Rein zeitlich betrachtet war es eine Punktlandung. Am Samstag, als die Vorverhandlungen für den Weltklimagipfel, der Ende November in Paris beginnt, gerade beendet worden waren, verkündeten deutsche Energiewirtschaft und Bundesfinanzministerium ihren Beitrag zum Klimaschutz. Die hiesigen Energieerzeuger, die europaweit einige der ältesten und schmutzigsten Braunkohlekraftwerke betreiben, erklärten sich bereit, von nächstem Jahr an schrittweise etwa 13 Prozent der als unökologisch geltenden Braunkohlemeiler vom Netz zu nehmen. Damit sie das tun, werden sie mehr als sieben Jahre lang mit 230 Millionen Euro jährlich an Steuergeldern entschädigt.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sprach von einem guten Kompromiss. Das Tauschgeschäft sei wichtig, "um unsere Klimaziele zu erreichen und zugleich sicherzustellen, dass es in den betroffenen Regionen nicht zu Strukturbrüchen kommt". Oppositionsparteien und Naturschützer sahen die Angelegenheit naturgemäß anders und kritisierten die zugesagte Entschädigung als Abschaltprämie und versteckte Subvention für die Kraftwerksbetreiber.
Die Einigung des Bundeswirtschaftsministeriums mit den Energiekonzernen RWE, Vattenfall und Mibrag sieht vor, dass die Firmen von 2016 bis 2019 mehrere Kraftwerksblöcke im rheinischen Braunkohlerevier und in der Lausitz vom Netz nehmen. Allerdings heißt das noch nicht, dass sie für immer abgeschaltet sind. Der Vereinbarung zufolge sollen die Blöcke als letzte Absicherung zur Stromversorgung vorgehalten werden - und zwar jeweils vier Jahre lang.
Nationale Klimaschutzziele drohen zu scheitern
Für die Steuerzahler wird der Deal teuer. Nicht nur, dass die Konzerne fast über einen doppelt so langen Zeitraum, in dem sie die Blöcke vorhalten, staatlich entschädigt werden. Der Verbraucher zahlt zudem noch über steigende Netzentgelte drauf: Das Entgelt zur Netznutzung wird 0,05 Cent pro Kilowattstunde teurer, was die Strompreise leicht steigen lassen dürfte.
Immerhin, die Bilanz für das Klima fällt positiv aus: Die stillzulegenden Blöcke haben insgesamt eine Kapazität von 2,7 Gigawatt. Werden sie abgeschaltet, ergibt sich rein rechnerisch eine Reduzierung der klimaschädlichen Emissionen von Kohlendioxid (CO₂) zwischen elf und 12,5 Millionen Tonnen jährlich.
Eine Minderung, die nötig sei, "um unsere nationalen Klimaziele zu erreichen", wie Gabriels Wirtschaftsministerium in einer Erklärung mitteilen lässt. Deutschland hat sich verpflichtet, seine Emissionen an CO₂ bis 2020 um 40 Prozent zu reduzieren, verglichen mit den Emissionen von 1990. Im Mai war eine Studie des Bundesverbandes Erneuerbare Energien bekannt geworden, wonach die Verfehlung des Klimaziels drohte. Demnach war Ende vergangenen Jahres erst eine Reduktion des Ausstoßes von CO₂ um 27 Prozent erreicht. Ohne zusätzliche Aktionen, so warnten die Autoren der Studie, werde das 40-Prozent-Ziel für 2020 deutlich verfehlt - und zwar um sieben Prozentpunkte.