Spektakuläre Festnahme:Die Spur führt nach Deutschland

Spektakuläre Festnahme: Sonnenaufgang in den Dünen auf der Nordseeinsel Juist. Doch die Idylle trügt. Denn in dieser Woche kam es dort zu einer spektakulären Festnahme.

Sonnenaufgang in den Dünen auf der Nordseeinsel Juist. Doch die Idylle trügt. Denn in dieser Woche kam es dort zu einer spektakulären Festnahme.

(Foto: Roland T. Frank/mauritius images)
  • Emilio Lozoya Austin war lange einer der mächtigsten Wirtschaftsbosse Mexikos - bis ihn der Odebrecht-Skandal einholte, Lateinamerikas größte Korruptionsaffäre.
  • Mittlerweile wird überall auf der Welt nach Lozoya gefahndet, auch in Deutschland.
  • Auf der Insel Juist wurde nun seine Mutter festgenommen, seine Frau und seine Schwester sind ebenfalls ins Visier der Fahnder geraten.

Von Mauritius Much, Frederik Obermaier und Benedikt Peters

Der größte Korruptionsskandal in der Geschichte Lateinamerikas hat ein neues Kapitel; es spielt auf der Nordseeinsel Juist. Juist liegt in Ostfriesland, hat gut 1700 Einwohner und ist ganze 17 Quadratkilometer groß. In dieser Woche kam es auf der Insel zu einer spektakulären Festnahme, die dazu geführt hat, dass nun ausgerechnet mexikanische Zeitungen über Juist berichten, über diesen autofreien, paradiesischen Fleck im "Mar de Wadden", dem Wattenmeer.

Am Mittwoch nämlich nahmen deutsche Polizisten auf Juist Gilda Austin y Solís fest, eine 70-jährige oder - hier variieren die Angaben - 71-jährige Mexikanerin. Auf Juist soll sie mit ihren Enkeln Ferien gemacht haben, so erzählte es ihr Anwalt mexikanischen Journalisten. Es muss eine Festnahme im Verborgenen gewesen sein, zumindest hat man auf der Insel nichts davon mitbekommen, nicht bei der Ostfriesen-Zeitung und auch nicht im Friesenhof, einem der Hotels am Platz. Die Rezeptionistin sagt ins Telefon: "Wir haben hier auch eigentlich keine Mexikaner."

In Mexiko hingegen macht der Fall Schlagzeilen, was nicht an Austin y Solís selbst liegt, sondern an ihrem Sohn. Sie ist die Mutter von Emilio Lozoya Austin, und dieser ist ein mächtiger Ex-Wirtschaftsboss und einer der meistgesuchten Männer Mexikos. Lozoya Austin war ein enger Berater des früheren mexikanischen Präsidenten Enrique Peña Nieto, er arbeitete in dessen Wahlkampfteam und wurde 2012 Chef des staatlichen Ölkonzerns Pemex. Pemex ist nicht einfach irgendein Unternehmen, es ist ein Gigant. Der Konzern besitzt ein Monopol auf das nationale Geschäft mit Benzin und zählt zu den zehn größten Öl-Unternehmen weltweit. Der Jahresumsatz betrug zuletzt umgerechnet 74 Milliarden Euro.

Pemex CEO Emilio Lozoya Interview

Emilio Lozoya galt als einer der erfolgreichsten und mächtigsten Wirtschaftsbosse Mexikos. Dann holte auch ihn der Odebrecht-Skandal ein, Lateinamerikas größte Korruptionsaffäre. Möglich, dass er nun in Deutschland untergetaucht ist.

(Foto: Susana Gonzalez/Bloomberg)

Früher galt Lozoya Austin als sehr erfolgreich. Ab 2016 jedoch wurde es für ihn ungemütlich. Es war die Zeit, in der ein Korruptionsskandal um den brasilianischen Baukonzern Odebrecht immer weitere Kreise zog und schließlich ganz Lateinamerika erfasste, hinauf bis Mexiko. Bis heute sind reihenweise Manager, Minister und sogar Staatschefs zu jahrzehntelangen Haftstrafen verurteilt worden, der peruanische Ex-Präsident Alan García nahm sich angesichts von Anschuldigungen sogar das Leben.

Der Odebrecht-Skandal ist Lateinamerikas Jahrhundertskandal. Im August 2017 erreichte er auch Emilio Lozoya Austin. Der Mexiko-Chef des Odebrecht-Konzerns beschuldigte ihn, Bestechungsgelder in Höhe von 10,5 Millionen Dollar angenommen zu haben. Die mexikanischen Behörden begannen zu ermitteln. Das Geld, so der Vorwurf, sei von Odebrecht-Managern auf die Konten von mehreren Briefkastenfirmen überwiesen worden. Im Gegenzug für die Bestechungsgelder soll Lozoya ihnen geholfen haben, in Mexiko Fuß zu fassen und Verträge mit dem Ölkonzern Pemex zu bekommen. Das gestanden drei Odebrecht-Führungskräfte der brasilianischen Justiz. Videos von Teilen dieser Aussagen veröffentlichte das mexikanische Recherchekollektiv Quinto Elemento Lab, mit dem die SZ und die Schweizer Tamedia-Mediengruppe bei dieser Recherche zusammenarbeitet. Im Mai 2019 erließ die mexikanische Justiz einen Haftbefehl gegen Loyoza, doch der Manager verschwand. Und damit begann eine neue Episode, in der viele Spuren nach Deutschland führen.

