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Energie:Datteln 4 am Netz, Aktivistin: "Zum Stillstand bringen"

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Datteln (dpa/lnw) - Das Kraftwerk Datteln 4 im nördlichen Ruhrgebiet ist nun offiziell am Netz - und das löst weiterhin starke Proteste von Klimaaktivisten aus. "Es ist ein postfaktisches Kraftwerk, alle Fakten sprechen dagegen", sagte Luisa Neubauer von Fridays for Future. Es sei eine Provokation, den Kohleausstieg mit einem neuen Kohlekraftwerk einzuleiten. Datteln 4 müsse wieder vom Netz gehen und das deutlich vor 2037. Am Samstag demonstrierten Hunderte Aktivisten zum Start des Betriebes von Datteln 4 weitgehend friedlich.

Neben Anhängern von Fridays for Future waren auch zahlreiche Anhänger von Greenpeace, Ende Gelände und dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) vor Ort. Bereits in der Nacht zum Samstag hatten Aktivisten das Kraftwerk mit Schriftzügen wie "Klimakrise made in Germany" angestrahlt. "Wir richten beste Grüße an die offensichtlich inkompetente Regierung", sagte die Klimaaktivistin Neubauer. "Wir werden dieses Kraftwerk verhindern, wir werden es zum Stillstand bringen, wir werden diesen Konflikt gewinnen."

Unter den Protestierenden waren auch ehemalige Bergleute. "Wir kritisieren, dass der Steinkohlebergbau in Deutschland eingestellt und den Arbeitern gekündigt wurde, nun aber Kohle aus dem Ausland importiert wird, um Datteln 4 zu betreiben", sagte Sebastian Suszka, selbst ehemaliges Betriebsratsmitglied.

Nach Angaben der Polizei vom Sonntag verliefen die stundenlangen Proteste an zehn Orten rund um das Kraftwerk "friedlich und weitestgehend störungsfrei". Die Beamten berichteten von kleineren Zwischenfällen: So habe es vier Ordnungswidrigkeitenanzeigen wegen wildem Plakatieren gegeben. Zudem seien drei Anzeigen wegen Verstößen gegen das Vermummungsverbot erstattet worden und von zwei weiteren Protestteilnehmern die Personalien aufgenommen worden, weil sie die Polizei behindert hätten. "Alle fünf Personen konnten nach Abschluss der Maßnahmen weiter an der Versammlung teilnehmen", hieß es. Auch seien gegen zwei Aktivisten Platzverweise ausgesprochen worden. Sie hätten sich von einer Brücke über den Rhein-Herne-Kanal abgeseilt und ein Plakat angebracht.

Nach Angaben des Linken-Klimapolitikers und Bundestagsabgeordneten Lorenz Gösta Beutin ging die Polizei teils ohne Warnung und "sehr brutal" vor. Den Vorwurf, es habe Verstöße gegen das Vermummungsverbot gegeben, bezeichnete er als "absurd".

Der Beginn des kommerziellen Betriebs des Kraftwerks war nur ein formaler Schritt. Das Kraftwerk hat im Probebetrieb bereits in den vergangenen Monaten erhebliche Mengen Strom ins Netz eingespeist.

Auch die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg meldete sich dazu via Twitter zu Wort. "Heute ist ein beschämender Tag für Europa, da wir ein brandneues Kohlekraftwerk eröffnen. Wir haben uns verpflichtet, den Weg zu ebnen, um eine Klimakatastrophe zu vermeiden - und doch ist dies das Signal, das wir an den Rest der Welt senden? (...)", schrieb die Schwedin.

Das von Uniper betriebene Steinkohlekraftwerk Datteln 4 im nördlichen Ruhrgebiet ist zum Symbol der Auseinandersetzung um die Energie- und Umweltpolitik in Deutschland geworden. Die von der Bundesregierung eingesetzte Kohlekommission hatte empfohlen, für bereits gebaute aber noch nicht im Betrieb befindliche Kraftwerke eine Verhandlungslösung zu suchen, um sie nicht in Betrieb zu nehmen. Die Umweltverbände sehen deshalb im Ja der Bundesregierung zu Datteln 4 einen Verstoß gegen die Beschlüsse der Kommission.

Bundesregierung und NRW-Landesregierung betonen, dass im Gegenzug für Datteln 4 ältere Steinkohlekraftwerke abgeschaltet werden. Dadurch würden die zusätzlichen Kohlendioxid-Emissionen von Datteln 4 kompensiert.

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