Energie - Köln:Gericht: Räumung von Baumhäusern war rechtswidrig

Braunkohle
Polizisten stehen im Hambacher Forst vor einer Plattfrom zwischen Bäumen. Foto: David Young/dpa/archivbild (Foto: dpa)

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Köln/Kerpen (dpa) - Die Räumung der Baumhäuser im Hambacher Forst im Herbst 2018 durch die Stadt Kerpen ist einem Gerichtsurteil zufolge rechtswidrig gewesen. Das Verwaltungsgericht Köln verkündete am Mittwoch eine entsprechende Entscheidung, nachdem ein einstiger Baumhaus-Bewohner geklagt hatte. Das Gericht urteilte, die damals als Begründung genannten Brandschutz-Bestimmungen seien nur vorgeschoben gewesen. Letztlich habe die Aktion der Entfernung von Braunkohlegegnern aus dem Forst gedient. Das Urteil hat politische Brisanz - die NRW-Landesregierung hatte die Räumung einst angewiesen.

Der Hambacher Forst, der am Rand des Braunkohletagebaus liegt, galt und gilt als Symbol der Auseinandersetzung zwischen Klimaschützern und der Kohlebranche. Im September 2018 rückte ein massives Polizeiaufgebot an, um die über Jahre hinweg von Kohlegegnern in dem Waldstück errichteten Baumhäuser zu räumen. Die Polizisten leisteten sogenannte Vollzugshilfe. Die Landesregierung hatte die Stadt Kerpen und den Kreis Düren zu der Räumung angewiesen - als Grund wurden Sicherheitsmängel genannt. Damals wollte der Energiekonzern RWE im Hambacher Forst noch roden. Inzwischen ist geplant, dass das Waldgebiet erhalten bleibt.

Das Verwaltungsgericht Köln erklärte nun, das NRW-Bauministerium habe die Stadt Kerpen damals gegen deren Willen zu der Aktion angewiesen. Dabei habe die Maßnahme ausdrücklich auf baurechtliche Vorschriften gestützt werden sollen - und nicht etwa auf das Polizei- und Ordnungsrecht oder das Forstrecht. In der Begründung habe das Ministerium unter anderem ausgeführt, dass die Baumhäuser baurechtlich unzulässig seien, weil Bestimmungen des Brandschutzes verletzt würden.

Nach Ansicht des Gerichts hatte die Aktion aber verschiedene rechtliche Mängel. Vor allem sei bei der Weisung des Ministeriums erkennbar, dass es letztlich um die Entfernung der Braunkohlegegner aus dem Waldstück gegangen sei. Das aber sei nicht Zweck der angewandten baurechtlichen Regelungen zum Brandschutz.

Das NRW-Innenministerium kündigte eine genaue Prüfung der schriftlichen Urteilsbegründung an. "Diese Entscheidung überrascht insofern, als dass die gleiche Kammer die baurechtliche Verfügung 2018 intensiv geprüft und für rechtmäßig befunden hatte", sagte ein Sprecher. Nachdem auch das Oberverwaltungsgericht die Räumung 2018 ausdrücklich erlaubt habe, werde es die heutige Entscheidung der Kölner Richter "möglicherweise noch nachprüfen".

Nach Angaben des Gerichts hat die Entscheidung von diesem Mittwoch allerdings keine unmittelbaren Folgen. Das Urteil ist zudem noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können einen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen. Über diesen würde das Oberverwaltungsgericht in Münster entscheiden.

Politisch löste die Entscheidung allerdings postwendend Reaktionen aus. "Auch wenn der Rechtsweg noch nicht ausgeschöpft ist: Diese Landesregierung hat versucht, uns zum Narren zu halten", erklärte Sven Wolf, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion im NRW-Landtag. "Aber nicht nur uns. Auch tausende Polizistinnen und Polizisten wurden für eine rechtswidrige Handlung dieser Landesregierung wider besseres Wissen in den größten Polizeieinsatz des Landes geschickt." Polizeibeamte hätten sich beschimpfen, bepöbeln und bewerfen lassen müssen.

Das Urteil beweise letztlich, dass die Räumung des Waldes vor allem wirtschaftlichen Interessen von RWE gedient habe, argumentierte die NRW-Vorsitzende der Grünen, Mona Neubaur. "Die Argumentation von CDU und FDP, den größten und teuersten Polizeieinsatz der Landesgeschichte aus Brandschutzgründen in Gang zu setzen, fällt damit komplett in sich zusammen." Nicht nur Bauministerin Ina Scharrenbach und Innenminister Herbert Reul müssten sich nun erklären, auch auf Ministerpräsident Armin Laschet (alle CDU) kämen "unangenehme Fragen" zu.

"Jetzt hat die Justiz für Klarheit gesorgt in einem Polit-Skandal, der längst bekannt war", erklärte der Energiepolitiker der Linken im Bundestag, Lorenz Gösta Beutin. Die Linke fordere den Rücktritt von Laschet als Ministerpräsident. Auch Innenminister Reul müsse "sein Handtuch nehmen".

© dpa-infocom, dpa:210908-99-139753/7

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