Pandemie:Jede fünfte Mutter reduziert wegen Corona Arbeitszeit

Familie: Mutter mit Kindern beim Homeschooling

Unterricht daheim: Auch wenn Schulen und Kitas größtenteils offen sind, müssen gerade viele Eltern ihre Kinder zu Hause betreuen, etwa weil diese sich in Quarantäne befinden.

(Foto: Mischa Keijser/mauritius images)

Um ihre Kinder zu betreuen, arbeiten gerade viele Frauen weniger. Immer mehr Menschen sind pandemiemüde - und so unzufrieden mit dem Krisenmanagement der Regierung wie noch nie.

Von Alexander Hagelüken

Corona hält Deutschland weiter voll im Griff. Im Januar musste jede fünfte Mutter ihre Arbeitszeit reduzieren, um Kinder zu betreuen. So viele waren es seit Ausbruch der Pandemie nur einmal, beim harten Lockdown im April 2020. Brisant für die Bundesregierung, die sich an diesem Mittwoch mit den Ländern berät: Noch nie war ihr Krisenmanagement so unbeliebt - und das mindert den Impfwillen.

Die Pandemie hat das Leben der Menschen völlig verändert. Wie wirkt sie sich konkret aus? Dies fragt das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) regelmäßig, seit das Coronavirus vor zwei Jahren ausbrach. Was Arbeitnehmer und Selbständige antworten, zeichnet ein präzises Bild, wie die Deutschen durch diese epochale Heimsuchung kommen. So zeigt die sechste Umfragereihe, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt: Die Pandemie belastet viele Bürger noch stark - trotz wirtschaftlicher Stabilität, Impfschutz und milderer Krankheitsverläufe.

Beispiel Mütter: Aktuell reduzieren mehr weibliche Beschäftigte ihre Arbeitszeit als zu den meisten Zeitpunkten der Pandemie. Und das, obwohl Schulen und Kitas anders als zuvor meist offen sind. Wie kann das sein? Weil es durch Omikron eine Rekordzahl an Infektionen gibt, müssen sich viele Eltern trotzdem um Töchter und Söhne kümmern, die sich angesteckt haben oder in Quarantäne sind.

Die Arbeitsausfälle werden zum gesamtwirtschaftlichen Problem. Beschäftigte fehlen, weil sie Kinder betreuen oder selbst infiziert oder in Quarantäne sind. Allein im Januar trafen die Arbeitsausfälle 40 Prozent der Betriebe. Das waren fast so viele, wie im gesamten ersten Jahr der Pandemie zusammen unter fehlendem Personal litten, berichtet das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

"Der Vergleich zeigt die sehr angespannte Personalsituation in der Omikron-Welle", sagt IAB-Direktor Bernd Fitzenberger. Jede zweite betroffene Firma meldet größere Probleme im Betriebsablauf. Besonders gilt das für die Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbranche, wo der persönliche Kontakt schwer ersetzbar ist.

Es kehren traditionelle, überwunden geglaubte Rollenbilder zurück

Wenn Kinder wegen Corona nicht in Schule oder Kita sind, kümmern sich meist die Mütter. Da hat sich was verändert. "Während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 betreuten auch viele Väter die Kinder", berichtet WSI-Forscher Andreas Hövermann. "Inzwischen sind die Mütter stärker damit allein."

So kehren traditionelle, überwunden geglaubte Rollenbilder zurück. Im Januar 2022 gaben weit mehr als 60 Prozent der Mütter an, sie übernähmen den Großteil der Betreuung - und nicht etwa beide Eltern gemeinsam oder der Vater. Damit sind mehr Mütter in der Hauptverantwortung als vor der Pandemie. Und wer weniger arbeitet, um den Nachwuchs zu betreuen, verdient natürlich weniger.

Keine Überraschung also, dass wieder mehr Mütter ihr Leben unter Corona belastend finden. Aber sie sind nicht die einzigen. Die Arbeitnehmer insgesamt empfinden die Situation in der Familie, der Arbeit oder bei den Finanzen als schwieriger als etwa im Sommer 2021.

