Im Visier der Staatsanwälte:Ein Russe macht EnBW Sorgen

Der EnBW-Konzern pflegt gute Kontakte zu Russland - doch nun könnte ihm das Verhältnis zum Verhängnis werden: Die Justiz interessiert sich für dubiose Zahlungen des Energiekonzerns an einen russischen Geschäftsmann.

Max Hägler und Uwe Ritzer

11. April 2005. Ein guter Tag für den Energieriesen EnBW und für seinen Chef. Utz Claassen pflegte am Firmenstand auf der Hannover Messe seine guten Kontakte zu Russland. Doch das Verhältnis könnte ihm und der EnBW jetzt zum Verhängnis werden - die Justiz hat Vorermittlungen wegen womöglich illegaler Geschäfte eingeleitet. Wenn sich Indizien verdichten sollten, könnte gegen Claassen ein formelles Ermittlungsverfahren wegen Untreue, Steuerhinterziehung und Korruption eingeleitet werden, erklärt die Staatsanwaltschaft Mannheim.

An diesem Apriltag 2005 war von Ärger keine Spur. Russlands Präsident Wladimir Putin und der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder schauten bei Claassen vorbei. "Hier bei EnBW befinden Sie sich unter Freunden", sagte der Manager. Was wohl stimmte. Einige Monate später ehrte der russische Botschafter den Deutschen mit dem Kreuz des Ordens des Heiligen Nikolaus - als ersten Ausländer überhaupt. In seiner Dankesrede vor Abgeordneten der Duma und Industrievertretern lobhudelte Claassen in der russischen Botschaft in Berlin: "Die EnBW ist ein vertrauensvoller und zuverlässiger Partner." Deutschlands drittgrößtem Energieversorger sei daran gelegen, "den Gedankenaustausch fortzuführen und zu intensivieren".

Eine schillernde Figur

Tatsächlich intensivierten die EnBW - und vielleicht auch Claassen - direkt ihre grenzüberschreitenden Kontakte. Doch es waren keine fruchtbaren Kontakte. Vor Zivilgerichten wird seit geraumer Zeit um ihre Folgen gestritten, und jetzt ermittelt sogar die Staatsanwaltschaft. Es geht um die Geschäftsbeziehungen von EnBW zu dem russischen Unternehmer Andrej Bykow. Und zwar speziell in den Jahren, als Claassen EnBW-Vorstandschef war, von 2005 bis 2008.

Bykow ist eine schillernde Figur. Über ihn gibt es nur wenige Informationen. Angeblich war der erklärte Verehrer des heiligen Nikolaus einmal Diplomat in Bonn und Berlin. Er spricht fließend Deutsch und EnBW kennt er schon lang - er war bereits mit Claassens Vorgänger Gerhard Goll im Kontakt. Jetzt streitet Bykow um 120 Millionen Euro, die ihm EnBW in der Claassen-Ära gezahlt hat. Angeblich sei es um Uranlieferungen gegangen und um den Rückbau des Kernkraftwerks Obrigheim. So erklärt zumindest EnBW den Geldfluss. Als sich im Sommer 2009 abgezeichnet habe, dass die beiden von Bykow damit beauftragten Unternehmen nicht lieferten, sei man in Streit gekommen. EnBW wollte und will das Geld zurück und leitete Schiedsgerichtsverfahren gegen die beiden Firmen ein: die Eurepa Suisse S.A. und die Pro Life Systems S.A. aus Zürich.

Bislang lief der Rechtsstreit weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit ab - bis die russische Seite im Januar vor dem Landgericht Karlsruhe zurückschlug. Und zwar mit einem brisanten Argument: Es sei bei dem Deal mitnichten um Uran und Atomschrott gegangen, sondern um Lobby-Arbeit. EnBW habe Beteiligungen an sibirischen Gasfeldern erwerben wollen - heimlich, denn der damalige französische EnBW-Großaktionär und Atomkonzern EdF sei strikt dagegen gewesen. Er, Bykow, habe die Gasgeschäfte dennoch diskret auf den Weg bringen sollen, behauptet er. Die Sache mit dem Uran und dem Atomschrott sei also nur vorgeschoben gewesen, argumentieren die Bykow-Anwälte, es habe sich um "Scheinverträge" gehandelt.

"Das ist nicht nur ein Papiertiger"

Ganz unlogisch wäre das Geschäft strategisch insofern nicht gewesen, weil EnBW auf diesem Energiesektor eher schwach dasteht. Aufklärung könnten die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Mannheim bringen, die auf die Behauptung von den Scheingeschäften hin reagiert hat. "Wenn man davon liest, könnte man sich strafrechtliche Tatbestände vorstellen", sagt Peter Lintz, Sprecher der Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsstrafsachen. Diese prüft nun, ob konkrete Anhaltspunkte für Steuerhinterziehung, Untreue oder Korruption vorliegen. "Das ist nicht nur ein Papiertiger", warnt Lintz. Wenn sich der Verdacht erhärte, dann würden sich die weiteren Ermittlungen erfahrungsgemäß gegen den zuständigen Vorstand richten. Gegen Utz Claassen also.

Der Manager wehrt sich vehement. "Der Vorwurf von Scheinverträgen ist absurd und unzutreffend", sagt sein Anwalt Sebastian Melz der SZ: "Herr Claassen war als EnBW-Vorstandsvorsitzender nie bemüht, Zugang zum russischen Gasmarkt zu gewinnen." Bei EnBW weiß man offiziell noch nichts von den Ermittlungen und will sie nicht kommentieren. Das von EnBW angestrengte Schiedsverfahren laufe im Übrigen weiter, betont ein Sprecher: Bykows unbegründete Zivilklage sei gegen das Schiedsverfahren gerichtet und sein Versuch die unerledigte Arbeit zu rechtfertigen. Dafür spricht, was ein Karlsruher Gerichtssprecher mitteilt: Die Bykow-Gesellschaften hätten immer noch nicht den Gerichtskostenvorschuss von knapp 300.000 Euro eingezahlt. Die eingereichte Zivilklage - Auslöser der Strafermittlungen - sei deswegen auf dem Weg in die Registratur.

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