Emissionshandel:Desaster für den Klimaschutz in Europa

Thyssenkrupp

Stahlwerk von Thyssen-Krupp in Duisburg

(Foto: dpa)

Das wichtigste Instrument für den Klimaschutz ist unbrauchbar geworden. Die EU will den Emissionshandel nicht regulieren. Und Kanzlerin Merkel lässt zu, dass Deutschland bei diesem Thema in Brüssel stumm bleibt. Vom Willen, alles dafür zu tun, um künftigen Generationen eine lebenswerte Umwelt zu erhalten, ist nichts mehr übrig.

Ein Kommentar von Cerstin Gammelin, Brüssel

Europa hat für sich lange Zeit reklamiert, beim Klimaschutz führend zu sein. Damit ist es vorerst vorbei. Erst verweigerten sich die 27 Staaten der Europäischen Union, ihr gemeinsames Ziel zur Verringerung von Treibhausgasen zu erhöhen. Jetzt folgte das Europaparlament. Die Volksvertreter lehnten am Dienstag die längst überfällige Reform des Handels mit Emissionsrechten ab. Von der einstigen Aufbruchstimmung und dem Willen, alles dafür zu tun, um künftigen Generationen eine lebenswerte Umwelt zu erhalten, ist nichts mehr übrig.

Das Parlamentsvotum markiert einen Wendepunkt in der europäischen Klimapolitik. Vor zehn Jahren führten die Europäer als weltweit erste Region einen Handel mit Emissionsrechten ein. Es war ein Prestigeprojekt: Unternehmen sollten über marktwirtschaftliche Mechanismen motiviert werden, in umweltfreundliche Technik zu investieren. Klimaschutz sollte so effizient und preiswert werden. Doch das Projekt ist gescheitert. Unternehmer, die dem Versprechen vertraut und investiert haben, wurden nicht belohnt, sondern bestraft. Emissionsscheine - also Genehmigungen, eine bestimmte Menge Treibhausgase zu erzeugen - wurden praktisch nie wirklich gehandelt. Der Grund: Es sind viel zu viele Emissionsscheine auf dem Markt. Unternehmen, die nicht in Klimaschutz investierten, konnten weiter die Umwelt schädigen, ohne zu zahlen. Schließlich sind ihre Depots mit Zertifikaten gut gefüllt.

Die Chance, an diesem Zustand etwas zu ändern, ist nun vertan. Die EU-Abgeordneten stimmten dagegen, wenigstens vorübergehend eine bestimmte Anzahl von Zertifikaten vom Markt zu nehmen und damit den Preis für den Ausstoß von Treibhausgasen zu erhöhen. Stattdessen dürfte sich der Marktwert der Zertifikate jetzt endgültig der Null nähern. Klimafreundliche Investitionen lohnen sich daher nicht mehr, das wichtigste Instrument des Klimaschutzes ist unbrauchbar geworden.

Die Verantwortlichen für dieses Desaster sitzen in den nationalen Hauptstädten und in Brüssel. Für EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard ist die verlorene Abstimmung ein weiteres Puzzle-Teil in ihrer erfolglosen Politik. Als dänische Umweltministerin musste sie miterleben, wie die internationale Klimakonferenz von Kopenhagen scheiterte, weil sich die Länder nicht auf minimale Ziele einigen konnten. Auch als EU-Kommissarin ist es ihr nicht gelungen, die notwendigen Mehrheiten für eine halbwegs engagierte Klimapolitik der Europäer zu organisieren.

Auch weil ihr die wichtigste Verbündete abhanden gekommen ist: Bundeskanzlerin Angela Merkel. Einst wegen ihres Einsatzes als Klimakanzlerin gefeiert, hat sich Merkel aufs Schweigen verlegt. Aus Rücksicht auf den Koalitionspartner lässt sie es zu, dass Deutschland beim Thema Klimaschutz in Brüssel stumm bleibt - und dass Abgeordnete ihrer eigenen Partei inzwischen mehrheitlich gegen Klimaprojekte stimmen. Deutschlands Vorreiterrolle im europäischen Klimaschutz ist ebenso dahin wie die Europas in der Welt.

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