Was das Geld angeht, gibt es große Unterschiede. So sorgen sich inzwischen weniger Arbeitnehmer um ihren Job oder die wirtschaftliche Lage. Die deutsche Wirtschaft wächst ja wieder, und die Regierung gab viele Milliarden aus. "Hilfspakete und Instrumente wie Kurzarbeitergeld vermitteln materielle Sicherheit", beobachtet WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch.

Allerdings waren die finanziellen Sorgen im Januar größer als im vergangenen Jahr. Und eine Gruppe fällt zunehmend durch den Rost, je länger die Pandemie dauert: Geringverdiener. Fast jeder zweite empfindet seine Finanzlage als belastend. Das sind so viele wie noch nie seit dem Corona-Ausbruch. Bei ärmeren Haushalten machen sich Zehntausende gestrichene Minijobs bemerkbar. Auch die hohe Inflation trifft sie stärker. Und wer eh wenig verdient, für den sind finanzielle Einbußen etwa durch Kurzarbeit härter. Hier reicht der Sozialstaat nach zwei Jahren Pandemie offenbar nicht mehr weit genug.

"Egal was die Regierung tut, sie verliert in einem der Lager Zustimmung"

Dauernde Corona-Sorgen und Finanznot: Kein Wunder, dass so wenig ärmere Bürger mit dem Krisenmanagement der Regierung zufrieden sind wie noch nie. Auffällig ist, dass dies nicht nur für sie gilt - sondern ebenso für Bürger, die mehr verdienen. Da sind all die Eltern, vor allem Mütter, die sich alleingelassen und ausgelaugt fühlen. Aber auch viele andere Deutsche. Die Zufriedenheit mit der Corona-Politik lag anfangs bei zwei Drittel. Inzwischen ist sie in allen Einkommensgruppen auf ein Allzeittief gefallen.

Das liegt auch daran, dass die Menschen pandemiemüde sind. "Nach zwei Jahren Ausnahmezustand fühlen sich die Befragten erschöpft", beobachtet Sozialforscher Hövermann. "Gesellschaftliche Spannungen, Entbehrungen und Enttäuschungen zehren an ihnen." Selbst wer gar keine Angst mehr hat, dass er seinen Arbeitsplatz verliert oder die Wirtschaft zusammenbricht, fühlt sich belastet - und sorgt sich um zunehmende Ungleichheit und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Politisch heikel für die Bundesregierung ist, dass sie bei zwei sehr unterschiedlichen Lagern in Kritik geraten ist. Für Impfgegner gilt das sowieso. Hinzu kommen hier die Bürger, die sich im Verlauf der Pandemie von der offiziellen Krisenpolitik entfremdet haben. "Die sind einfach müde und wollen, dass die Beschränkungen enden", sagt Hövermann.

Unzufrieden ist aber auch ein zweites, ganz anderes Lager: Bürger, die sich von der Politik nicht genug geschützt fühlen. Ihre Kritik hat mit den steigenden Infektionsraten zugenommen. Es haben wieder mehr Deutsche Angst, sie oder ihre Angehörigen könnten sich anstecken. Das jüngste Politbarometer der Forschungsgruppe Wahlen misst zwar mehr Zustimmung zur Corona-Politik (49 Prozent statt wie beim WSI 31 Prozent). Aber die zwei Lager lassen sich auch dort erkennen.

Hilft gegen diese Spaltung ein Stufenplan für Öffnungen, wie er sich vor dem Bund-Länder-Treffen abzeichnet? Ungewiss. "Egal was die Regierung tut, sie verliert in einem der Lager Zustimmung", glaubt Hövermann. Entspannung bringe vielleicht nur ein Abebben der Omikron-Welle.

Die Daten zeigen, dass die Unzufriedenheit nicht nur eine politische Größe ist. Sie beeinflusst auch den Erfolg der Corona-Politik. Geimpfte Befragte, die in den vergangenen Monaten ihr Vertrauen ins Krisenmanagement verloren haben, lassen sich signifikant seltener boostern.

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