Energie - Hamburg:Energiewerke drehen Minus in Plus: Weiter steigende Preise

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Hamburg (dpa/lno) - Hamburgs Umweltsenator und Aufsichtsratschef der neuen städtischen Hamburger Energiewerke, Jens Kerstan, hat die Menschen auf weiter massiv steigende Energiepreise eingeschworen. "Mit der nächsten Jahresabschlussrechnung (...) werden harte Belastungen auf die Menschen zukommen, die viele wirklich bis an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit belasten werden", warnte der Grünen-Politiker am Montag bei der Präsentation des ersten Geschäftsberichts der Hamburger Energiewerke. Er gehe davon aus, dass viele Preiserhöhungen von weit über 100 Prozent verkraften müssten.

Wie stark die Preise schon vor dem russischen Angriff auf die Ukraine gestiegen sind, lasse sich auch an der Bilanz der frisch fusionierten städtischen Unternehmen Hamburg Energie und Wärme Hamburg ablesen. So hätten die neuen Hamburger Energiewerke in ihrem ersten Jahr statt eines erwarteten millionenschweren Verlusts 5,9 Millionen Euro Gewinn gemacht, sagte der Sprecher der Geschäftsführung, Christian Heine. "Das ist 30,8 Millionen Euro über Plan." Vor allem das vierte Quartal 2021 habe dem Anbieter von Ökostrom, Biogas und Fernwärme erhebliche Umsatzzuwächse auf insgesamt knapp 779 Millionen Euro gebracht.

Auch Geschäftsführer Michael Prinz geht davon aus, dass die Energiepreise weiter steigen werden. Konkrete Zahlen nannte er jedoch nicht. Das wären nur Spekulationen, da die Preise an der Strombörse derzeit in zweistelligen Prozentbereich schwankten. Umso wichtiger sei es, den Ausbau der erneuerbaren Energien voranzutreiben. Im vergangenen Jahr hätten die Energiewerke insgesamt 160 Projekte mit einer Investitionssumme von knapp 90 Millionen Euro verfolgt.

Kerstan sagte, die Erlöse seien natürlich erfreulich. "Aber man muss auch ganz hart und böse sagen, das ist einfach dreckiger Kohlestrom, mit dem wir uns im Moment dumm und dusselig verdienen", sagte er mit Blick auf die beiden vor allem für die Fernwärme noch relevanten Kohlekraftwerke Wedel und Tiefstack. Das wolle der Senat den Bürgerinnen und Bürgern etwa über neue Beratungsangebote zurückgeben. Sie sollten selbst möglichst rasch aus den fossilen Energien aussteigen können, "damit sie dann in Zukunft solche irren Preissteigerungen nicht mehr verkraften müssen".

Das Kohlekraftwerk Wedel soll 2025 abgeschaltet und am Standort Dradenau durch eine Gas- und Dampfturbinen-Anlage in Kombination mit klimaneutralen Wärmequellen ersetzt werden. Tiefstack wiederum soll spätestens 2030 abgeschaltet werden. Danach soll unter anderem mit Abwärme aus Industrie und Müllverbrennung sowie mit Flusswärmepumpen klimaneutral Energie gewonnen werden.

Kerstan begrüßte Überlegungen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Kohlekraftwerke im Sinne der Versorgungssicherheit weiterlaufen zu lassen - das gelte jedoch nicht für das bereits stillgelegte Steinkohlekraftwerk Moorburg im Hafen, wo künftig grüner Wasserstoff produziert werden soll. Das Kraftwerk könne auch gar nicht mehr reaktiviert werden, weil die Belegschaft nicht mehr da sei und die Abbrucharbeiten schon liefen. "Das Kapitel ist jetzt einfach vorbei", sagte Kerstan. Gleichzeitig erinnerte er daran, dass die Entscheidung für das Ende des Kraftwerks Moorburg allein von Vattenfall getroffen worden sei.

Zugewandt zeigte sich Kerstan dagegen bei der Idee eines temporären Flüssiggas-Terminals (LNG) im Hafen. "Wir glauben, dass wir Ende Juli grob sagen können, ob es geht oder nicht." Der Standort an sich sei gut geeignet, weil nur etwa 300 Meter Leitungen gebaut werden müssten. Es könnten am Ende aber doch noch unüberwindbare Hindernisse auftauchen. Dem Vernehmen nach geht es dabei vor allem um die Sicherheit und die Beeinträchtigung des übrigen Hafens. "Alle Ergebnisse der Prüfungen, die wir jetzt machen, werden im Detail im Oktober vorliegen", sagte Kerstan. Dann könne endgültig entschieden werden.

Geschäftsführer Heine sagte, derzeit würden die Standorte Moorburg und Kattwyk-Hafen geprüft. Sollte einer der beiden tatsächlich ausgewählt werden, könnte das erste Flüssiggas im ersten Quartal 2023 gelöscht werden. Er betonte, das Terminal solle maximal zwei bis drei Jahre in Betrieb sein. "Es geht darum, in einer Notsituation eine Gasmangellage abzudecken", sagte Heine.

© dpa-infocom, dpa:220619-99-721967/4

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