Dekarbonisierung und Börse:Rebellion bei Enel

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In Catania auf Sizilien stellt der Energiekonzern Enel Solarmodule her. (Foto: Antonio Parrinello/Reuters)

Im Streit um die Besetzung von Top-Posten beim italienischen Energiekonzern begehren nun die internationalen Anleger auf. Sie fürchten eine Abkehr vom grünen Kurs Enels.

Von Ulrike Sauer, Rom

Ein halbes Jahr ist Giorgia Meloni nun in Italien an der Regierung. Ihr Machtwille ist so unbändig wie am ersten Tag. Natürlich wollte die schneidige Parteichefin der rechtsnationalistischen Fratelli d'Italia auch die Neubesetzung der Chefposten in den fünf wichtigsten italienischen Konzernen mit maßgeblicher Staatsbeteiligung im Alleingang entscheiden. Sie lasse sich von niemanden reinreden, ließ sie im Februar ihre Koalitionspartner wissen.

Beim Energiekonzern Enel ist sie mit diesem Kurs nun allerdings gescheitert. Nach wochenlangem, heftigem Koalitionsgerangel passierte im April etwas Unerwartetes: Ausgerechnet bei Italiens wertvollstem Börsenkonzern musste Meloni einlenken und ihre beiden Juniorpartner gewähren lassen. Die Regierung handelte sich damit großen Ärger ein: Wenn sich das designierte Spitzenduo am Mittwoch auf der Hauptversammlung in Rom den Enel-Aktionären zur Wahl stellt, steht eine Kampfabstimmung zwischen dem italienischen Finanzministerium, das noch mit 23,6 Prozent am früheren Monopolisten beteiligt ist, und rebellischen Anlegern aus dem Ausland bevor. Erlebt hat man eine solche Machtprobe mit Minderheitsaktionären in Italien noch nie.

Schon am Tag der Kandidatenkür war die Regierung an der Mailänder Börse durchgefallen. Der Aktienkurs von Enel verlor mehr als vier Prozent. Am Finanzmarkt befürchtet man, dass in Rom nun eine weniger grüne Ära anbricht. Der scheidende Enel-Chef Francesco Starace hat seit 2014 sehr erfolgreich die Energiewende des Konzerns vorangetrieben. Knapp 60 Prozent des Stroms gewinnt Enel heute in 30 Ländern bereits aus erneuerbaren Quellen. Schon 2025 soll der grüne Anteil auf 75 Prozent steigen.

Postenschacher statt Klimaschutz?

Staraces Devise lautete: "Das ist nicht nur eine gute Sache, es lohnt sich auch finanziell." Enel galt weltweit als interessante Anlage, Starace war bei den institutionellen Anlegern, die 56,7 Prozent der Anteile kontrollieren, sehr beliebt. Der Börsenwert stieg kräftig.

Nun aber bietet die neue Konzernführung den Investoren keine Gewähr, dass der Kurs in Rom fortgesetzt wird.

Vier Tage nach der Regierungsentscheidung betrat in London ein weithin unbekannter Litauer namens Zach Mecelis die Szene. Er ist Chef des Hedgefonds Covalis Capital mit Sitz auf den Cayman-Inseln. Mecelis nahm kein Blatt vor den Mund. Die internationalen Investoren, die Mitarbeiter und die Tochterunternehmen Enels hätten etwas Besseres verdient als die von den römischen Politikern präsentierte Kandidatenliste für den Verwaltungsrat, griff er Melonis Regierung frontal an. Der Covalis-Chef findet die undurchsichtigen Entscheidungen in Rom, in denen die politischen Beziehungen den Vorrang vor der Konzernstrategie und den Interessen der Aktionäre gehabt hätten, inakzeptabel. "Ich möchte, dass dieser toxische Prozess aufhört", sagte er. Covalis hält drei Prozent der Enel-Anteile und ist seit 2004 an dem Stromversorger beteiligt.

Im Visier von Mecelis steht Paolo Scaroni, der am Mittwoch von den Aktionären zum Präsidenten des Verwaltungsrats gewählt werden soll. Der 76-Jährige ist für seine enge Beziehung zu Silvio Berlusconi bekannt. Er war zwischen 2002 und 2005 bereits Konzernchef bei Enel, vor allem aber war Scaroni von 2005 bis 2014 Chef des italienischen Öl- und Gaskonzerns Eni. Den hat er in dieser Zeit auf einen stramm pro-russischen Kurs gebracht. Die enge Verbindung zu Moskau war während der vier Berlusconi-Regierungen der Dreh- und Angelpunkt der römischen Außenpolitik. Der greise Altpremier rückte auch nach dem Überfall auf die Ukraine nicht von seinem Freund Putin ab. Beim Postenschacher mit Meloni setzte nun seine Partei Forza Italia Scaroni durch.

Ihn dürfte es freuen: Paolo Scaroni wird Aufsichtsratschef des italienischen Energiekonzerns Enel. (Foto: Imago)

Wie hatte sich die Regierung das wohl vorgestellt? Erwartete sie tatsächlich, dass die internationalen Anleger Scaroni gleichgültig hinnehmen würden? Und die amerikanischen Verbündeten Italiens?

Italien ist hoch verschuldet und die Regierung angewiesen auf Investoren

Die Irritation auf der anderen Seite des Atlantiks ist unüberhörbar. "Die Ernennung Scaronis ist keine kluge Entscheidung der italienischen Regierung, denn er war bei Eni der Architekt einer auf russischen Lieferungen basierenden Strategie", sagte der amerikanische Energieexperte Alan Riley vom Atlantic Council Global Energy Center in einem italienischen Zeitungsinterview. Scaroni gewährleiste heute nicht die notwendige Einstellung für die Diversifizierung der Energiequellen.

Während der Aktionärsberater ISS der Regierung und ihrem Kandidaten Scaroni den Rücken stärkt, sprach sich der Konkurrent Glass Lewis für den von Covalis vorgeschlagenen Gegenkandidaten Marco Mazzucchelli aus. Der 60-jährige Manager mit einer langen Karriere in italienischen und internationalen Banken könne besser eine unabhängige Aufsicht garantieren und ein Gegengewicht zum Konzernchef im Verwaltungsrat bilden, schreibt Glass Lewis. Am Freitag kündigte auch der norwegische Öl-Staatsfonds Norges an, dass seine Wahl auf Mazzucchelli fallen wird.

Hinzu kommt: Als Nachfolger des beliebten Enel-Chefs Starace setzte Melonis Koalitionspartner Lega den vielfach bewährten Manager Flavio Cattaneo durch. Die rechtspopulistische Partei von Matteo Salvini hat die Strategie Staraces nie geschätzt: Weder der forsche Ausbau der erneuerbaren Energien noch die starke Auslandsexpansion passt der Lega ins Konzept.

Es ist unwahrscheinlich, dass die Anleger-Rebellen Meloni am Mittwoch eine Niederlage zufügen können. Doch die Investoren an den Finanzmärkten gegen sich aufzubringen, ist keine kluge Idee, wenn man ein Land mit 2700 Milliarden Euro Schulden regiert. 2023 muss Rom in Zeiten steigender Zinsen 249 Milliarden Euro Staatsanleihen refinanzieren. Die Ratingagentur Moody's wird am 19. Mai die Kreditwürdigkeit Italiens neu bewerten. Und die Bonität des Euro-Landes liegt nur eine Stufe über dem berüchtigten Ramsch-Status.

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