Lozoyas Ehefrau Marielle Eckes nämlich stammt aus der Bundesrepublik, ihre Verwandten gehören zu den Gründern des Saftherstellers Eckes-Granini. Marielle Eckes soll auf dem Eliteinternat Schloss Salem zur Schule gegangen sein, angeblich arbeitete sie später in Frankfurt, bevor sie mit ihrem Ehemann ins Ausland zog.

Die Fahnder sollen sich für ein Gebäude am Starnberger See interessiert haben - aber Lozoya tauchte nicht auf

In Deutschland ist Lozoya außerdem laut Firmenregister auch an mindestens zwei Unternehmen beteiligt: der All-ME Hamburg und der ELMO-Wolfsburg, beide mit Sitz in München. Und in Deutschland, so ist zu hören, macht Lozoyas Familie auch gerne Urlaub. Vor einigen Wochen registrierten deutsche Fahnder am Flughafen Frankfurt schließlich die Einreise von Lozoya. Nachdem er mit internationalem Haftbefehl gesucht wurde, hefteten sich nach SZ-Informationen schon bald Zielfahnder an seine Fersen: Spezialisten für das Aufspüren und Festnehmen von gesuchten Kriminellen. Sie sollen sich für ein Gebäude am Starnberger See interessiert haben, außerdem für jene Adressen, an denen Lozoyas Firmen gemeldet sind.

Lozoya aber tauchte nicht auf. Es kursieren allerlei Gerüchte, wo er sich versteckt haben könnte, etwa in Luxemburg, wo er vor einigen Jahren mehrere Millionen in eine Firma investiert hat, oder in der Schweiz, wo er über Konten einer Schweizer Privatbank allerlei Geld transferiert haben soll. Nach SZ-Informationen haben mexikanische Ermittler sich mittlerweile an das Bundeskriminalamt (BKA) gewandt: Dem liegen Millionen interne Dokumente von Mossack Fonseca vor - jener panamaischen Kanzlei im Zentrum der Panama Papers. Laut den Dokumenten bekam Lozoya im März 2011 eine Vollmacht ausgestellt, um ein Konto und ein Schließfach für die panamaische Briefkastenfirma Balerg Associates Inc. zu eröffnen. Die Firma war mehrere Jahre aktiv und wurde bis April 2016 von Mossack Fonseca verwaltet. Der wahre Eigentümer der Briefkastenfirma Balerg Associates Inc. ist bis heute unbekannt: er verbarg sich hinter sogenannten anonymen Inhaberaktien.

In Mexiko sind Anfang Juli schließlich auch Lozoyas Frau, seine Schwester und seine Mutter ins Visier der Fahnder geraten. Auch in Deutschland läuft nach Angaben der Staatsanwaltschaft München "derzeit ein Vorprüfungsverfahren im Zusammenhang mit Herrn Emilio Lozoya und seiner Ehefrau Marielle Eckes". Die Ehefrau ist ebenfalls abgetaucht. Auf eine an Marielle Eckes gerichtete E-Mail antwortete eine Münchner Anwaltskanzlei. Sie bat um Verständnis, dass "derzeit keinerlei Stellungnahmen" abgegeben würden. Emilio Lozoya war für eine Anfrage bis Freitagnachmittag nicht zu erreichen.

Seine Mutter war offenbar schon seit einigen Tagen in Deutschland, im Urlaub auf Juist. Die Generalstaatsanwaltschaft München bestätigte auf Anfrage die Festnahme einer mexikanischen Staatsangehörigen "aufgrund eines Fahndungsersuchens der mexikanischen Behörden zum Zwecke der Auslieferung nach Mexiko". Es gehe um den Verdacht der Geldwäsche. Tatsächlich jedoch könnte es darum gehen, ihren Sohn zu einem unbedachten Schritt zu bewegen: einem Schritt, der ihn in die Hände der Fahnder treiben könnte.

Besonders gespannt dürfte die Fahndung übrigens von Mexikos Präsidenten verfolgt werden, von Andres Manuel López Obrador. Die Mexikaner haben ihn auch deshalb ins Amt gewählt, weil er versprochen hat, endlich mit der Korruption Schluss zu machen, die das Land seit Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten plagt. Lozoyas Festnahme wäre ein wichtiges Symbol in diesem Kampf. Und deswegen hofft Präsident López Obrador nun wohl auch auf die deutsche Polizei.

Mitarbeit: Andrea Cárdenas (Quinto Elemento Lab), Bernhard Odehnal

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