Emissionsrechte:EU will Regeln für Klimaschutz verschärfen

Die Atmosphäre zu verschmutzen ist billiger denn je - die Preise der Emissionszertifikate sinken drastisch. Damit soll nun Schluss sein. Die EU-Kommission drängt auf mehr Rechte und die Fluggesellschaften könnten zur Kasse gebeten werden.

Michael Bauchmüller und Cerstin Gammelin

Die Atmosphäre zu verpesten, ist in Europa ziemlich günstig. Für 7,40 Euro gingen am Dienstag die europäischen Emissionszertifikate über den Tisch. Wer also eine Tonne Kohlendioxid ausstößt, etwa weil er aus Steinkohle Strom erzeugt oder mit ihrer Hilfe Stahl herstellt, muss sich um den Klimaschutz in diesen Tagen nicht groß scheren. Noch vor einem halben Jahr kostete die Tonne fast zehn Euro mehr.

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Die Preise für Emissionszertifikate sind im Keller - das soll sich ändern. EU-Kommission soll künftig in den Handel eingreifen können.

(Foto: dpa)

Doch die Regeln für die Industrie könnten bald strenger werden, so will es der Umweltausschuss des EU-Parlaments. "Der Emissionshandel muss seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten, momentan ist er nur ein Ausfall", sagt Jo Leinen, Vorsitzender des Ausschusses. Am Dienstag verabschiedete das Gremium einen Beschluss, wonach die EU-Kommission künftig in den Handel mit Emissionsrechten direkt eingreifen darf. Ein entsprechender Antrag soll im Januar im EU-Parlament verabschiedet werden. Danach könnte alles ganz schnell gehen: Noch im ersten Halbjahr 2012, wenn die Dänen die Geschäfte der Europäischen Union führen, sollen die verschärften Regeln wirksam werden. Dänemark tritt schon länger für härtere Auflagen ein.

Falsche Prognosen

Der Eingriff wäre einmalig in der Geschichte des Klimaschutzes. Eingeführt im Jahr 2005, litt der Emissionshandel vor allem in der Anfangsphase unter der allzu guten Ausstattung vieler Unternehmen mit Emissionszertifikaten. Zwischenzeitlich sackte der Preis unter einen Euro, obwohl Experten ursprünglich Preise bis 30 Euro je Zertifikat erwartet hatten. Erst die etwas strengeren Regeln der zweiten Phase, die noch bis Ende nächsten Jahres läuft, stabilisierten den Preis wieder. Doch seit dem Sommer ist er im freien Fall.

Das Kernstück der europäischen Energie- und Klimapolitik ist in den letzten Monaten in Schwierigkeiten geraten", sagt auch der CDU-Umweltexperte im EU-Parlament, Peter Liese. Setzt sich der Ausschuss durch, könnte Brüssel zu Beginn der dritten Handelsperiode 2013 insgesamt 1,4 Milliarden Zertifikate zurückhalten. Das wären mehr als dreimal so viele Emissionsrechte, wie allein die deutsche Industrie im Jahr benötigt.

Durch diese Verknappung würde dann auch deren Preis steigen, folglich würde es sich für viele Unternehmen rentieren, auf verbrauchsärmere Technologien zu setzen. Beispiel Stromerzeugung: Sind die Emissionsrechte knapp und teuer, lohnt sich der Bau effizienterer Kraftwerke. Sind sie dagegen billig, kommen noch die ältesten Braunkohle-Anlagen zum Einsatz - mit entsprechenden Emissionen. Sollte der Preis zu stark steigen, könnte die Kommission auch Emissionsrechte an den Markt geben, wie eine Art Zentralbank für den Klimaschutz.

Umweltschützer sind von der Verknappung begeistert. "Das ist dringend nötig, um einen Kollaps des Emissionshandelssystems zu verhindern", sagt Christoph Bals, Klimaexperte bei Germanwatch. "Die nächste Debatte wird sein, wie man das europäische Klimaziel auf 30 Prozent anhebt." Denn bisher hat sich die EU bis 2020 nur auf eine Minderung um 20 Prozent verpflichtet, im Vergleich zu 1990. Aber auch dies könnte sich mit dem Vorstoß der Parlamentarier erledigen: Denn die Verknappung um 1,4 Milliarden Zertifikate orientiert sich an einem Klimaziel von minus 30 Prozent.

Es tobt ein heftiger Kampf

Dagegen warnt die Industrie vor voreiligen Schlüssen. "Die derzeitigen Zertifikatspreise sind nur eine Momentaufnahme der Krise", sagt Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Schon die geplante Verschärfung ab 2013 werde die CO2-Kosten massiv ansteigen lassen. "Das Zurückhalten weiterer Zertifikate wäre vor diesem Hintergrund äußerst gefährlich." Allerdings ist derzeit unter den EU-Parlamentariern noch umstritten, ob auch die energieintensive Industrie mehr für Emissionsrechte zahlen soll.

Derweil bahnt sich der nächste große Streit um den europäischen Emissionshandel an. Denn an diesem Mittwoch urteilt der Europäische Gerichtshof in Luxemburg über die Ausweitung des Zertifikatehandels auf den Luftverkehr. Schon am 1. Januar müssen auch Fluggesellschaften für ihre Kohlendioxid-Emissionen Emissionsrechte vorweisen.

Hinter den Kulissen aber tobt ein heftiger Kampf. Amerikanische Airlines wollen von dem Klimaschutz-Instrument nichts wissen, sie hatten Klage beim Gerichtshof eingereicht. Ein US-Gesetz verbietet ihnen inzwischen sogar, Emissionsrechte zu erwerben. Auch Russland und China sperren sich gegen die Ausweitung. Allerdings erwarten Beobachter, dass die Luxemburger Richter der EU-Kommission den Rücken stärken. Dafür plädiert auch die Generalanwaltschaft.

Damit allerdings droht ab Januar eine Kraftprobe, die vor allem Europas Fluggesellschaften mit Sorge sehen. Bleibt die Kommission bei ihrer harten Linie, könnte sich der Streit mit den USA zu einem veritablen Handelskrieg aufschaukeln. Macht Brüssel dagegen Ausnahmen, würde der Wettbewerb verzerrt. "Befriedigend wird das in keinem Fall", heißt es beim deutschen Luftfahrt-Verband BDL.

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