sagte Wilkens. So wolle Rotterdam bis 2050 rund 20 Millionen Tonnen Wasserstoff jährlich importieren, das entspreche annähernd dem künftigen jährlichen Bedarf von ganz Deutschland. In Norddeutschland seien Hamburg, Brunsbüttel, Wilhelmshaven und Stade geeignete Standorte für Import-Terminals.

Die Landesregierungen in Norddeutschland sind gewillt, diese Chancen zu nutzen. In Niedersachsen etwa gab es nach der Veröffentlichung der nationalen Wasserstoffstrategie geradezu euphorische Reaktionen. Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) freute sich auf "erhebliche Wertschöpfung und Arbeitsplätze" und sprach von der "Energie der Zukunft". Für Energieminister Olaf Lies (SPD) ist Niedersachsen sogar das "Wasserstoffland Nummer eins".

Die Vision: In Industrie und Verkehr soll grüner Wasserstoff die bisherigen Energieträger Kohle, Öl und Erdgas verdrängen - und so die CO2-Bilanz Deutschlands aufhübschen.

Diese Chancen sieht auch die Chemieindustrie. Der VCI wirbt für ein ganzheitliches Verständnis der Klimawende, über Strom und neue Autoantriebe hinaus. Noch wichtiger sei die Umstellung der Grundstoffindustrie, damit zum Beispiel die Reifen für das E-Auto klimafreundlicher hergestellt werden können. "Wenn wir es schaffen, die Rohstoffe und Bauteile CO2-neutral zu machen, dann hat das einen viel größeren Wert für den Klimaschutz, als wenn man das Geschenkband grün macht", sagte Vize-Geschäftsführerin Renate Klingenberg.

Doch die Zeit drängt. So sagte Wilkens mit Blick auf die bisherigen Bemühungen, die Infrastruktur in Deutschland aufzubauen: "Das ist nicht die Geschwindigkeit, mit der Rotterdam vorgeht."

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