Süddeutsche Zeitung

Energie:Kohle für den guten Zweck

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Energie-Unternehmen wie RWE, Eon, Vattenfall und Shell haben über Jahre hinweg die Geologen des Bundes für sich forschen lassen. Mehr als eine halbe Million Euro ist seither für entsprechende Personalausgaben geflossen.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Auf die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) hält das Wirtschaftsministerium große Stücke. Wenn es um Expertise über den deutschen Untergrund geht, greift die Bundesregierung gerne auf die Behörde in Hannover zurück: Allein zehn Mal findet sie Erwähnung im Gesetz zur unterirdischen Speicherung von Kohlendioxid. Wenn es darum geht, Potenziale zu eruieren oder Sicherheitsnachweise zu überprüfen, kommt sie zum Zug. Kein Wunder: Bei der umstrittenen CCS-Technologie macht der Bundesanstalt keiner was vor, lang genug hat sie zu dem Thema geforscht. Und das auch mit Mitteln jener Unternehmen, die am stärksten an der Einführung der CO₂-Speicherung interessiert waren.

Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, WDR und NDR haben Unternehmen wie RWE, Eon, Vattenfall und Shell über Jahre hinweg Forscher der Bundesanstalt mitfinanziert - für Arbeiten rund um CCS. Mehr als eine halbe Million Euro floss zwischen 2006 und 2013 für entsprechende Personalausgaben. Insgesamt 16 Aufträge warb die BGR in den zurückliegenden 15 Jahren ein - Volumen: 2,1 Millionen Euro allein zur Deckung von Personalkosten.

Die Aufträge werfen erneut ein Licht auf die enge Kooperation zwischen der Industrie und der Bundesbehörde. Schon im Juni hatten SZ, WDR und NDR über die Hans-Joachim-Martini-Stiftung berichtet, einen von Industrieunternehmen gespeisten Topf zur Förderung verdienter BGR-Mitarbeiter. Kurz darauf hatte auch die Staatsanwaltschaft Hannover in der Sache Ermittlungen aufgenommen, sie dauern noch an. Die Stiftung hatte unter anderem Studien gefördert, die den Klimawandel relativierten. Sie existiert heute noch.

CCS, die Abscheidung und Lagerung von Kohlendioxid - vor knapp zehn Jahren gilt das noch als aussichtsreiche Methode, um Kohlekraft und Klimaschutz zu versöhnen. Wenn es später, trotz eines Gesetzes, anders kommen soll, dann wegen erbitterter öffentlicher Widerstände. 2007 startet bei der BGR das "Stability"-Projekt, es soll geologische Bedingungen formulieren, unter denen die tiefe Lagerung von Kohlendioxid gelingen kann. Der Essener RWE-Konzern ist an der Technologie besonders interessiert, er könnte per CO₂-Speicherung die miserable Klimabilanz seiner Braunkohlekraftwerke aufbessern. Er trägt die Kosten zweier Mitarbeiter, die sich bei der BGR mit der Causa befassen, bis Ende 2010. "Warum brauchen wir CCS?" heißt eine Informationsbroschüre der Bundesanstalt. Sie erscheint im Mai 2010.

Eine Grünen-Politikerin spricht von einer "bedenklichen Einseitigkeit"

Der Greenpeace- Experte Karsten Smid ist seinerzeit Teilnehmer eines Workshops für das "Stability"-Projekt. "Die gesamte CCS-Forschung ist von der Industrie unterwandert", sagt er heute. Die nötige Unabhängigkeit habe auch die BGR seinerzeit "sträflich missachtet". Die Grünen-Politikerin Sylvia Kotting-Uhl spricht von einer "bedenklichen Einseitigkeit", mit der sich die BGR auf die Industrie-Interessen eingelassen habe. Die Bundesbehörde selbst weist das weit von sich. "Ausschlaggebend waren jeweils die fachlichen Alleinstellungsmerkmale der BGR", heißt es dort. Auch das Wirtschaftsministerium kann an den Aufträgen nichts finden. Schließlich werde stets darauf geachtet, "dass die Neutralität und die Unabhängigkeit" erhalten bleiben.

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Quelle:
SZ vom 09.09.2016
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