Erdgasversorgung:Industrie in Sorge

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Ein Blick in den Steamcracker bei BASF. Die Chemieindustrie braucht Erdgas als Energieträger und Rohstoff. (Foto: Yan de Andres/PR)

Viele Unternehmen beobachten angespannt, wie Russland immer weniger Gas liefert. Nun versuchen sie, sich darauf einzustellen.

Von Elisabeth Dostert, München

Dass das Gas ausbleibt, davor fürchten sich alle: Verbraucher genauso wie Konzerne und Mittelständler. Die Sorgen sind in den vergangenen Tagen noch größer geworden, weil Russland die Gaslieferungen gedrosselt hat. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will nun Maßnahmen ergreifen, um Gas zu sparen. Der Verbrauch im Strombereich und in der Industrie solle gesenkt und die Speicher schneller gefüllt werden, kündigte der Minister am Wochenende an.

Seit Monaten warnen Unternehmen und ihre Lobbyisten vor einem Gasembargo gegen Russland wegen des Angriffskrieges in der Ukraine. Das gibt es bislang nicht - aber wenn Russland die Lieferungen drosselt, ist die Wirkung ähnlich: Es fehlt Gas.

Die zögerliche Umsetzung eines "halbherzigen Ölembargos" gebe Russland trotz rückläufiger Einnahmen die Möglichkeit, den Westen unter Druck zu setzen, kommentierte Karl Haeusgen, Präsident des Maschinenbauverbandes VDMA, am Sonntag die jüngsten Entwicklungen. "Wir bewegen uns auf eine sehr schwierige Lage zu." Deshalb sei es richtig, jetzt einen geringeren Gasverbrauch zu organisieren, "besonders unterstützen wir das Vorhaben, einen reduzierten Gasverbrauch in der Industrie durch Ausschreibungen anzureizen. Dies steuert die Reduzierung dorthin, wo der geringste Schaden entsteht", so Haeusgen.

Nach den Plänen Habecks soll ein solches Auktions-Modell noch im Sommer starten. Es ist für den Fall von Lieferengpässen gedacht und soll so laufen: Wenn Industriekunden auf vereinbarte Liefermengen verzichten, werden diese vom sogenannten Marktgebietsverantwortlichen, der Firma Trading Hub Europe, zurückgekauft - innerhalb einer Preisspanne, die mit der Bundesnetzagentur festgelegt wird. Mit dem Gas könnten dann zum Beispiel Speicher aufgefüllt werden. "Alles, was wir weniger verbrauchen, hilft. Hier ist die Industrie ein Schlüsselfaktor", sagte Habeck.

Wirkungsvoll, aber sehr sensibel sei der mögliche Eingriff in die Stromerzeugung, sagte Haeusgen weiter. Kurzfristig könne mehr Kohlestrom aus Reservekraftwerken zwar helfen, "dabei dürfen aber die Klima-Transformationsziele nicht aus den Augen verloren werden." Dazu gehörten Investitionen in Wasserstoff-fähige Reservekraftwerke und ein deutlich schnellerer Ausbau der erneuerbaren Energien. Ebenso wie die Stromerzeugung müsse auch die Wärmeproduktion in der Industrie so lange wie möglich gesichert bleiben, deshalb seien Gaskraftwerke in der Kraft-Wärme-Kopplung gesondert zu betrachten.

Die Chemie-Industrie ist der größte Gas-Verbraucher im Land

"Das Thema Gaslieferungen aus Russland macht uns Sorge", heißt es auch bei Wacker Chemie. Der Konzern arbeite schon seit einiger Zeit an "verschiedenen Szenarien mit weniger Gas in der Produktion auszukommen." Die Versorgung sei bei hohen Preisen gesichert. Bei Rohstoffen und Energie rechnet der Konzern in diesem Jahr mit Mehrkosten von rund 1,1 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr.

BASF wollte die geplanten Maßnahmen am Sonntag noch nicht kommentieren. Man sei über den Branchenverband VCI im laufenden Austausch mit dem Wirtschaftsministerium über die Einsparmöglichkeiten beim Einsatz von Erdgas, sagte eine Sprecherin. Die Chemie-Industrie gilt als besonders energieintensiv, braucht Erdgas aber auch als Rohstoff.

Deutschland müsse jetzt "zügig und pragmatisch" alle Möglichkeiten nutzen, Gas da einzusparen, wo es ersetzbar ist, sagte VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup. Vor allem beim Umstieg der Stromgewinnung von Gas auf Kohle müssten umgehend alle Kapazitäten unterschiedslos genutzt werden können. Große Entrup begrüßte die von Habeck angekündigten Gas-Auktionen als "marktwirtschaftliches Instrument".

Nach Einschätzung des Verbands führt die weitere Drosselung der Gaslieferungen aus Russland über die Pipeline Nord Stream 1 noch nicht zu akuten Versorgungsproblemen in der chemisch-pharmazeutischen Industrie. Mit einem Anteil von 15 Prozent sei die Branche der größte Verbraucher von Erdgas in Deutschland. Die Firmen benötigen rund 135 Terawattstunden Gas im Jahr, 100 davon als Energieträger. Durch den Einsatz alternativer Brennstoffe könnten nur ein bis zwei Terawattstunden gespart werden.

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